G7-Staaten erhöhen Druck auf China

Risikominderung nicht Abkopplung

Nebenveranstaltung zum G7-Gipfel in Hiroshima: Partnerschaft für globale Infrastruktur und Investitionen. Foto: epa/G7 Hiroshima Summit Host Handout
Nebenveranstaltung zum G7-Gipfel in Hiroshima: Partnerschaft für globale Infrastruktur und Investitionen. Foto: epa/G7 Hiroshima Summit Host Handout

HIROSHIMA: Mehr Rivale, weniger Partner oder Wettbewerber: Im Umgang mit der aufstrebenden Großmacht China schlagen die G7-Staaten einen neuen Kurs ein. Auf die frühere Naivität soll ein neuer Realismus folgen.

In den Spannungen mit China hat sich Gruppe der großen demokratischen Industrieländer (G7) auf eine härtere Gangart geeinigt. Angesichts der Abhängigkeit von der zweitgrößten Volkswirtschaft wollen die Partner Risiken im China-Geschäft und in den Lieferketten verringern. Investitionen in der Volksrepublik sollen vorher zum Schutz heikler Technologien besser überprüft werden. Die Kernpunkte dieser neuen Strategie gingen am Samstag aus dem Kommuniqué des G7-Gipfels in Hiroshima in Japan hervor.

Wegen seiner guten Beziehungen zu Moskau wurde China aufgefordert, «Druck auf Russland ausüben», den Krieg in der Ukraine zu beenden und seine Truppen zurückzuziehen. Seit der Invasion in der Ukraine hat China die Aggression allerdings nicht einmal verurteilt, sondern Präsident Wladimir Putin vielmehr Rückendeckung gegeben.

Mit Sorge wird auch das angriffslustige Auftreten von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping beobachtet. Die Spannungen wachsen: China droht mit einer Eroberung des demokratischen Taiwans und erhebt umstrittene Machtansprüche im Ost- und Südchinesischen Meer, durch das wichtige Schifffahrtswege führen. Kritik gibt es auch an Menschenrechtsverletzungen. China wird zwar weiter als Partner und Wettbewerber gesehen, aber zunehmend als systemischer Rivale.

G7 will diversifizieren

«Wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit erfordert Risikoverringerung und Diversifizierung», heißt es darin. Eine Abwendung von China sei aber nicht geplant: «Wir werden uns nicht abkoppeln oder nach innen wenden.» Ein EU-Diplomat sah einen neuen Realismus der G7: «Es gibt keine Naivität.» Bei der Unterstützung der Entwicklung in China in den vergangenen zwei Jahrzehnten hätte es mehr Vorsicht bei kritischen Lieferketten geben müssen, räumte er ein.

Die G7-Staaten versichern, China nicht schaden zu wollen. «Ein wachsendes China, das sich an die internationalen Regeln hält, wäre im Interesse der Welt», heißt es im Kommuniqué. Die G7-Gruppe werde auf faire Wettbewerbsbedingungen in China pochen. Auch müssten Chinas nicht marktkonforme Praktiken angesprochen werden, die die Weltwirtschaft verzerrten. «Wir werden uns gegen schädliche Praktiken wie unrechtmäßigem Technologietransfer oder Datenoffenlegung wenden.»

Wirtschaft als Waffe

Die G7-Staaten wollen sich auch gegen «wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen» wappnen. So hatte China in Streitigkeiten mit anderen Staaten wiederholt sein Gewicht eingesetzt, um Druck auszuüben. Prominente Beispiele waren Australien und Litauen. Die G7 wollen sicherstellen, «dass Versuche, wirtschaftliche Abhängigkeit zu einer Waffe zu machen (...), fehlschlagen und Konsequenzen haben werden». Dafür soll Koordinationsplattform geschaffen werden.

Investitionen vorab prüfen

Auch wollen die G7-Staaten sensible Technologie schützen, die benutzt werden könne, «um militärische Fähigkeiten zu steigern, die den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit gefährden», heißt es in einer Erklärung. Eine Möglichkeit ist, eigene Auslandsinvestitionen stärker in den Blick zu nehmen, was auf China abzielt. Jedes Land soll aber selbst entscheiden, wie es diese Frage angeht. Die USA arbeiten seit längerem an einer rechtlichen Grundlage für eine solche Vorabprüfung von Auslandsinvestitionen.

Kapital eines Landes soll nicht im großen Stil in Industriebereiche rivalisierender Staaten fließen, die für die nationale Sicherheit des eigenen Landes von Bedeutung sind - also etwa im Verteidigungs- oder Technologiesektor. Das Vorhaben folgt einem ähnlichen Mechanismus, wonach einige Staaten bestimmte große ausländische Investitionen im eigenen Land in sensiblen Bereichen vorab prüfen.

Interesse an Kooperation

Trotz aller Differenzen wollen die G7-Staaten «konstruktive und stabile Beziehungen» zu China aufbauen. Es sei wichtig, mit China in globalen Herausforderungen zu kooperieren - angesichts seiner Größe und Rolle in der Weltgemeinschaft. So wollen die G7-Staaten bei Themen wie Klimawandel, Vorsorge für Pandemien, Finanzstabilität und Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen mit China zusammenarbeiten.

Keine Differenzen?

Obwohl im Vorfeld des Gipfels durchaus Differenzen über die richtige Gangart - unter den Europäern und auch mit den USA - erkennbar waren, sah der Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan. Geschlossenheit der G7-Gruppe. Gleichwohl pflege jedes Land sein eigenes Verhältnis zur Volksrepublik. Er nannte die Erklärung zu China «nicht feindlich»: «Sie ist nur direkt und freimütig.»

Kritik an Chinas Säbelrasseln

Zu Chinas Machtansprüchen auf Taiwan und im Ost- und Südchinesischen Meer stellen die G7-Staaten fest: «Wir lehnen entschieden jeden einseitigen Versuch ab, den Status quo durch Gewalt und Zwang zu ändern.» Frieden und Stabilität in dem wichtigen Schifffahrtsweg der Taiwanstraße seien unerlässlich für Sicherheit und Wohlergehen der Weltgemeinschaft. Peking betrachtet Taiwan als Teil der Volksrepublik und droht mit einer Eroberung. Die demokratische Inselrepublik wird allerdings seit mehr als sieben Jahrzehnten eigenständig regiert.

Zukunft im Indopazifik geschrieben

US-Präsident Joe Biden sieht den Indopazifik-Raum als weltpolitische Schlüsselregion. «Ich glaube, dass die Zukunft unserer Welt zu einem großen Teil im Indopazifik geschrieben werden wird», sagte Biden am Samstag bei einem Treffen mit den Regierungschefs von Japan, Indien und Australien - Fumio Kishida, Narendra Modi und Anthony Albanese - am Rande des G7-Gipfels im japanischen Hiroshima. Biden beschwor die Partnerschaft der vier Länder des sogenannten Quad-Formats. Die Partner hätten in den vergangenen Jahren viel erreicht und ihre Beziehungen vertieft.

«Unser Auftrag bleibt derselbe», betonte Biden. Es gehe darum, die Vision eines freien, offenen, sicheren und wohlhabenden Indopazifik-Raums voranzutreiben.

Kishida mahnte, das Sicherheitsumfeld sei seit dem jüngsten Treffen der Runde im Vorjahr noch schwieriger geworden. «Die freie und offene internationale Ordnung, die auf Rechtsstaatlichkeit beruht, ist bedroht.» Modi kündigte an, das nächste Gipfeltreffen der vier Länder 2024 in Indien auszurichten.

Die Quad-Staaten hatten eigentlich in wenigen Tagen in Australien zu einem ausgiebigen Treffen zusammenkommen wollen. Wegen einer innenpolitischen Haushaltskrise hatte Biden den Besuch in Australien und einen Zwischenstopp in Papua-Neuguinea aber abgesagt und angekündigt, direkt von Japan aus nach Washington zurückzukehren, um einen drohenden Zahlungsausfall der US-Regierung abzuwenden. Die Runde verlegte ihre Beratungen daher nach Hiroshima, allerdings in einer deutlich abgespeckten Version.

Die USA und Japan gehören zur G7-Gruppe, Indien und Australien dagegen nicht - sie sind aber als Gäste bei dem Gipfel der sieben führenden demokratischen Industrienationen in Hiroshima dabei.

Biden hat in der Außenpolitik seiner Regierung seit dem Amtsantritt einen besonderen Fokus auf den Indopazifik gelegt - unter anderem, um Chinas Machtstreben in der Region etwas entgegenzusetzen. Er rief auch die jährlichen Treffen der Quad-Länder ins Leben. Mit Indopazifik ist grob gesagt eine Region vom Indischen bis zum nördlichen Pazifischen Ozean gemeint, die den Großteil Asiens umfasst und bis zur Westküste der USA reicht.

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Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Ingo Kerp 21.05.23 12:50
Jetzt kommt der politische Spagat der G7 Länder gegenüber CHN. Einerseits will man Stärke demonstrieren andererseits versucht man tunlichcst alles zu vermeiden, damit CHN nicht brüskiert wird. Es wäre sonst ein wirschaftl. Desaster für den Westen. Na dann, viel Glück bei dem Vorhaben, sofern es überhaupt zum Tragen kommt.