BRÜSSEL: Der ungarische Regierungschef besucht Kremlchef Putin in Moskau - das hat die EU scharf kritisiert. In einem Brief an seine Amtskollegen gibt Orban nun Einblick in dessen Sicht auf den Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban zieht in einem Brief an die EU-Staats- und Regierungschefs ein Fazit seiner unangekündigten Reise nach Moskau. In dem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel vorliegt, legt er die Sichtweise des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf den Krieg gegen die Ukraine dar. Unter anderem schreibt er, dass sich Russland nur an Friedensgesprächen beteiligen werde, an denen auch die Ukraine teilnehmen werde. Putin habe auch einen Plan, wie die europäische Sicherheitsarchitektur nach dem Krieg aussehen könne. Details dazu ließ der ungarische Regierungschef aber offen.
Zudem macht sich Orban in dem Brief russische Sichtweisen auf Moskaus Angriffskrieg gegen die Ukraine zu eigen. Derzeit gebe es die Chance auf einen Waffenstillstand, aber falls es nicht gelingen sollte, eine bevorstehende Verschärfung des Konfliktes zu verhindern, werde man in den nächsten zwei Monaten Zeuge dramatischerer Verluste sein als je zuvor, heißt es in dem Schreiben. Dabei sei Zeit ein entscheidender Faktor.
Darüber hinaus gibt der Ungar in dem Brief, der auf vergangene Woche datiert ist, russische Sichtweisen ohne weitere Einordnung an seine EU-Kollegen weiter. Die Russen seien der Ansicht, die Zeit sei nicht auf der Seite der Ukraine, sondern auf der Seite der russischen Streitkräfte, schreibt Orban.
Viel Kritik an überraschendem Moskau-Besuch
Zudem verbreitet er unrealistisch hohe russische Schätzungen zur Zahl ukrainischer Opfer und Verletzter in dem Brief, der an EU-Ratspräsident Charles Michel adressiert ist und auch an die EU-Staats- und Regierungschefs verschickt wurde.
Orban war am Freitag überraschend zu einem Besuch in Moskau gelandet und hatte dafür deutliche Kritik aus der EU geerntet. Ungarn hatte zum 1. Juli die rotierende EU-Ratspräsidentschaft übernommen.
Putin hatte die von ihm genannten Bedingungen für ein Ende des Krieges immer mit dem Hinweis verknüpft, sie besser schnell zu akzeptieren, bevor sich die Lage für die Ukraine weiter verschlechtere. Tatsächlich ist das Leben in den ukrainischen Städten schwieriger geworden durch die dauernden russischen Bombardements auf das Energiesystem. An der Front aber kommt Russland im Osten und Süden nur unter hohen Verlusten und sehr langsam voran.
Die seit Mai laufende Offensive bei Charkiw ist stecken geblieben. Auf der Krim hat die Ukraine der russischen Luftverteidigung wie der Flotte empfindliche Schläge zugefügt. Und die Ukraine wartet darauf, dass sich ihre Bewaffnung mit mehr Patriot-Flugabwehrsystemen und Kampfflugzeugen vom Typ F16 bald verbessert.