Autobranche pusht Kaufprämien-Idee

​«Umweltanreiz» als Alternative?

Foto: Pixabay/Tumisu
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BERLIN/HANNOVER: Prämien für den Autokauf wegen der Corona-Krise - ja oder nein? Während die Branche den Bedarf dringender staatlicher Hilfen für verschiedene Antriebe sieht, halten Kritiker zusätzliche Subventionen für fehl am Platze. Vielleicht könnte es auch einen Mittelweg geben.

Vor dem nächsten «Autogipfel» am Dienstag geht der Schlagabtausch zwischen Befürwortern und Gegnern neuer Staatshilfen für die deutsche Schlüsselindustrie weiter. Die Chefin des Branchenverbands VDA, Hildegard Müller, bekräftigte, rasche Beschlüsse seien nötig. «Es muss zeitnah politisch entschieden werden, damit es eine Klarheit im Markt gibt», sagte sie der «Welt am Sonntag». Auch VW-Chef Herbert Diess sprach sich erneut dafür aus. Doch die Kritik an Instrumenten ähnlich der «Abwrackprämie» 2009 reißt ebenfalls nicht ab - und es gibt neue Kompromissvorschläge.

Viele Autohersteller fahren derzeit ihre Produktion nach mehreren Wochen Corona-Lockdown wieder langsam hoch. Die Verkäufe bleiben aber gering - fällt die Nachfrage noch länger aus, könnten etwa übervolle Lager und ein stockender Materialfluss schon in kurzer Zeit zu neuen Probleme in den Fabriken und im Handel führen. Zudem sind zahlreiche Zulieferer auf ein wieder anziehendes Auto-Geschäft angewiesen.

Müller zufolge herrscht «doppelte Zurückhaltung»: Potenzielle Käufer seien nicht nur durch die Corona-Krise selbst verunsichert. «Sobald eine Debatte stattfindet, ob der Staat mit einer Kaufprämie hilft, warten die Verbraucher natürlich ab, bis die Prämie tatsächlich kommt», sagte sie. Bundesregierung und Vertreter der Branche wollen am Dienstag über die angespannte Lage beraten. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte aber schon deutlich gemacht, dass bei dem Treffen mit keiner Entscheidung über spezielle Auto-Anreize zu rechnen sei.

Diess sagte der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» (FAS), man solle nun keine «Grundsatzdiskussionen» führen, sondern den «Fokus auf die Konjunktur und Tempo» legen. «Sonst rennt uns die Zeit davon.» Umweltorganisationen wie Greenpeace oder der BUND fordern, Fördergeld höchstens für Autos mit alternativen Antrieben - vor allem reine E-Fahrzeuge - in Aussicht zu stellen, ähnlich äußerte sich auch Umweltministerin Svenja Schulze (SPD). Der VW-Chef betonte, aus seiner Sicht komme man in der aktuellen Lage nicht um eine darüber hinaus gehende Unterstützung herum: «Wir brauchen die Prämie unabhängig von der Antriebsart, für das gesamte Produktangebot.»

Diess hatte schon zum Wiederanlauf des Stammwerks Wolfsburg am vorigen Montag «baldige kraftvolle Maßnahmen» verlangt. Nach Vorstellung von VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh sollte ein Fördermodell eine «Impuls-Prämie» für Neuwagenkäufe umfassen, die auch für neue Verbrenner über «einen klar begrenzten Zeitraum» gilt.

Müller ergänzte: «Wir könnten uns ein Stufenmodell vorstellen, bei dem bestimmte Antriebe noch zusätzliche Prämien bekommen.» Laut Volkswagen könnte der Staat über Änderungen des Systems der Mineralöl- oder Kfz-Steuer den Absatz klimaschonender Fahrzeuge zusätzlich anschieben. Große Teile der Branche wollen überdies, dass die weitere Verschärfung der CO2-Ziele der EU mit potenziellen Milliardenstrafen in der schwachen aktuellen Absatzphase noch einmal überdacht wird. «Wenn wir diesen Prozess weiter beschleunigen, bedeutet das noch mehr Wandel in noch kürzerer Zeit, das muss uns klar sein», sagte Diess.

Der Grünen-Politiker Cem Özdemir - Chef des Verkehrsausschusses im Bundestag - brachte einen alternativen Ansatz ins Gespräch: ein gemischtes «Bonus-Malus-System» mit einem «Umweltanreiz». «Um die Industrie jetzt zu stützen, bekommt jeder einen Bonus, der ein besonders klimafreundliches Auto anschafft», sagte er in der «FAS». «In zwei Jahren führen wir dann einen Malus für klimaschädliche Autos ein.» Das biete konjunkturelle Hilfe und Anreiz zum ökologischen Wandel zugleich.

SPD-Chef Norbert Walter-Borjans lehnte die Forderungen der Branche nach einer Kaufprämie dagegen ab. «Die Autokonzerne sollen zuerst einmal auf die satten Gewinne der vergangenen Jahre zurückgreifen, bevor sie nach den Steuerzahlern rufen», sagte er dem Magazin «Business Insider».

Und man dürfe in der Debatte um weitere Corona-Hilfen nicht nur auf Großkonzerne blicken, sondern müsse etwa auch die Gastronomie bedenken. «Das ist keine Schlüsselbranche wie die Automobilindustrie, aber sie ist für das Zwischenmenschliche und die Lebensqualität vor Ort enorm wichtig.» Kritiker weisen auch darauf hin, dass etliche Unternehmen die Zahlung von Manager-Boni oder Aktionärsdividenden bisher trotz des Rufs nach Staatshilfe nicht infrage gestellt haben. «Das Auftreten, das die Autobranche diesbezüglich an den Tag legt, ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten», sagte Carsten Schneider, erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, der Zetung «Die Welt» (Montag).

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