EU-Vorschläge müssen mehr lösen als «Würstchenkrieg»

Brexit-Minister 

Der britische Chefunterhändler der Task Force Europa David Frost. Foto: epa/Olivier Hoslet
Der britische Chefunterhändler der Task Force Europa David Frost. Foto: epa/Olivier Hoslet

LONDON: Bevor die EU neue Lösungsvorschläge im Nordirland-Streit präsentieren will, stichelt die britische Regierung weiter kräftig Richtung Brüssel. Die führenden Kontrahenten in London und Dublin liefern sich einen nächtlichen Schlagabtausch auf Twitter.

Im Streit um die Umsetzung des Brexit-Abkommens in Nordirland erhöht die britische Regierung den Druck auf die EU. Die Vorschläge aus Brüssel müssten weiterreichen als bloß den Ärger über die Einfuhr von Fleischprodukten zu lösen - den «Würstchenkrieg», wie er genannt wird. Das will Brexit-Minister David Frost nach Angaben aus der Downing Street am Dienstag in einer Rede in Lissabon fordern.

Die EU muss demnach nun die Ambition und die Bereitschaft zeigen, die fundamentalen Fragen im Herzen des sogenannten Nordirland-Protokolls direkt anzugehen. Endlose Verhandlungen seien keine Option, so Frost. Premierminister Boris Johnson hatte die Vereinbarung mit der EU, die er jetzt ändern will, zuvor selbst unterzeichnet.

Das Protokoll sieht vor, dass die britische Provinz Nordirland faktisch weiterhin den Regeln des EU-Binnenmarkts folgt. Damit sollen Warenkontrollen an der EU-Außengrenze zwischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland verhindert werden. Ansonsten wird ein Wiederaufflammen des Konflikts in der ehemaligen Bürgerkriegsregion befürchtet. Stattdessen muss nun aber kontrolliert werden, wenn Waren aus England, Schottland oder Wales nach Nordirland gebracht werden. Das schafft Probleme im innerbritischen Handel, für die sich London und Brüssel gegenseitig verantwortlich machen.

Frost will die Rede in der portugiesischen Hauptstadt den Angaben zufolge nutzen, um deutliche Änderungen am Nach-Brexit-Abkommen zu fordern, darunter auch zur Rolle des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Nordirland. Am Mittwoch dürfte die EU dann Lösungsvorschläge präsentieren. Aus Londoner Regierungskreisen verlautete die Drohung, Großbritannien könnte Artikel 16 des Protokolls auslösen, sollten die EU-Vorschläge den Briten nicht ausreichen - das würde Teile der Vereinbarung praktisch über den Haufen werfen.

Am Donnerstag hatte der EU-Brexit-Beauftragte Maros Sefcovic auf einer Veranstaltung einmal mehr betont, oberstes Ziel seien Frieden und Stabilität in Irland. Ohne Zweifel sei ein Konsens zwischen der EU und Großbritannien bei der Nordirland-Frage der herausforderndste Teil der gesamten Brexit-Verhandlungen. Man versuche zwar, die Folgen des EU-Austritts der Briten so gering wie möglich zu halten, ganz verhindern könne man sie aber nicht.

Sefcovic sagte zudem, es sei nicht hilfreich, dass von Politikern aus dem Vereinigten Königreich immer wieder damit gedroht wurde, Artikel 16 des Nordirland-Protokolls zu nutzen. Es habe fünf lange Jahre gedauert, um dort zu stehen, wo man nun sei. Es sei klar, dass es keine einfachen, schnellen Lösungen gebe.

Irlands Außenminister Simon Coveney schrieb in der Nacht zum Sonntag auf Twitter, die EU arbeite ernsthaft daran, die praktischen Fragen bei der Umsetzung des Protokolls zu lösen. Gleichzeitig monierte er, dass die Regierung in London eine neue rote Linie schaffe, bei der sie genau wisse, dass die EU sich dabei nicht bewegen könne. Die wirkliche Frage sei: «Will die britische Regierung tatsächlich einen vereinbarten Weg vorwärts oder einen weiteren Zusammenbruch in den Beziehungen?»

Frost konterte umgehend. Bereits vor drei Monaten habe man seine Bedenken dargelegt - das Problem sei, dass zu wenige Leute zugehört hätten. Seine Regierung werde sich die Vorschläge von Sefcovic genau anhören. «Aber es braucht erhebliche Änderungen der aktuellen Situation, wenn es ein positives Ergebnis geben soll», twitterte er.

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Michael R. 12.10.21 00:10
Nordirland
ist nicht das Problem der EU, sondern ausschließlich einer Innerbritisches. Zudem tun die Tommies so als läge die Schuld für den Austritt mindestens zu 50% bei der EU. Nein, die Linksfahrer wollten unbedingt raus und jetzt haben sie den Salat. Und wenn sich die in Nordirland unbedingt wieder die Köpfe einschlagen wollen, dann sollen sie sich in London bedanken, aber bitte Brüssel außen vor lassen.