Ursula von der Leyen besucht Johnson in der Downing Street

Foto: epa/Philipp Guelland
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LONDON/BRÜSSEL (dpa) - Zwischen Jean-Claude Juncker und Theresa May knirschte es gewaltig. Wird Ursula von der Leyen und Boris Johnson ein besserer Start gelingen für die Verhandlungen über die Beziehungen nach dem Brexit?

Drei Wochen vor dem geplanten Brexit reist EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch zum britischen Premierminister Boris Johnson nach London. Bei einem Gespräch in der Downing Street soll es um den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union am 31. Januar und die kommenden knapp zwölf Monate gehen. Bis Ende 2020 sollen die künftigen Beziehungen zwischen London und Brüssel geklärt sein.

In einer Mitteilung betonte Johnson in der Nacht zum Mittwoch erneut, dass er nicht zu einer Verlängerung bereit sei. Die Briten hätten bereits vor mehr als drei Jahren für den Brexit gestimmt. Ziel sei nun ein ambitioniertes Freihandelsabkommen. An dem Gespräch wird zeitweise auch Brexit-Minister Stephen Barclay teilnehmen.

Wie sich von der Leyen die künftige Partnerschaft vorstellt, will sie vor dem Treffen mit Johnson in einer Ansprache in der renommierten London School of Economics umreißen. Titel der Rede: «Alte Freunde, neue Anfänge - Aufbau einer neuen Zukunft für die Partnerschaft zwischen der EU und Großbritannien».

Begleitet wird von der Leyen von EU-Chefunterhändler Michel Barnier. Der Franzose leitete bereits die Gespräche über den Austritt und soll nun im Auftrag der EU auch über das künftige Verhältnis verhandeln. Nötig ist dafür jedoch ein Mandat, das die EU-Staaten Ende Februar erteilen könnten. Erst danach können die Verhandlungen starten.

Mit Spannung wird erwartet, welche Stimmung bei dem Treffen herrschen wird. London-Besuche von von der Leyens Vorgänger Jean-Claude Juncker fanden teilweise in frostiger Atmosphäre statt. Damals war noch Theresa May Hausherrin in der Downing Street.

Nach Johnsons Wahlsieg bei der britischen Parlamentswahl im Dezember steht dem Brexit nichts mehr im Wege. Besorgnis gibt es darüber, ob die bis Ende 2020 vorgesehene Übergangsphase ausreichen wird, um ein Handelsabkommen für die künftigen Beziehungen zwischen London und Brüssel unter Dach und Fach zu bringen. Während der Übergangsphase bleibt so gut wie alles beim Alten. Eine Verlängerung um bis zu zwei Jahre ist möglich, doch Johnson lehnt sie ab. Sollte kein Abkommen zustande kommen, drohen erhebliche Handelsbarrieren.

In einem «Spiegel»-Interview kurz vor dem Jahreswechsel hatte sich von der Leyen skeptisch geäußert. «Das macht mir großen Sorgen, denn die Zeit ist extrem kurz für die Masse der Fragen, die verhandelt werden müssen», sagte von der Leyen. Es gehe nicht nur um Handelspolitik, sondern auch um Sicherheitsfragen oder Fischereirechte. Vorrang bei den Verhandlungen hätten jene Aspekte, bei denen ohne Abkommen der größte Schaden drohe.

Für Skepsis sorgt auch, dass sich Johnson gegen eine enge Anbindung Großbritanniens an EU-Produktstandards ausgesprochen hat. Das könnte Experten zufolge zu Handelshemmnissen im Warenverkehr zwischen der EU und Großbritannien führen. Zudem wird befürchtet, dass sich London unter anderem durch das Absenken von Standards bei Arbeitnehmerrechten und Umweltschutz Wettbewerbsvorteile verschafft.

Der Premier will sich die Möglichkeit für ein weitreichendes Handelsabkommen mit den USA und anderen offenhalten und geht daher auf Abstand zur EU. Experten warnen aber, dass Großbritannien dabei nichts zu gewinnen habe, da der Handel mit der EU viel wichtiger sei.

Johnson ist durch seinen überwältigenden Wahlsieg nicht mehr von einzelnen Gruppierungen in seiner Partei abhängig. Manch einer hofft daher, dass er von seiner harten Linie abweichen wird und doch noch eine engere Anbindung an die EU sucht. Doch bislang macht er keine Anstalten, sich von den Dogmen der Brexit-Hardliner zu lösen.

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