Betteln in Thailand

Betteln in Thailand

Betteln ist in Thailand illegal. Trotzdem gehört das Bild bettelnder Kinder zum täglichen Anblick in allen Städten dieses Landes. Vom frühen Abend bis in die

späte Nacht laufen sie durch die Straßen von Bar zu Bar. Um den Hals tragen sie ein kleines Tablett mit einigen Bonbons darauf, was den Eindruck erwecken soll, dass sie nicht betteln, sondern etwas zu verkaufen haben.

Es sind kleine Kinder. Statt zur Schule schicken die armen oder kranken Eltern sie abends zum Arbeiten, ob sie wollen oder nicht. Ich kann diese Art der Ausbeutung nicht unterstützen und hoffe darauf, dass viele genau so denken, denn nur wenn das Betteln sich nicht mehr lohnt, wird diese Kinderarbeit aufhören.

Oftmals sieht man Frauen mit Babys im Arm, die Blumen verkaufen. Dieser Missbrauch ist für mich der Grund, ihnen nichts abzukaufen. Die Kleinen gehören abends ins Bett.

Noch schlimmer ist es, wenn man tagsüber Frauen begeg­net, die in der heißen Sonne am Straßenrand sitzen, neben sich schlafende Babys, die oftmals ausgeliehen sind und mit Medikamenten ruhiggestellt werden. Mehr als einmal konnte ich sehen, dass Beobachter aus Kambodscha die Frauen aus der Ferne überwachen, die sie massenweise aus dem Nachbarland einschleusen und zum Betteln schicken.

Natürlich gibt es auch ältere, verarmte Thais, die versuchen, durch Betteln ihr Überleben zu sichern. Die Mittel, die sie dabei einsetzen, erinnern mich an Bert Brecht's „Dreigroschenoper“. Dass sie Blindheit vortäuschen, habe ich häufig gesehen, aber auch, dass sie nach getaner Arbeit mit dem Motorrad davonfuhren. Manchmal sieht man Männer, die anscheinend nur ein Bein haben. Auf dem anderen sitzen sie. Kaum haben sie genug erbettelt, laufen sie auf zwei Beinen munter davon. Wieder andere versuchen Mitleid zu erregen, indem sie ihre Hände und Arme oder ihre Beine mit Binden umwickeln, gelegentlich sogar blutrot einfärben. Wer fällt denn darauf noch rein?

Dem blinden Sänger, der von seiner alten Frau geführt wird, gebe ich stets einen kleinen Obolus, auch wenn sein Gesang schaurig klingt. Nichts gebe ich den offensichtlich gesunden Thais, die mir frech ihre offene Hand unter die Nase halten. Ich denke, die können sich ihr Geld durch ehrliche Arbeit selbst verdienen.

Im Jomtien-Komplex in Pattaya kann man jeden Abend einen barfüßigen, nur mit einer kurzen Hose bekleideten Thai beobachten, der sich auf groteske Art bewegt. Gerüchteweise erfuhr ich, dass er früher ein bekannter Porno-Star war. Er ist behindert, obdachlos, aber immer fröhlich. Er lacht, grüßt die Vorübergehenden mit einem Wai, und es verwundert nicht, dass viele ihn heranwinken, um ihm 100 Baht zuzustecken. Wer ihm längere Zeit zuschaut, bemerkt, dass er erhebliche Einnahmen hat. Sie seien ihm gegönnt.

Bettler gibt es überall auf der Welt, in armen wie in reichen Ländern. Ob krank, arbeitsscheu oder drogenabhängig, wenn ihre Not oder ihr Hunger erkennbar ist, helfe ich gerne. Keine Chance hatte jedoch der deutsche Mann, der mir vor einigen Tagen seine traurige Geschichte erzählte: Er sei überfallen worden. Dabei wies er auf eine Abschürfung in seinem Gesicht hin. Sein Geld und seine Papiere seien weg. Er müsse dringend nach Deutschland zurück, und er brauche Geld für das Flugticket. Er würde mir den Betrag umgehend überweisen, sogar 100 Euro mehr. Ich solle ihm nur meine Adresse und mein Bankkonto aufschreiben. „Deutsche im Ausland müssen sich doch gegenseitig unterstützen,“ meinte er abschließend.

Ich fragte ihn, warum er nicht die Polizei oder das Konsulat eingeschaltet hätte. „Das habe ich ja,“ erwiderte er, und dabei versuchte er, sich ein paar Tränen abzudrücken. „Die haben mich einfach weggeschickt mit der Bemerkung, dass sie sich solche Märchen sehr oft anhören müssen. Das ist doch eine Unverschämtheit, oder was sagen Sie dazu?“

Ich konnte mein Grinsen kaum unterdrücken. „Ihre Geschichte hat mich sehr berührt“, antwortete ich, „bitte nehmen Sie mein tiefes Mitgefühl entgegen.“ Dann ließ ich ihn stehen und ging meines Wegs.

Gestern sah ich ihn am Jomtien Beach. Er lag völlig besoffen im Sand und laberte Nachbarn an. Ob er auf diese Weise ein Opfer findet, scheint mir höchst fraglich.

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