Bärbel Bas deutsche Bundestagspräsidentin

Geschäftsführende Regierung

Der deutsche Bundestag hat die SPD-Politikerin Bärbel Bas (M.) zu seiner neuen Präsidentin gewählt. Foto: epa/Clemens Bilan
Der deutsche Bundestag hat die SPD-Politikerin Bärbel Bas (M.) zu seiner neuen Präsidentin gewählt. Foto: epa/Clemens Bilan

BERLIN: «Zeitenwende» im deutschen Parlament? So sieht es zumindest die neue Bundestagspräsidentin. Bis zu einer neuen deutschen Regierung dürfte es nun noch einige Wochen dauern.

Der deutsche Bundestag hat die SPD-Politikerin Bärbel Bas zu seiner neuen Präsidentin gewählt. Bei der konstituierenden Sitzung des Parlaments erhielt die 53-jährige Sozialdemokratin am Dienstag 576 von abgegebenen 724 Stimmen bei 90 Gegenstimmen und 58 Enthaltungen.

Bas tritt die Nachfolge von Wolfgang Schäuble an, dessen Christdemokraten das Amt nach ihrer Wahlniederlage bei der Bundestagswahl im September nicht länger beanspruchen konnten. Die SPD war mit 25,7 Prozent stärkste Fraktion geworden. Das Amt ist protokollarisch das zweithöchste im deutschen Staat hinter dem des Bundespräsidenten. Da der deutsche Bundespräsident und auch der wahrscheinliche künftige Kanzler männlich sind, war es der SPD sehr wichtig, eine Frau für das Amt zu nominieren.

Bas ist nach Annemarie Renger (SPD, 1972-1976) und Rita Süssmuth (CDU, 1988-1998) erst die dritte Frau an der Spitze der Volksvertretung. Die Gesellschaft sei heute etwas weiter als zu Rengers Zeiten, sagte Bas in ihrer Antrittsrede. «Als Zeitenwende empfinde ich die Wahl dennoch», fügte sie hinzu.

Anschließend wählte der Bundestag fünf Vizes. Die CDU-Abgeordnete Yvonne Magwas holte das beste Ergebnis mit 600 Ja-Stimmen. Die ebenfalls erstmals angetretene SPD-Politikerin Aydan Özoguz wurde mit 544 Stimmen gewählt. Als bisherige Vizepräsidentinnen bestätigt wurden Claudia Roth (Grüne) mit 565 Stimmen und Petra Pau (Linke) mit 484 Stimmen ebenso wie der bisherige Vizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) mit 564 Stimmen.

Der AfD-Kandidat Michael Kaufmann bekam 118 Ja-Stimmen und verfehlte damit die erforderliche Mehrheit von 369 Stimmen. In der vergangenen Legislaturperiode hatten die Rechtspopulisten insgesamt sechs vergebliche Versuche unternommen, einen Vizepräsidenten zu bekommen.

Mit der Konstituierung des Bundestages endet die Amtszeit der bisherigen Bundesregierung. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier überreichte den Mitgliedern der Bundesregierung am Dienstag im Schloss Bellevue ihre Entlassungsurkunden. Er bat Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die Regierungsgeschäfte noch so lange weiterzuführen, bis ein neuer Kanzler gewählt wird.

Die Wahl eines Bundeskanzlers ist für die Woche ab 6. Dezember geplant. Voraussetzung ist, dass die Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer «Ampel»-Koalition aus SPD, Grünen und FDP bis dahin erfolgreich abgeschlossen werden. Dann würde sich SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz als Nachfolger Merkels zur Wahl stellen. Er war in der bisherigen «schwarz-roten» Regierung Finanzminister und Vizekanzler.

Am Dienstagvormittag hatte Schäuble als Alterspräsident die konstituierende Sitzung des Bundestages eröffnet. Er plädierte für eine selbstbewusste Volksvertretung. Zugleich forderte er eine rasche Wahlrechtsreform, um dem Anwachsen des Bundestages entgegenzuwirken.

Im neuen Bundestag sitzen 736 Abgeordnete und damit weit mehr als die Mindeststärke von 598. Ursache ist das komplizierte deutsche Wahlrecht mit seinen Überhang- und Ausgleichsmandaten. «Ich wünsche mir eine Reform, die diesen Namen verdient», sagte Bas in ihrer Antrittsrede.

Die rechtspopulistische AfD scheiterte mit dem Versuch, ihren Abgeordneten Alexander Gauland (80) als Alterspräsidenten des Bundestags durchzusetzen. Ein Antrag der Fraktion zur Änderung der Geschäftsordnung fand keine Mehrheit. Laut der 2017 geänderten Geschäftsordnung ist für das Amt nicht mehr das Lebensalter, sondern die Zahl der Parlamentsjahre entscheidend. Schäuble (79) sitzt seit 1972 im Bundestag.

Steinmeier und Merkel verfolgten die Bundestagssitzung von der Besuchertribüne. Mehr als zwei Dutzend Abgeordnete mussten auf einer eigens für sie reservierten Tribüne Platz nehmen, weil sie die wegen Corona geltende 3G-Regelung nicht akzeptiert hatten. Die 23 Parlamentarier gehörten alle zur AfD, wie sich bei den Abstimmungen und bei Zwischenrufen zeigte.

Der neue Bundestag ist im Schnitt zwei Jahre jünger als der alte. Der Frauenanteil ist zudem von 30,7 auf 34,8 Prozent gestiegen. Das geht aus der Statistik des Bundeswahlleiters nach Vorlage des endgültigen Wahlergebnisses hervor. Demnach liegt das Durchschnittsalter der Abgeordneten jetzt bei 47,3 Jahren. Nach der Bundestagswahl 2017 lag es bei 49,4 Jahren.

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