Bayerisches Gesamtkunstwerk

​Achternbusch wird 80

Foto: wikimedia/Harald Bischoff
Foto: wikimedia/Harald Bischoff

MÜNCHEN (dpa) - Vom Ärgernis zum Klassiker. Der Romancier, Dramatiker, Dichter, Filmemacher, Maler und Schauspieler Herbert Achternbusch wird 80 Jahre alt.

Schon vor fünf Jahren, zu seinem 75. Geburtstag, war Herbert Achternbusch nicht sehr gesprächig gewesen. Es gehe ihm nicht gut, die Beine, er komme kaum noch die Treppe runter. «Ich mach gar nix mehr, geh nur noch zum essen und scheißen», sagte Achternbusch am Telefon in seiner bekanntermaßen immer ziemlich ungeschminkten Redeweise. Jetzt, kurz vor seinem 80. Geburtstag, geht er gar nicht mehr an den Apparat.

Dabei hätte man schon gerne gewusst, was der große bayerische Universalkünstler sagen würde, etwa zur Krise der CSU, an der er sich über Jahrzehnte abgearbeitet hat. Oder zu den Eskapaden eines Donald Trump. Oder zum Brexit. Oder zu all den anderen politischen Irrungen und Wirrungen, die den Kontinent derzeit fest umschlungen halten. Doch aus dem Telefon tönt immer nur die gleiche Ansage: «Dieser Anschluss ist vorübergehend nicht erreichbar.»

So muss man sich mit dem begnügen, was der Filmemacher, Dramatiker, Maler, Buchautor und Schauspieler Herbert Achternbusch bislang hinterlassen hat. Und das ist, gelinde gesagt, nicht wenig: Fast 30 Filme listet seine Filmothek auf, 20 Theaterstücke, 40 Buchpublikationen und Hunderte von großflächigen Bildern. «Gemalt hab ich immer», sagte er vor fünf Jahren im dpa-Interview. Und was er immer am liebsten gemacht hatte, offenbarte er einmal der Münchner Abendzeitung: «Gemalt».

In der Öffentlichkeit ist er allerdings weniger als Maler, denn als Schöpfer skurril-subversiver Filme in Erinnerung geblieben. Einer dieser Streifen heißt «Die Atlantikschwimmer» und zeigt zwei ziemlich normal gebaute Männer, nur mit Badehose und lächerlichen Schwimmbrillen bekleidet, wie sie in den oberbayerischen Walchensee hupfen, um von dort aus Amerika zu erreichen. Getreu dem Motto: Du hast keine Chance, aber nutze sie! Ein echter Achternbusch eben. Nonsens mit Hintersinn und Bodenhaftung. Irgendwo zwischen Karl Valentin, Gerhard Polt und Thomas Bernhard.

Mit dem österreichischen Dramatiker verband ihn vor allem seine unbedingte Hassliebe zur Heimat. «In Bayern mag ich nicht mal gestorben sein», schrieb er 1977. Trotzdem hätten ihn wohl keine zehn Pferde weggebracht aus München, wo er bis heute in der Altstadt unweit des Hofbräuhauses wohnt. Wie auch Thomas Bernhard außerhalb von Österreich eingegangen wäre wie eine seltene Hochgebirgsblume, die man ins Flachland verpflanzt.

Herbert Achternbusch kam als unehelicher Sohn einer Sportlehrerin und eines Zahntechnikers in München zur Welt und wuchs im Bayerischen Wald auf. Nach dem Abitur in Cham studierte er ein wenig an den Kunstakademien in München und Nürnberg herum und schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch, bevor er mit dem Schreiben begann.

Schon mit seinem ersten Roman «Alexanderschlacht» sicherte er sich einen festen Platz in der Literatur-Avantgarde der siebziger und achtziger Jahre. Mit seinen in rascher Folge entstandenen Theaterstücken errang er zweimal den Mülheimer Dramatikerpreis. Sein Zwei-Personen-Stück «Gust» (1986) mit Sepp Bierbichler als aus der Zeit gefallenem Bauern, der im Begriff ist, seine Frau zu verlieren, lief jahrelang erfolgreich an den Münchner Kammerspielen. 2017 wurde am Münchner Volkstheater «Dogtown Munich» uraufgeführt, abermals ein Bekenntnis zu seiner Heimatstadt und vielleicht so etwas wie ein Vermächtnis.

Schon in den siebziger Jahren kam Achternbusch in Kontakt zur Szene der deutschen Autorenfilmer um Werner Herzog, Volker Schlöndorff und Margarethe von Trotta. Seine oft mit geringem Aufwand gedrehten Streifen nahmen regelmäßig die so unangepasst-subversive wie obrigkeitshörige und bigotte bayerische Volksseele aufs Korn. In «Der Depp» (1983) ließ er seinen Lieblingsfeind Franz Josef Strauß vergiften, im halbdokumentarischen «Bierkampf» rechnet er mit einem bayerischen Heiligtum ab: dem Oktoberfest.

Als er in «Das Gespenst» Jesus Christus vom Kreuz herabsteigen lässt, um mit Maria eine Kneipe zu eröffnen, war für den damaligen CSU-Innenminister Friedrich Zimmermann das Maß voll. Er verweigerte dem unbotmäßigen Regisseur die Auszahlung der letzten Förderrate, weil dieser das «religiöse Empfinden großer Teile der Bevölkerung» verletzt habe. Längere Zeit bekam Achternbusch daraufhin im Fernsehen kein Bein mehr auf den Boden.

Mittlerweile gehört Achternbusch längst zum Inventar des bundesrepublikanisch-bayerischen Kuriositätenkabinetts. Zu seinem 80. Geburtstag widmet ihm das Münchner Filmmuseum eine Hommage mit acht seiner Spielfilme sowie einem Filmporträt. Sie läuft noch bis zum 25. November. Im Kunstbunker Nürnberg sind bis zum 2. Dezember Bilder von Achternbusch zu sehen, darunter Stoffbilder, die er in den achtziger Jahren im Münchner Kaufhaus Beck verkaufte.

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