Brasilianer demonstrieren weiter gegen Bolsonaro

Die Gegner des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro protestieren gegen den Protest der Regierung vor dem Gebäude des Obersten Wahlgerichts (TSE) in Brasilia. Foto: epa/Joédson Alves
Die Gegner des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro protestieren gegen den Protest der Regierung vor dem Gebäude des Obersten Wahlgerichts (TSE) in Brasilia. Foto: epa/Joédson Alves

SÃO PAULO: Verharmlosung des Coronavirus, Drohungen gegen demokratische Institutionen - der Unmut über Präsident Jair Bolsonaro ist so groß geworden, dass Tausende Brasilianer inmitten der Corona-Krise auf die Straße gehen. Für Sonntag sind wieder Proteste angekündigt

Die Organisatoren der Demonstrationen für die Demokratie, gegen Rassismus und gegen Präsident Jair Bolsonaro haben trotz der Corona-Pandemie zu weiteren Protesten in Brasilien aufgerufen. «Unser Ziel ist zu zeigen, dass die Mehrheit der Bevölkerung gegen die tödliche Politik der Regierung und die Drohungen des Bruchs mit der Demokratie ist», sagt Danilo Pássaro, Fan des SC Corinthians und einer der Organisatoren von der Bewegung «Somos Democracia», der Deutschen Presse-Agentur.

Die Proteste sind für Sonntag in verschiedenen Städten des südamerikanischen Landes angekündigt. Bereits am vergangenen Sonntag waren in São Paulo und anderen brasilianischen Städten Tausende Menschen auf die Straße gegangen. Brasiliens Präsident wird neben anti-demokratischen Tendenzen auch Rassismus und ein fahrlässiger Umgang mit der Corona-Pandemie vorgeworfen. Bolsonaro spricht bei Covid-19 von einer «leichten Grippe» und lehnt Einschränkungen sowie Maßnahmen gegen das Coronavirus ab.

Gouverneure und Bürgermeister verfügten im Kampf gegen das Virus zunächst teils strenge Maßnahmen, haben zuletzt aber mit Lockerungen begonnen - während sich die Zahl der Corona-Toten der Marke von 40 000 annäherte. Mehr als 770 000 Menschen haben sich in dem größten Land Lateinamerikas mit Sars-CoV-2 infiziert. Vor wieder geöffneten Einkaufszentren in São Paulo bildeten sich lange Schlangen, des Treibens auf den Straßen in Rio de Janeiro erinnerte schon wieder an den Alltag vor der Pandemie.

Bolsonaros Anhänger halten ohnehin nichts von Anti-Corona-Maßnahmen. Sie kritisieren immer wieder das Oberste Gericht und den Kongress und fordern eine Militärintervention, damit Bolsonaro seine Entscheidungen ohne die demokratischen Institutionen durchsetzen kann. «Die Tatsache, dass diese Dinge offen diskutiert werden, zeigt, wie beschädigt Brasiliens Demokratie ist», meint der deutsch-brasilianische Politikwissenschaftler Oliver Stuenkel von der Fundação Getulio Vargas in São Paulo auf Twitter.

Es hat sich jedoch auch eine Gegenbewegung gebildet, nachdem viele Brasilianer zunächst ihren Unmut über den Umgang des Präsidenten mit der Pandemie durch das Schlagen gegen Töpfe am offenen Fenster ausgedrückt hatten. Fast 300.000 Unterschriften erreichte ein Manifest der Initiative «Estamos #Juntos» («Wir stehen zusammen»). Der Hashtag «Somos 70 porcento» («Wir sind 70 Prozent») bestimmte zuletzt die sozialen Netzwerke. Vor allem organisierte Fußballfans machen Stimmung gegen die Politik Bolsonaros.

Die Fans füllen damit ein politisches Vakuum, das traditionelle politische Organisationen hinterlassen haben. Die Sozialistische Partei des ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Guilherme Boulos und die Arbeiterpartei PT von Ex-Präsident Luiz Inácio «Lula» da Silva etwa unterstützen die Demonstrationen zwar. «Aber es ist fundamental, dass der Protagonismus bei den Fußballfans bleibt. Politische Organisationen sind bei einem Teil der Bevölkerung verbrannt», sagte Organisator Pàssaro. So ist die Ablehnung der PT beispielsweise groß, weil sie als Inbegriff der Korruption gilt.

Für Bolsonaro sind diejenigen, die gegen ihn demonstrieren, «Asoziale» und «Terroristen». Bei den jüngsten Demonstrationen fiel die hohe Präsenz der Militärpolizei auf, der Präsident hatte sogar mit einem Einsatz des Militärs in Brasília geliebäugelt. Politikwissenschaftler Stuenkel meinte: «Es sei daran erinnert, dass ein Militärputsch oder eine Intervention immer als eine notwendige Reaktion auf eine Bedrohung wie Kommunismus oder Chaos dargestellt wird. Deswegen wollen autoritäre Möchtegern-Anführer so gerne über Bedrohungen sprechen.»

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