Bellingham auf dem Weg zum WM-Star

Englands Chef mit 19 Jahren

Der englische Nationalspieler Jude Bellingham reagiert nach dem Achtelfinalspiel der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2022 zwischen England und Senegal. Foto: epa/Tolga Bozoglu
Der englische Nationalspieler Jude Bellingham reagiert nach dem Achtelfinalspiel der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2022 zwischen England und Senegal. Foto: epa/Tolga Bozoglu

AL-CHAUR: Als die 65.000 Zuschauer das Wüstenzelt in Al-Chaur weit nach Mitternacht längst verlassen hatten, setzte sich Jude Bellingham noch einmal in aller Ruhe auf den Rasen. Mit Badeschlappen und verschwitztem Trikot machte es sich Englands WM-Star im leergefegten Al-Bait Stadion gemütlich und formte mit seinen beiden Händen ein «W» für «Win». Viel sagen musste der 19 Jahre alte Star von Borussia Dortmund an diesem besonderen Abend nicht mehr, das erledigten nach dem souveränen 3:0 im Achtelfinale über Senegal andere für ihn.

Trainer Gareth Southgate, die Mitspieler um Harry Kane, die Experten um Gary Lineker sowie die heimischen Medien sind sich wenige Tage vor dem Viertelfinal-Showdown mit Weltmeister Frankreich am Samstag (20.00 Uhr) einig: Dieser Jude Bellingham ist Weltklasse. «Ich denke, er kann der beste Mittelfeldspieler der Welt werden», schwärmte Offensivmann Phil Foden. Zwar hatte Bellingham gegen den Afrikameister kein Tor erzielt, das Spiel der Three Lions aber so geprägt wie kein zweiter Akteur - nicht mal Kane, der im vierten WM-Spiel 2022 seine Torflaute beendete.

«Yeah, er ist einer der besten Youngsters, definitiv. Ich habe ihn gestern vor dem Spiel schon gelobt. Er ist ein fantastischer Spieler. Er hat alles, was es braucht», sagte der 29 Jahre alte Kane über den zehn Jahre jüngeren Bellingham, der in den vergangenen Monaten einen steilen Aufstieg in Richtung Superstar hingelegt hat. Er ist eine nicht zu ersetzende feste Größe im Dortmunder Mittelfeld und wird beim BVB quasi nie rausrotiert oder ausgewechselt. Auch in Englands Planungen spielt er inzwischen eine so tragende Rolle, dass Trainer Southgate extra umbaut, um Bellinghams Stärken noch mehr zu fördern.

Der Ex-Profi beorderte Routinier Jordan Henderson ins defensive Mittelfeld und Bellingham dafür auf die Zehn. «Die Hereinnahme von Jordan Henderson hat Jude mehr Freiheiten gegeben. Die hat er außergewöhnlich gut genutzt», begründete Southgate die erstaunliche Maßnahme. Ob Offensivkünstler wie Mason Mount (Chelsea), Jack Grealish (Manchester City) oder Marcus Rashford (Manchester United) einen Platz in dem Starensemble finden, erscheint derzeit zweitrangig. Hauptsache, Bellinghams Stärken kommen zur vollen Entfaltung.

Es kommt nicht selten vor, dass talentierte Teenager in jungen Jahren große Spuren im Weltfußball hinterlassen. Lionel Messi vor geraumer Zeit ist dafür ein Beispiel, vor ein paar Jahren der jetzt alles überragende Kylian Mbappé oder aktuell Deutschlands großes Versprechen Jamal Musiala. Bellingham ist allerdings ein ganz anderer Spielertyp, der sich nicht vorrangig durch Torgefahr und seine Offensivskills auszeichnet. In der laufenden Bundesliga-Saison wurden drei Tore und zwei Assists in 15 Spielen festgehalten - trotzdem ragt Bellingham sehr oft heraus.

Denn der Mittelfeldspieler hat andere Vorzüge. Für einen 19-Jährigen hat Bellingham eine besondere körperliche Konstitution. Er ist 1,86 Meter groß, schnell und beweglich, aber gleichzeitig robust und zweikampfstark. Dass nach dem souveränen 3:0 weniger über die Torschützen Henderson, Kane und Bukayo Saka gesprochen wurde und stattdessen mehr über Initiator Bellingham, sagt einiges aus. «Seine Eltern müssen so stolz sein», schrieb der begeisterte Gary Lineker auf Twitter.

Bellinghams Präsenz auf dem Feld ist enorm. Daneben ist der BVB-Star in diesen Tagen ein eher leiser Vertreter. Nach seiner in der Öffentlichkeit groß gefeierten Gala gab er die vielen Komplimente gerne an Routinier Henderson weiter. «Gebt diesem Mann Respekt», schrieb er in den sozialen Netzwerken zu vier Bildern, die das neue Mittelfeldduo zeigten. Bellingham hatte vor dem so wichtigen 1:0 die Vorlage für Henderson geliefert. Auch an der Entstehung der weiteren Tore war er beteiligt.

Der ebenfalls im Zentrum gesetzte Declan Rice lobte: «Er blüht auf der großen Bühne auf. Ich bin sehr froh zu sehen, wenn man einen Spieler wie ihn hat, der so stark ist und immer Chancen kreiert. Er hat das schon bei Dortmund die ganze Saison getan, jetzt macht er es für uns.» Für das Duell mit Frankreich um Superstar Mbappé sind Bellingham und Co. nach den bisherigen WM-Eindrücken definitiv bereit.

«Das ist der größte Test, der uns erwarten kann. Sie sind Weltmeister, sie haben Tiefe, sie haben Talent, sie haben herausragende Spieler. Es ist eine fantastische Herausforderung», sagte Southgate. Anders als 2016, als dieses große Viertelfinal-Duell bei der EM auch schon möglich war, hat England diesmal die erste K.o.-Hürde genommen. Damals waren die Three Lions unter Chefcoach Roy Hodgson im Achtelfinale sensationell an Island gescheitert. Im Anschluss kam Southgate und mit ihm die Stärke bei großen Turnieren.

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