Bitte öffnen Sie den Koffer!

Zollgeschichten weiß jeder zu erzählen. Meist geht es dabei um den vergeblichen oder erfolgreichen Versuch, etwas über die Grenze zu schmuggeln, das eigentlich deklariert werden sollte oder gar nicht ins Land gebracht werden dürfte. Diese Geschichten haben meist zwei mögliche Varianten zum Inhalt. Entweder rühmt sich der Erzähler über seine Raffinesse, wenn sie von Erfolg gekrönt ist oder stellt sie, falls er erwischt wurde, als lustige Pointe dar, die er im Freundeskreis genüsslich zum Besten gibt.

Ich selbst wurde einmal verdächtigt, im Menschenhandel tätig zu sein. Ich trug meine Tochter im Babyalter von Frankreich kommend am Schweizer Zoll vorbei und wurde von einem Beamten kontrolliert. Da die Tochter damals noch den Namen der Mutter trug, konnte ich mit ihrer ID nicht beweisen, dass ich der Vater war. Ich durfte dann eine Weile im Office des Zollamtes warten, bis ich die Zöllner überzeugt hatte.

Im Menschenhandel tätig?

Den schlagenden Beweis für meine Vaterschaft erbrachte ich auf ungewöhnliche Weise: Ich wechselte routiniert ihre Windeln vor den Augen der anwesenden Beamtinnen. Damit zerstreute ich nachhaltig ihre Bedenken und sie ließen mich nach einem kurzen Palaver mit ihren männlichen Kollegen ziehen. Ein Entführer, der in rekordverdächtiger Zeit Windeln wechseln kann, passte einfach nicht zum Verbrecherprofil. Der gesunde Menschenverstand kann also auch bei Uniformierten aktiviert werden. Die vollgekackten Pampers habe ich dann heimlich im Papierkorb neben dem Chefsessel entsorgt. Ein bisschen Rache musste sein, das war ich mir schuldig.

Nun kommen wir zu den Abenteuergeschichten, die beim Kontakt mit den thailändischen Zollbehörden von Farangs kolportiert werden. Ein Freund berichtet: Ich wollte einer Damenriege einen Gefallen tun, um ihr Sicherheitsbedürfnis zu befriedigen. Sie baten mich, in Thailand elektronische Schlagstöcke zu besorgen, da sie in Frankreich entweder zu teuer oder verboten waren. Die Frauen wollten sich damit bewaffnen, wenn sie nachts allein unterwegs waren.

Ich kaufte also ein Dutzend davon und drückte mich am Zoll vorbei. Ich tat dies vermutlich so unauffällig auffällig, dass es auch eine schlaftrunkene Beamtin – es war am frühen Morgen – bemerkt hatte. Ich wurde gebeten, den Koffer mit den Schlagstöcken vor den Augen der jungen Zöllnerin zu öffnen. Als sie die Bescherung sah, wusste sie nicht gleich, worum es sich handelte, nahm einen der Stöcke heraus und aktivierte den Auslöser, weil sie das Gerät für eine Taschenlampe oder Vibrator hielt.

Eine schlagkräftige Bescherung

Das Ergebnis ist klar: Sie bekam einen Schlag ab, der sich gewaschen hatte und war spätestens jetzt hellwach. Vermutlich wanderten die Stöcke ins Arsenal der Zollverwaltung und dienen womöglich heute den Beamtinnen als Waffe auf dem nächtlichen Heimweg. Ich durfte dann noch eine saftige Buße nachzahlen. Die Damenriege im Elsass hörte sich meine Story an und meinte unisono: „Du hättest halt die Batterien vorher rausnehmen sollen!“ Das hat man davon, wenn man sich zum Trottel macht.

Es ist unübersehbar, dass die thailändischen Zollbehörden in jüngster Zeit die Vorschriften strikter handhaben. Noch vor kurzem war es möglich, problemlos ein paar Flaschen Wein einzuführen, obwohl eigentlich nur eine Flasche Alkohol erlaubt war. Ein Bekannter berichtet, dass er eine Flasche Kirsch und eine Flasche Wein im Gepäck hatte und bei der Kontrolle darauf hingewiesen wurde, dass er nur eine Flasche einführen dürfe. Da ihm die Importsteuer auf die zweite Flasche unverhältnismäßig erschien, hatte er die Wahl, sie zurückzulassen oder zu bezahlen. Er entschied sich dafür, den Wein noch im Zollgebäude auszutrinken, was seine Suche nach dem Exit bedeutend erschwerte. Hätte er sich dafür entschieden, den Schnaps auszutrinken, würde man in Hua Hin heute noch auf seine Ankunft warten.

Kein Fleisch am Knochen

Es geht allerdings noch absurder. Noch vor EU-Zeiten wollte ein Tourist eine Lammkeule in die Schweiz einführen. Ein Kilo Frischfleisch war erlaubt, die Keule wog aber mit Knochen ein paar Gramm mehr. Der Zöllner blieb hart und verlangte eine beträchtliche Importsteuer, wies den Mann aber darauf hin, dass er die Keule ausbeineln könne und das Fleisch dann weniger als ein Kilo wiegen würde. Der Mann tat wie geheißen und machte sich im Zollgebäude mit einem scharfen Messer an die Arbeit.

Das Fleisch wog dann tatsächlich weniger als ein Kilo und konnte problemlos eingeführt werden. „Und was ist mit den Knochen?“, fragte er den Zöllner. Antwort: „Die können Sie mitnehmen, auf Knochen wird kein Zoll erhoben.“


Über den Autor

Khun Resjek lebt mit seiner thailändischen Frau und Tochter in Hua Hin. Seine Kolumne „Thailand Mon Amour“ illustriert auf humorvolle Weise den Alltag im „Land des Lächelns“ aus der Sicht eines Farang und weist mit Augenzwinkern auf das Spannungsfeld der kulturellen Unterschiede und Ansichten hin, die sich im Familienalltag ergeben. Ein Clash der Kulturen der heiteren Art, witzig und prägnant auf den Punkt gebracht.

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