Boris Johnson - Berufswunsch: «Welt-König»

Boris Johnson. Foto: epa/Andy Rain
Boris Johnson. Foto: epa/Andy Rain

LONDON (dpa) - Boris Johnson ist ein politisches Stehaufmännchen. Eskapaden schienen ihm lange nichts anhaben zu können, doch jetzt wirft der Außenminister hin. Abschreiben sollte man Johnson aber nicht. Ganz im Gegenteil.

Boris Johnson konnte man ansehen, dass es in den letzten Tagen für ihn nicht so lief. Als Premierministerin Theresa May auf einem Landsitz nahe London kürzlich ihren Regierungsmitgliedern ihre Brexit-Pläne vorstellte, soll der (Noch-) Außenminister sogar von einem «Scheißhaufen» gesprochen haben. Drei Tage später hat er nun seinen Hut genommen - wenige Stunden nach Brexit-Minister David Davis. Johnson galt als wichtigster Brexit-Hardliner im Kabinett und würde May wohl gerne beerben.

Lange Zeit haben viele Briten Johnson vergöttert. «Boris, Boris, Boris», skandierten Tausende seinen Namen, als er 2012 die Olympischen Spiele in London eröffnete. Er war Bürgermeister der britischen Hauptstadt und beliebt wie nie. Fünf Jahre später sah es kurzzeitig so aus, als würde er nach dem Amt des Premierministers greifen. David Cameron war nach dem Votum der Briten für einen EU-Austritt zurückgetreten. Das Ergebnis hatte Johnson mit herbeigeführt - als Wortführer der Brexit-Kampagne.

Doch es kam anders. Sein Verbündeter Michael Gove entschloss sich im letzten Moment, selbst den Hut in den Ring zu werfen. Boris war ohne die Unterstützung des gut vernetzten Justizministers chancenlos. May konnte die Mehrheit der konservativen Fraktion hinter sich bringen. In konservativen Medien war die Rede vom «Dolchstoß».

Die Abgesänge waren jedoch verfrüht. Die Premierministerin machte Johnson zum Außenminister. Viele sahen das als klugen Schachzug, um seine Ambitionen auf das Amt des Regierungschefs zu bremsen. Doch als May eine vorgezogene Parlamentswahl ausrief und eine Niederlage einfuhr, traute er sich immer mehr aus der Deckung. Wiederholt fuhr er ihr öffentlich mit seinen Brexit-Vorstellungen in die Parade.

Der 54-Jährige ist alles andere als ein geborener Diplomat. Die Liste seiner Fehltritte ist lang. Dabei ist nicht immer klar, ob er absichtlich Porzellan zerschlägt oder aus Ignoranz.

Viel spricht dafür, dass Berechnung dahinter steckt. Er sei ein «listiger Fuchs, verkleidet als Teddybär», sagte einst Conrad Black, der ehemalige Herausgeber des «Telegraph» über Johnson. Er gibt sich gern ungeschickt, doch wenn es darauf ankommt, hat er alles unter Kontrolle. Er pflegt zudem das Image des Charakterkopfs, der sich nicht den Konventionen des Establishments unterwirft.

Unrühmliche Schlagzeilen machte Johnson etwa, als er bei einem Parteitag der Konservativen über die ehemalige libysche IS-Hochburg Sirte als potenzielles Touristenparadies sprach. «Sie müssen nur die Leichen wegräumen», scherzte Johnson. Ähnlich groß war die Empörung als er in einem buddhistischen Tempel in Myanmar während eines offiziellen Besuchs ein kolonialzeitliches Gedicht rezitierte, in dem eine Buddha-Statue als «Götze aus Matsch» bezeichnet wird. «Nicht angemessen», zischte der britische Botschafter ihm zu.

Schlimm waren auch seine Ausfälle vor dem Brexit-Referendum. Er verglich die Ambitionen der EU mit dem Großmachtstreben Hitlers und Napoleons. Den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan schmähte er mit einem frivolen Gedicht über eine Ziege. Den Briten versprach er, im Falle eines Brexits 350 Millionen Pfund an EU-Beiträgen pro Woche in das Gesundheitssystem zu stecken. Er verschwieg jedoch, dass London einen großen Teil seiner Beiträge ohnehin zurückerhält.

Dass er es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt, zeichnete sich früh ab. Seinen ersten Job als Journalist bei der renommierten Tageszeitung «The Times» verlor er, weil er absichtlich ein Zitat verfälschte. Doch wenn sich etwas wie ein roter Faden durch Johnsons Biografie zieht, dann die Erkenntnis, dass seine Fehltritte schnell in Vergessenheit geraten. Das Konkurrenzblatt «The Telegraph» empfing ihn mit offenen Armen und schickte ihn nach Brüssel. Später wurde er Chefredakteur der Zeitschrift «Spectator», dann Abgeordneter.

In eine wohlhabende Familie geboren, hat Johnson dennoch das Talent, den einfachen Mann anzusprechen. Er schneidet Grimassen, flucht, stolpert, stürzt und pöbelt. Doch das ist vor allem Show. Johnson gehört zum Establishment. Er besuchte das Elite-Internat Eton, studierte in Oxford und war zeitweise Präsident des Debattierclubs Oxford Union und Mitglied der exklusiven Verbindung Bullingdon-Club.

Auch Johnsons Strubbelfrisur gehört zur Marke. Immer wenn er eine Kamera sieht, fährt er sich hastig durch die Haare, um noch chaotischer auszusehen. Er ist in zweiter Ehe mit der Menschenrechtsanwältin Marina Wheeler verheiratet, die er aus Schulzeiten kennt. Das Paar hat vier Kinder.

Nicht auszuschließen, dass er doch noch nach dem Amt des Premiers greift. Ehrgeiz dürfte genug vorhanden sein. Allerdings: Nur Premierminister zu werden, sei nicht genug für ihn, scherzte einmal seine Schwester Rachel. Als Kind habe er stets als Berufswunsch «Welt-König» genannt.

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