Deutschland und Nigeria verstärkt gegen Klimawandel

Claudia Roth Staatsministerin für Kultur und Medien, und Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), Außenministerin, geben Geoffrey Onyeama, Außenminister der Bundesrepublik Nigeria. Foto: Annette Riedl/dpa
Claudia Roth Staatsministerin für Kultur und Medien, und Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), Außenministerin, geben Geoffrey Onyeama, Außenminister der Bundesrepublik Nigeria. Foto: Annette Riedl/dpa

ABUJA: Die Klimakrise als Treiber von Konflikten und Terrorismus: Auf vielen Reisen ist das Thema für Außenministerin Baerbock zentral. In Nigeria macht sie sich ein Bild von den konkreten Folgen. Und setzt auf intensivere Zusammenarbeit.

Deutschland und Nigeria wollen ihre Zusammenarbeit gegen den Klima- und für den Energiewandel weiter verstärken. Beide Länder wollten bei der Bewältigung der «größten gemeinsamen globalen Herausforderung, der größten Sicherheitsgefahr für uns alle auf dieser Welt, der Klimakrise» zusammenarbeiten, sagte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Dienstag nach einem Treffen mit ihrem nigerianischen Kollegen Geoffrey Onyeama in der Hauptstadt Abuja. Die Klimakrise müsse mit aller Kraft eingedämmt werden. Afrika und gerade Nigeria hätten ein großes Potenzial für erneuerbare Energien und grünen Wasserstoff.

Derzeit sei Nigeria, das der größte Ölproduzent auf dem afrikanischen Kontinent ist, noch einer der größten Emittenten des Klimagases CO2 und Exporteur fossiler Brennstoffe Afrikas, sagte Baerbock. Umso wichtiger seien die Pläne der Regierung in Abuja für eine Energiewende, mit der das Land bis 2060 klimaneutral werden solle. «Diesen Weg gemeinsam zu gehen im Rahmen von Energiepartnerschaften im Sinne nicht nur des Klimaschutzes, sondern auch der Entwicklung der Wirtschaft vor Ort, ist für uns gemeinsam wichtig.»

Dass die Klimakrise zur Sicherheitskrise beitrage, habe sie an diesem Montag beim Besuch in der Hochburg der islamistischen Terrormiliz Boko Haram eindrücklich erlebt, sagte Baerbock. «Dort und in weiten Teilen der Region ist der Klimawandel ein Treiber des Terrorismus und er facht bestehende Ressourcenkonflikte weiter an», etwa zwischen Bauern und Hirten. «Wir wissen, dass das Krebsgeschwür des Terrorismus eine Gesellschaft und ganze Regionen destabilisieren kann», sagte die Ministerin.

Onyeama sagte, angesichts der vielfältigen Herausforderungen brauche Nigeria für eine Übergangsphase die Nutzung fossiler Brennstoffe. Man könne nicht über Nacht einfach abstellen. Gas werde als Übergangsenergie genutzt.

Nigeria ist rund zweieinhalb Mal so groß wie Deutschland und mit etwa 220 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste und wirtschaftsstärkste Land Afrikas. Wichtigster Wirtschaftszweig ist die Ölproduktion. Das Land ist Sitzstaat der regionalen Wirtschaftsorganisation Ecowas, tragende Säule der Afrikanischen Union und auch wichtiger Truppensteller in UN-Friedensmissionen.

Nigeria habe in diesem Jahr erneut die Folgen der Klimakrise zu spüren bekommen, sagte Baerbock. Während sich im Norden des Landes Dürre und Trockenheit ausgebreitet hätten und die Wüste Acker und Weideland auffresse, hätten Überschwemmungen in anderen Landesteilen Hunderte von Menschenleben gekostet und über eine Million Menschen vertrieben. Deutschland habe schnell geholfen und seine humanitäre Hilfe in Nigeria aufgestockt. Allein über das Welternährungsprogramm seien so 1,9 Millionen Menschen erreicht worden.

Baerbock hob Nigerias Rolle als bevölkerungsreichste Demokratie Afrikas mit Sitz der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas und als Deutschlands zweitgrößter Handelspartner in Afrika hervor. Gemeinsam stehe man etwa in den Vereinten Nationen gegen den brutalen Angriffskrieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin in der Ukraine und gegen den brutalen Bruch des Völkerrechts.

Deutschland und Nigeria verbinde zudem das Wissen «um die Gefahr einseitiger Abhängigkeit», sagte die Ministerin. Deshalb habe man auch über China gesprochen, das seinen Einfluss in Afrika in den vergangenen Jahren enorm vergrößert habe. Die Ministerin lobte: «Eure Beziehungen sind aber deutlich weniger einseitig geprägt als bei einigen eurer Nachbarn auf dem Kontinent.»


«Wendepunkt internationaler Kulturpolitik» - Benin-Bronzen übergeben
Lucia Weiß, Jörg Blank und Gerd Roth (dpa)

ABUJA: Eine international beachtete Rückgabe markiert ein neues Kapitel in der Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus. Zwei Ministerinnen übergeben in Nigeria wertvolle Benin-Bronzen. Es soll nur ein Anfang sein.

In einem als «Wendepunkt internationaler Kulturpolitik» bezeichneten Schritt haben Außenministerin Annalena Baerbock und Kulturstaatsministerin Claudia Roth am Dienstag in der nigerianischen Hauptstadt Abuja 20 wertvolle Benin-Bronzen an das afrikanische Land zurückgegeben. Die in Kolonialzeiten geraubten Kunstwerke gehörten lange Zeit zu Beständen von Museen in Berlin, Hamburg, Köln, Stuttgart und Dresden/Leipzig. Die Grünen-Politikerinnen wurden beim Festakt in Nigeria von den Spitzen mehrerer Museen begleitet.

Die Rückgabe zeige die «Bereitschaft, das eigene Handeln kritisch zu bewerten» mit einem «offenen Ohr für die Sorgen derjenigen, die Opfer kolonialer Grausamkeiten waren», sagte Baerbock während der Zeremonie. Dies sei besonders wichtig für die Menschen in Nigeria, «weil es nicht nur Kunststücke sind, nicht nur kulturelles Erbe, sondern auch ein Stück von Identität».

Nigerias Bitte um Rückgabe sei lange Zeit ignoriert worden. Dies sei nun ein erster Schritt. «Es sind ja viele, viele Bronzen, die gestohlen worden sind. Deswegen werden auch viele Bronzen zurückkommen», sagte Baerbock.

Mehr als 1100 der Arbeiten aus dem Palast des damaligen Königreichs Benin, das heute zu Nigeria gehört, waren bisher in rund 20 deutschen Museen zu finden. Die Objekte, die neben Bronze auch aus Elfenbein und anderen Materialien gefertigt sind, stammen größtenteils aus britischen Plünderungen im Jahr 1897.

«Es war falsch, sie zu nehmen, und es war falsch, sie zu behalten», sagte Baerbock. «Dies ist eine Geschichte des europäischen Kolonialismus. Es ist eine Geschichte, in der unser Land eine dunkle Rolle spielte und in verschiedenen Teilen Afrikas großes Leid verursachte.»

Die Ministerin würdigte die Rolle der Museumsträger. «Sie haben die Übertragung des Eigentums an den Bronzen ermöglicht und die bahnbrechenden Verträge mit Nigeria geschlossen.» Die fünf Museen und ihre Träger hatten vor den Rückgaben bereits die Eigentumsrechte an sämtlichen Benin-Bronzen übertragen. Dabei waren auch Abkommen zu Leihgaben geschlossen worden, damit einige der Kunstschätze weiter in Deutschland gezeigt werden können.

«Das Besondere an diesem Prozess war für uns das Vertrauen unserer nigerianischen Partner, die unsere Werte und unseren Glauben an Respekt und offenen Dialog teilen», sagte Baerbock. Kunst solle zugänglich sein, deshalb beteilige sich Deutschland am Bau eines Kunstpavillons im Bundesstaat Edo, wo die Bronzen ausgestellt werden sollen. «Das Entscheidende ist: Sie wissen, dass sie Ihnen gehören. Und Sie wissen, wo sie sind.»

Roth sprach von einem «historischen Moment, der nicht nur unsere beiden Länder, sondern auch unsere Kontinente miteinander verbindet». Die Begegnung sei getragen von Respekt, Interesse und dem Wunsch, voneinander zu lernen. «Wir wollen lernen aus der Auseinandersetzung mit unserer Kolonialgeschichte und wir wollen Verantwortung übernehmen», sagte Roth. «Nur so wird unsere koloniale Vergangenheit Teil unserer Erinnerungskultur und das Erinnern an vergangenes Unrecht eine Verpflichtung für eine gerechtere Gegenwart.»

Dieser erste konkrete Schritt solle «die Scham darüber nicht verschleiern, dass Nigerias Wunsch nach einer Rückgabe jahrzehntelang ignoriert oder zurückgewiesen wurde.» Deutschland habe zu lange die Augen verschlossen «vor dem Unrecht, das mit diesen Bronzen verbunden blieb, die so lange in unseren Museen gezeigt wurden oder in Depots lagerten».

Roth sprach von einem «Wendepunkt in der internationalen Kulturpolitik» und Auftakt für weitere Rückgaben. «Was heute beginnt, ist kein Schlussstrich, es ist ein Beginn. Der Beginn künftiger Kooperationen und eines stärkeren Kulturaustauschs.»

Nigerias Kulturminister Lai Mohammed dankte für die Rückgaben. «Noch vor 20 oder sogar 10 Jahren, hätte niemand die Rückkehr dieser Bronzen nach Nigeria vorausahnen können, weil die Hindernisse für eine Rückführung unüberwindbar schienen.» Deutschland sei nicht bei Ankündigungen einer Rückgabe geblieben sei, die Verhandlungen seien nicht einfach gewesen. «Nigeria, Afrika und in der Tat alle Menschen werden sich immer an diesen Moment in der Geschichte der Menschheit erinnern und ihn in Ehren halten, als Deutschland an unserer Seite stand.»

Mohammed hofft, dass der Ausstellungspavillon Benin-City zu einem Dreh- und Angelpunkt der Kulturszene wird. Er appellierte an alle Institutionen weltweit, Museen wie das British Museum und Sammler, Kulturgüter seines Landes zurückzugeben. «Sie müssen verstehen, dass viele dieser kulturellen Objekte nicht einfach Kunstwerke für uns sind, sondern den wahren Kern unseres Seins ausmachen.» Es gehe bei den Stücken um die Kultur und das Erbe Nigerias. «Sie gehören hierher und nirgendwo sonst hin.»

Der nigerianische Außenminister Geoffrey Onyeama begrüßte die Rückführung als Zeichen der guten Beziehung beider Länder. Nigeria erhebe zwar Anspruch auf die Objekte und wolle sie dort sehen, wo sie hingehörten. Dennoch sehe Nigeria die Benin-Bronzen in einem weiteren Zusammenhang aller Menschen. «Sie sind ein gemeinschaftliches Vermögen der Menschheit.»

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