Batteriefabrik an Westküste rückt näher - Fördermillionen zugesagt

BERLIN/HEIDE: Klimaneutraler Umbau der Wirtschaft und mehr Unabhängigkeit von schwierigen Handelspartnern - das sind die beiden Megathemen, die Wirtschaftsminister Habeck umtreiben. Eine neue Batteriefabrik im Norden ist deswegen für ihn ein «Leuchtturmprojekt».

Die geplante Batteriezellfertigung an der schleswig-holsteinischen Westküste ist einen wichtigen Schritt voran gekommen. Bund und Land sagten dem schwedischen Unternehmen Northvolt am Mittwoch Fördermittel von 155,4 Millionen Euro zu, von denen der Bund 70 Prozent übernimmt. «Die Investition von Northvolt wird der Elektromobilität in Deutschland weiteren Schub verleihen, uns unabhängiger von Importen machen und vor Ort rund 3000 Arbeitsplätze schaffen», hieß es aus dem Bundeswirtschaftsministerium in Berlin.

Deutschland werfe sein industrielles Gewicht in die Waagschale, um Europa zu einem Schwerpunkt der weltweiten Batterieproduktion zu entwickeln, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). «Noch vor einigen Jahren kamen eigentlich nahezu alle Batterien aus dem asiatischen Raum. Das ändert sich jetzt mit großer Geschwindigkeit.»

Ganz in trockenen Tüchern ist das voraussichtlich bis zu 4,5 Milliarden Euro teure Projekt in der Nähe von Heide in Dithmarschen allerdings noch nicht. Bislang gibt es nur eine Absichtserklärung mit der Landesregierung in Kiel, die Northvolt bis Ende 2022 Zeit für eine endgültige Entscheidung gibt.

«Auf dem Weg dorthin sind noch letzte Fragen zu klären, bei denen Land und Bund tatkräftig unterstützen werden», heißt es in Berlin. Zu den noch offenen Fragen zählt nach den Worten von Northvolt-Chef Peter Carlsson beispielsweise die Forderung nach einer besseren Bahnanbindung des Standorts und besseren Verkehrsverbindungen zur rund 100 Kilometer entfernten Metropole Hamburg. Dort hat Northvolt laut Carlsson mit Blick auf den Start in Heide bereits ein kleines Team installiert. Außerdem arbeite Northvolt noch an der Klärung langfristiger Energielieferungen, die eine wettbewerbsfähige Produktion zu langfristig stabilen Energiepreisen ermöglichten.

Für den Standort in der Nähe von Heide in Dithmarschen spricht vor allem der weit gediehene Ausbau der Windenergie dort, den Northvolt ausdrücklich als eines der wichtigsten Argumente genannt hat. Denn erklärtes Ziel der Schweden ist es, Batterien für E-Autos mit «dem geringsten ökologischen Fußabdruck in Kontinentaleuropa» herzustellen. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sagte, es zahle sich nun aus, dass das Land in den vergangenen Jahren auf den Ausbau der Windkraft gesetzt habe. «Wenn man die grünste Autobatterie der Welt bauen möchte, wo geht das besser als in Schleswig-Holstein mit unserem Strom aus Erneuerbaren Energien.»

Habeck betonte, dass Erneuerbare Energien ein «echter Standortfaktor» seien und Unternehmen ihre Ansiedlungsentscheidungen danach träfen, ob genügend Erneuerbare Energien verfügbar seien. «Und Heide ist prädestiniert dafür - die Westküste Schleswig-Holsteins aber auch die Anbindung an die großen Offshore-Windparks machen diese Region zu einer Powerbank der Erneuerbaren Energien», betonte der Vizekanzler, der vor dem Wechsel in die Berliner Politik Umweltminister seines Heimatlandes Schleswig-Holstein war.

Über grüne Energien als Standortvorteil spricht Habeck gerne. Sein Credo: Der Wechsel zu klimafreundlicheren Formen der Energieerzeugung helfe nicht nur im Kampf gegen die Erderwärmung, sondern sei auch eine Frage der wirtschaftlichen Vernunft.

Habecks Vision vom klimafreundlichen Umbau nennt er selbst «sozial-ökologische Marktwirtschaft». Planungsverfahren sollen beschleunigt und verschlankt werden, um den Ausbau der Erneuerbaren auch gegen Widerstände voranzutreiben, Stromnetze ausgebaut werden und Windparks durch finanzielle Beteiligung von Bürgern attraktiver werden. Das Beispiel Heide zeigt, dass in der Energiewende auch einst strukturschwache Regionen profitieren können. Für Schleswig-Holstein ist es eine der größten Industrieansiedlungen überhaupt. Zumal die Northvolt-Fabrik weitere Ansiedlungen beispielsweise von Zulieferern nach sich ziehen dürfte, so die Hoffnung der Landesregierung in Kiel.

Die neue Fabrik ist aber weit über die Region im Norden hinaus bedeutend: Das Werk soll dazu beitragen, die Lieferketten für Elektromobilität in Deutschland und Europa gegenüber den bislang dominierenden asiatischen Zulieferern zu stärken. Neben dem klimaneutralen Umbau der Wirtschaft treibt Habeck auch der Abbau struktureller Abhängigkeit von politisch problematischen Handelspartnern um. Die Verwerfungen in den Lieferketten während der Corona-Pandemie und die bisherige Abhängigkeit von russischen Energielieferungen haben das Thema ins Scheinwerferlicht gerückt.

Auf dem Weg zu mehr eigener Produktion in der heimatlichen Wirtschaft verfolgen die einzelnen Hersteller unterschiedliche Ansätze, teils geht es um eigene Entwicklung und Fertigung, teils aber auch um Partnerschaften mit Zulieferern und entsprechende Beteiligungen. Northvolt beispielsweise arbeitet bei der Fertigung von Batteriezellen eng mit Volkswagen zusammen; die Wolfsburger sind auch mit 20 Prozent an dem schwedischen Unternehmen beteiligt. Die Schweden bauen eigens für VW Kapazitäten in ihrem ersten Werk im nordschwedischen Skellefteå aus, das seit Ende 2021 produziert.

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