Werden kein Vakuum für China und Russland lassen

Das Foto zeigt (v.l.n.r.) den König von Bahrain Hamad bin Isa bin Salman al-Khalifa, US-Präsident Joe Biden, den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, den jordanischen König Abdullah II. und den Emir von Katar S... Foto: epa/Bandar Aljaloud
Das Foto zeigt (v.l.n.r.) den König von Bahrain Hamad bin Isa bin Salman al-Khalifa, US-Präsident Joe Biden, den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, den jordanischen König Abdullah II. und den Emir von Katar S... Foto: epa/Bandar Aljaloud

DSCHIDDA: In Europa, in Asien, in Amerika und nun im Nahen Osten: US-Präsident Joe Biden repariert die Bündnisse, die unter Vorgänger Trump in Trümmern lagen. Er will Russland und China keinen Raum geben, ihren Einfluss auszudehnen. Zu Hause dankt ihm das allerdings kaum jemand.

Vor allem ein Bild wird von Joe Bidens erster Nahost-Reise als US-Präsident bleiben: Wie er den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman per «Fist Bump» begrüßt. Jenen Mann also, von dem Biden versprochen hatte, ihn wegen des Mordes am «Washington Post»-Kolumnisten Jamal Khashoggi zum «Außenseiter» zu machen. «Washington Post»-Herausgeber Fred Ryan nannte die Szene «beschämend». Greifbare Ergebnisse, die der US-Präsident Kritikern entgegensetzen könnte, brachte die Reise wenige. Dennoch hat Biden ein Ziel erreicht: Allianzen der USA im Nahen Osten zu zementieren - kurz vor dem Besuch von Kremlchef Wladimir Putin im Iran.

Außenpolitisch verfolgt Biden seit seinem Einzug ins Weiße Haus vor eineinhalb Jahren vor allem ein Vorhaben: Die unter seinem Vorgänger Donald Trump zerrütteten Beziehungen zu Verbündeten zu kitten. Dabei wird Biden von europäischen Regierungsvertretern ein glänzendes Zeugnis ausgestellt, wenn auch mit Ausnahme des Debakels in Afghanistan. Die G7-Gruppe führender demokratischer Industrienationen trat bei ihrem Gipfel im vergangenen Monat in Bayern in eiserner Geschlossenheit auf, die Nato in Madrid unmittelbar danach ebenfalls - was vor allem angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine von erheblicher Bedeutung ist. Trump hatte beide Bündnisse mit seiner «America First»-Politik an die Belastungsgrenze gebracht.

Biden ist es nicht nur gelungen, die G7 und die Nato zu einen. Im Ukraine-Krieg ist er der unumstrittene Anführer des Westens gegen Russland. Seit der russischen Invasion im Februar haben die USA der Ukraine Waffen und Ausrüstung für mehr als 7,3 Milliarden Dollar zugesagt, ein Vielfaches der zögerlichen deutschen Unterstützung. Bidens Regierung machte schon viele Wochen vor Kriegsbeginn Geheimdienstinformationen über russische Einmarschpläne öffentlich. Kritiker sahen darin Kriegstreiberei, aber die Amerikaner sollten recht behalten. Nach früheren Debakeln ihrer Informationspolitik etwa beim Irak haben sie damit einiges an Vertrauen zurückgewonnen.

Biden war bereits zwei Mal in Europa, um das transatlantische Bündnis zu festigen. Im Mai reiste er nach Japan und Südkorea. Im Juni war er Gastgeber eines Amerika-Gipfels in Los Angeles. Jetzt stand mit Israel und Saudi-Arabien der Nahe Osten auf dem Programm, in Dschidda nahm er am Gipfel des Golf-Kooperationsrats teil. Bei vielen dieser Treffen hat er die Verbündeten nicht nur vereint, sondern auch vernetzt. So waren etwa bei den Gipfeln der G7 und der Nato Partnerländer aus Asien eingeladen. Bei Bidens Jerusalem-Besuch gab es einen Online-Gipfel eines neuen Zusammenschlusses aus den USA, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Israel und Indien («I2U2»).

Ein Kernthema Bidens ist der Wettbewerb der Systeme, er gibt sich überzeugt, dass Demokratien autoritären Regimen überlegen sind. Das erklärte Ziel: Er will den globalen Einfluss Russlands und Chinas zurückdrängen und eine Front gegen den Iran schmieden. Als Biden für sein Treffens mit dem Kronprinzen kritisiert wurde, sagte er in Dschidda: «Unterm Strich geht es bei dieser Reise einmal mehr darum, Amerika in dieser Region für die Zukunft zu positionieren. Wir werden im Nahen Osten kein Vakuum hinterlassen, das Russland oder China füllen können.» Das kleinere Übel scheint dabei zu sein, dass am Golf und in Nahost ebenfalls Monarchen und Autokraten das Sagen haben.

Eine Bilanz der wichtigsten Punkte seiner Nahost-Reise:

Israel und Palästinenser: Wie eng die Beziehungen zu Israel sind, ließ sich schon am warmen Empfang in Tel Aviv ablesen. Regierungschef Jair Lapid nannte Biden «einen der besten Freunde, die Israel je hatte». Biden bekräftigte das «unerschütterliche Engagement» der USA für Israels Sicherheit. Dass die Aussichten auf einen eigenen Staat der Palästinenser nicht gut seien, gestand Biden zugleich selbst ein, auch direkt im Gespräch mit deren Präsident Mahmud Abbas.

Iran: Biden betonte mehrfach, dass man dem Iran nicht erlauben werde, Atomwaffen zu besitzen. Lapid drohte bei einem Auftritt mit Biden in Jerusalem offen mit Gewalt, sollte Teheran das Atomprogramm weiter ausbauen. Differenzen gibt es beim Atomabkommen mit dem Iran, das Biden gegen den Willen Israels wiederbeleben möchte. Biden machte allerdings deutlich, dass Teheran bald über die Vorschläge entscheiden müsse. «Wir werden nicht ewig warten.» An diesem Dienstag wird Putin in Teheran erwartet. US-Geheimdienstinformationen zufolge will Russland Kampfdrohnen vom Iran kaufen - für den Ukraine-Krieg.

Saudi-Arabien: Saudi-Arabien verkündete während Bidens Besuch in Jerusalem, dass das Königreich seinen Luftraum für Flüge von und nach Israel öffnen werde. Das dürfte der größte greifbare Erfolg der Reise sein. Andere arabische Staaten haben ihre Beziehungen zu Israel normalisiert, solch ein Schritt Saudi-Arabiens ist nicht in Sicht. Der Empfang fiel auch deutlich kühler aus als in Israel. Biden blieb körperlich auf Distanz, aber beim Treffen im Königspalast wirkte die Stimmung auch gelockert bis freundlich und von Scherzen begleitet.

Mobilfunk: US-Firmen sollen laut neuer Vereinbarung beim Ausbau eines 5G-Funknetzes (und später 6G) im Königreich im helfen. Damit treten die USA in direkte Konkurrenz mit Chinas Telekomriesen Huawei. Das Weiße Haus will an den Ausbau, der «offene digitale Gesellschaften» fördern soll, auch westliche Werte knüpfen. Das Internet wird in Saudi-Arabien stark überwacht und zensiert. Autoren kritischer Online-Inhalte müssen mit harten Strafen rechnen.

Menschenrechte: Den Khashoggi-Mord sprach Biden beim Kronprinzen nach eigener Aussage als allererstes an. Örtliche Medien zitierten parallel einen saudischen Regierungsvertreter mit den Worten: «Ein Aufzwingen von Werten ist kontraproduktiv.» An der weiterhin desaströsen Lage der Menschenrechte in der Golfmonarchie hat sich durch Bidens Besuch nichts geändert. Für Verfechter solch universeller Rechte ist der Besuch Bidens, der nach seiner Rückkehr gleich wieder auf Khashoggi angesprochen wurde, eine Niederlage.

Öl: Spitzenproduzent Saudi-Arabien stellte in Aussicht, die mögliche Förderkapazität pro Tag von 12 auf maximal 13 Millionen Barrel zu erhöhen. Mehr als eine positives Geste ist das aber nicht. Denn über tatsächliche Fördermengen entscheidet die Öl-Allianz Opec+. Experten zweifeln zudem, ob das Land mit seinem aktuellen Produktionsziel von 11 Millionen Barrel nicht schon jetzt an seine Grenzen kommt. Biden hatte vor der Reise gesagt, dass sich etwaige Auswirkungen an den Tankstellen wohl erst in einigen Wochen bemerkbar machen würden.

Darin liegt allerdings eins von Bidens Problemen: Er ist zwar ein versierter Außenpolitiker, der 79-Jährige ist seit Jahrzehnten in dem Geschäft unterwegs. Die Wähler interessieren sich aber fast gar nicht für die Belange außerhalb der USA. Das Thema, das ihnen laut Umfragen am meisten auf der Seele brennt, ist die Preissteigerung, die sich in den USA besonders an der Zapfsäule bemerkbar macht.

Als bei Bidens Ankunft am Ben-Gurion-Flughafen bei Tel Aviv die US-Nationalhymne gespielt wurde, lief die Eilmeldung über die Ticker, dass die Inflationsrate in den USA auf 9,1 Prozent gestiegen ist - der höchste Wert seit mehr als 40 Jahren. Die Inflation dürfte ein gewichtiger Faktor dafür sein, warum viele Amerikaner mit ihrem Präsidenten so unzufrieden sind. Bidens Umfragewerte sind so schlecht wie bei fast keinem seiner Vorgänger seit dem Zweiten Weltkrieg zu dieser Zeit im Amt. Selbst Trump schnitt damals deutlich besser ab.

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Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Hans-Dieter Volkmann 18.07.22 16:40
Hit the Lights Nachtrag.
Sie erwähnen Kaiser Konstantin. War er es nicht der die Zwangschristianisierung im 4. Jahrhundert vornahm? Er erlaubte dem Volk liebgewordene heidnische Gewohnheiten bei zu behalten. Er wollte dem Volk keinen Grund zum Aufruhr geben. Dies ist nur ein Beispiel von sehr vielen wie das wahre Christentum verunstaltet wurde und heute noch wird.
Derk Mielig 18.07.22 16:10
@the Lights
Das Sie einen abenteuerlichen, sehr gut gemachten, Roman im Bezug auf eine Religion sehr aufschlussreich finden, erschreckt mich jetzt nicht wirklich. Und Sie sind mit dieser "Erkenntnis" auch nicht allein´.
Hans-Dieter Volkmann 18.07.22 14:50
P.Steinbach 18.07.22 04:40 v.Menschen geschrieben
Ja, das stimmt. Vierzig Menschen haben 66 Bücher geschrieben. Diese wurden in einem einzigen Buch zusammen gefasst ohne das ein Buch dem anderen sich widerspricht. Schon immer wurde versucht dies zu widerlegen. Bis heute nicht gelungen. Nun eine Frage: "Wer denken Sie ist wohl der Autor dieser Bücher"? Ähnlich wie in einem gewerblichen Betrieb. Die Sekretärin schreibt das was der Chef diktiert hat. Mit der Bibel ist es genau so. Wer ist wohl der Chef?
Hans-Dieter Volkmann 17.07.22 23:50
Hit the Lights 17.07.22 22:10
Nun, jedem Menschen ist das Recht zugestanden sich für oder wider das Böse zu entscheiden. Es gibt weltweit Menschen die sich für Putin einsetzten, aber sicherlich auch genau so viele die gegen ihn sind. Es gibt aber auch Menschen die sich eine ganz neue friedliche Weltordnung wünschen. Es gibt auch Geschehnisse bzw. Aussagen die nicht vage sind, sondern schlichtweg die Realität darstellen. Ich schrieb von 8 Millionen Menschen die heute einen Auftrag erfüllen. Einer von denen bin ich, und ich bin eine Realität.
Hans-Dieter Volkmann 17.07.22 20:50
Hit the Lights 17.07.22 17:20
Ja, ich beantworte ihre Fragen wie folgt. Die Abkürzung NT haben Sie richtig erkannt. Es gibt viele Stellen im NT wie im AT die auf die Schlusstage hinweisen. Ich möchte auf zwei Stellen im NT hinweisen: Matth. Kap. 24, 3 bis 14.
Vers 14 ist für heute sehr interessant. 8 Millionen Menschen auf der ganzen Welt erfüllen heute diese Aussage von der es heißt, und dann wird das Ende kommen. Dann gibt es noch: Timotheus Kap.3, 1 bis 5. Was die letzte Weltmacht ( USA u. GB ) betrifft zeigt das Buch Daniel indem es eine riesige Statue erklärt. Hier sind die Weltmächte bis zum Ende aufgezeichnet. 1.) Babylonien 607 v.u.Z. 2.) Medo-Persien 539 v.u.Z. 3.) Griechenland
331 v.u.Z. 4.) Rom 30 v.u.Z. 4.) heute, Anglo-amerikanische Weltmacht ab 1763 u.Z. 5.) anschließend eine "gespaltene Welt"
Das was ich hier genannt habe ist nur ein Teil von Hinweisen. Es gibt noch viele viele weitere.
Hans-Dieter Volkmann 17.07.22 16:50
Ing. Kerb 17.07.22 11:40
Ja, noch kann sich die Anglo-amerikanische Macht Weltmacht nennen. Aber China holt mit Riesenschritten auf. Nur ist es seit mindesten 2000 Jahren aus dem NT bekannt, nach den USA / GB wird es keine neue Weltmacht geben. Alles was heute, innerhalb einer Generation global geschieht: Kriege, Naturkatastrophen, Hungersnöte, Pandemien, ist erst der Anfang einer noch nie dagewesenen Zeit. Würde diese Zeit nicht verkürzt würde auch kein Mensch überleben. So, nun kann jeder Leser von mir denken was er will. Wer kann möge sich in ein paar Jahren an diesen meinen Kommentar erinnern.
Ling Uaan 17.07.22 13:50
Wie sagte Mr. Biden:
„Wir werden nicht weggehen und ein Vakuum hinterlassen“

Ah ja, musste er ja auch sagen nachdem die USA die Kurden fallen lassen haben, ja geradezu verraten haben und Afghanistan fluchtartig verlassen haben.

Auch wollte er die Saudis dazu bewegen die Ölfördermenge zu erhöhen, die haben sich aber nur bereit erklärt die Förderkapazitäten zu erhöhen – kleiner aber feiner Unterschied. Ansonsten sehen die Saudis den Ölmarkt z.Z. als „ausgewogen“ an. Und die Saudis kaufen russisches Öl zum Schnapper für die eigene Stromproduktion und verkaufen das eigene Öl zu Weltmarktpreisen. Sagt man wohl Kriegsgewinnler zu.

Deshalb müsste man die Saudis nun folgerichtig ebenfalls sanktionieren. Ebenso Indien und andere Länder die ebenfalls russisches Öl und Gas zum Schnapper kaufen. Aber das können wir uns wohl nicht mehr leisten, wir haben uns mit Russland IMHO schon übernommen.

Das Resümee auf CNN lautete kurz zusammengefasst „außer Spesen nix gewesen“.
Ja, sehe ich auch so, is so.
Ingo Kerp 17.07.22 11:40
So langsam ist erkennbar, das die USA immer einen Schritt hinterherhinken. CHN kann mit Sicherheit inzwischen nicht nur auf Augenhoehe mit den USA sein. Nach den Midtermwahlen dürfte sich die Regierungsarbeit noch mehr erschweren. Fraglich, ob dann überhaupt noch etwas erreicht werden kann, bei Verlust der Stimmenmehrheit, dem Supreme Court und dem Gouv. Manchin.