Bestattung im Dorf

Spannendes Buch über den Isaan

Der Tempel spielt auch beim Tod eine grosse Rolle.
Der Tempel spielt auch beim Tod eine grosse Rolle.

Eines nachts werde ich durch eine eintönige und etwas schwermütige Musik geweckt, die aus dem neben meinem Haus stehenden Lautsprecher ertönt. Am Morgen erfahre ich, dass gestern nacht ein
Dorfnachbar gestorben ist. Die eintönige Musik läuft nun über den ganzen Tag und hört erst am nächsten Morgen auf.

Da der Verstorbene ein Onkel meiner Frau war, gehen wir am Morgen zum Trauerhaus hinüber. Im Hof hinter dem Haus sind ein paar Männer damit beschäftigt aus alten Brettern – Holz ist hier
kostbar – einen Sarg für den Toten zusammenzunageln. Wenn ich nun aber im Haus eine trauernde, in Tränen aufgelöste Familie erwartet habe, so muss ich wieder mal meine deutschen Vorstellungen
revidieren. Auf einer Bahre mitten im Zimmer liegt der tote Onkel. Rundherum sitzt auf dem Boden eine Runde alter Weiber und zockt was das Zeug hält. Etwas weiter weg sitzt eine Männerrunde,
die mit der gleichen Unterhaltung beschäftigt ist. Auf meine Frage, ob das denn nicht reichlich pietätlos sei, werde ich von meiner Frau belehrt, dass das im Isaan so üblich sei. Kartenspielen
ist wie alle Glücksspiele in Thailand zwar verboten, aber bei einem Todesfall wird dieses Gesetz augenscheinlich ausgesetzt, und alle nehmen die Gelegenheit war. Dabei geht es recht laut und
lustig zu, und die Bier- und Schnapsflaschen gehen im Kreis herum.

Am Abend versammelt sich das ganze Dorf beim Hause des Verstorbenen, um der Familie ihr Beileid zu bekunden. Jede Familie bringt eine Schale Reis mit, der in einen bereit stehenden Sack
geschüttet wird. Oder es ist eine Geldspende fällig, und der Betrag wird von einem Schriftführer säuberlich mit Namen des Spenders in einem Heft eingetragen. Diese genaue Buchhaltung ist bei
allen festlichen Angelegenheiten, egal ob Hochzeit oder Beerdigung erforderlich, weil bei jeder Gelegenheit, bei der Geld gespendet werden muss - und das ist bei jeder Familienfeier der Fall –
die eigene Spende an dem ausgerichtet wird, was die betreffende Familie selbst gegeben hat. Für alle Trauergäste gibt es reichlich Bier und Reisschnaps, so dass es zu vorgerückter Stunde – wie
bei uns bei Kaffee und Kuchen nach der Beerdigung – noch eine ganz lustige Veranstaltung wird. "Alle werden einmal sterben, das ist gewiss.

Einen Tag später ist dann die Bestattung. Es geht schon am frühen Morgen los. Die Frauen haben die halbe Nacht gebacken und gekocht. Gegen 9 Uhr treffen 9 Mönche ein, und die Trauerfeier
beginnt mit endlosen Gebeten und Rezitationen. Um 11 Uhr wird das Essen für die Mönche aufgetragen, die ja nach 12 Uhr keine Speisen mehr zu sich nehmen dürfen. Nachdem die heiligen Männer
gesättigt sind, langt auch das übrige Volk kräftig zu. Dann beginnt sich der Trauerzug zu formieren. Vorneweg ein paar Mönche in ihren gelben Gewändern. Jeder hält eine weisse Kordel in der
Hand, die am Sarg festgemacht ist. Der mit einem weissen Tuch bedeckte Sarg steht auf einem Karren, der von einem der kleinen, für alle Zwecke einsetzbaren Motorfahrzeuge gezogen wird. Die
Mönche ziehen also symbolisch den Sarg zum Kloster, wo der Tote verbrannt wird. Hinter dem Sarg gehen die engsten Familienangehörigen und halten sich dabei alle an einer vom Sarg herabhängenden
weissen Kordel fest, um ihre Verbundenheit mit dem Verstorbenen zu demonstrieren.

Hinter dem Kloster ist ein Scheiterhaufen aufgerichtet. Der Holzsarg wird dreimal um den aufgeschichteten Holzstoss getragen und dann darauf abgestellt und - nach ausführlichen Gebeten der
anwesenden Mönche und Besprühen mit gesegnetem Wasser- vom ältesten Sohn des Verstorbenen angezündet. Während nun der Scheiterhaufen mit dem im Sarg liegenden Verstorbenen langsam niederbrennt, sitzt die ganze Trauergemeinde unter schattigen Bäumen darum herum, isst, trinkt und spielt Karten, bis das Ganze soweit abgebrannt ist, dass die Asche des Verstorbenen in einem Topf
eingesammelt und für die Nachfeier am Abend mit nach Hause genommen werden kann. Jetzt kommen noch eine Woche lang jeden Abend um 7 Uhr die Mönche, um den Geist des Toten aus dem Haus zu beten. Da auch dies immer über Lautsprecher übertragen wird, bekommt das ganze Dorf, und ich natürlich auch, alles mit.

Soviel Spass man bei der Bestattung auch haben mag, am Abend, wenn es dunkel wird, kommt die Geisterangst hoch. Vor allem die Kinder haben dann Angst, alleine auf die Toilette hinter dem Haus
zu gehen oder alleine zu schlafen, was zumindest meine Frau ja auch nicht nötig hat. 100 Tage nach dem Todestag gibt es eine Neuauflage der Party. Die Mönche werden dann noch einmal für den
Geist des Onkels beten, sie werden neue Gewänder und Geldspenden bekommen, und es wird gegessen, getrunken und natürlich auch wieder gezockt.

Es ist im Isaan oft üblich, bei solchen Veranstaltungen zu protzen, selbst wenn man es sich nicht leisten kann. Die Familie stürzt sich bei dieser Gelegenheit in Schulden, an denen sie dann
lange abzuzahlen hat, wenn sie es überhaupt schafft. Wenn die Familie reich ist, und der Verstorbene Ländereien hinterlassen hat, wird ein Stück Land verkauft, um das Fest zu finanzieren. Dann
kann eine solche Trauerfeierlichkeit bis zu 7 Tage dauern. Und dabei läuft Musik von morgens 5 Uhr bis in die Nacht, nur unterbrochen von morgendlichen und abendlichen Gebeten der Mönche. Und
dabei fehlt es an nichts, besonders nicht an alkoholischen Getränken.

Es gibt allerdings auch sehr viele Tempel in Thailand, die ein Krematorium haben. Der Bau solcher Krematorien ist aber teuer, und deshalb haben Tempel in den ärmeren Dörfern eben nur einen
Holzstoss.

Günther Ruffert kam vor über zwei Jahrzehnten als Bauingenieur erstmals nach Thailand. Vor sieben Jahren baute er sich im Isaan bei Surin ein Haus, in dem er mit seiner thailändischen Frau und
Tochter lebt. Die Familie kauft bei Bauern nach der Ernte Reis auf und gibt ihn an Grosshändler weiter. Zudem hat der jetzt 75jährige auf 150 Rai mit dem Zuckerrohranbau begonnen. Da Anbau und
Ernte arbeitsintensiv sind, ist zeitweise die Hälfte der Dorfbewohner bei Ruffert beschäftigt. Der Deutsche spricht inzwischen fliessend Thai und versucht, sich dem alltäglichen Tagesablauf in
seinem Dorf anzupassen. Im FARANG berichtet Günther Ruffert über das Leben in den Dörfern und die Jahrhunderte alten Sitten dieses Landes.

Wer mehr über das weitestgehend unbekannte Isaan erfahren möchte, sollte zu Rufferts neuem Buch greifen: „Ein Fenster zum Isaan“ beschreibt den Alltag der Menschen im Nordosten aus
unterschiedlichen Perspektiven. Das Buch kostet 395 Baht und ist in Pattaya in der FARANG Geschäftsstelle an der Thepprasit Road, in den Bookazine-Geschäften in der Royal Garden Plaza und im Central Festival Center/Big C, bei Amigo Tailor an der Soi Diamond und im Restaurant Braustube an der Naklua Road erhältlich.

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