Australien wählt neues Parlament

Kopf-an-Kopf-Rennen erwartet

Australischer Premierminister Scott Morrison am Tag der Bundeswahlen im Wahlkreis McEwen in Melbourne. Foto: epa/Mick Tsikas
Australischer Premierminister Scott Morrison am Tag der Bundeswahlen im Wahlkreis McEwen in Melbourne. Foto: epa/Mick Tsikas

CANBERRA: Seit fast zehn Jahren regiert in Australien die konservative Liberal Party. Aber das Land leidet unter vielen Problemen - allen voran die katastrophalen Folgen des Klimawandels. Bekommt Down Under nun einen neuen Premier? Es geht - im wahrsten Sinne des Wortes - um die Wurst.

Bei der Parlamentswahl in Australien zeichnet sich jüngsten Umfragen zufolge ein enges Rennen zwischen den Parteien der Spitzenkandidaten ab. Für die konservativen Liberalen ging der amtierende Premierminister Scott Morrison (54) ins Rennen, als Herausforderer trat Anthony Albanese (59) von der sozialdemokratischen Labor-Partei an. Wegen der verschiedenen Zeitzonen in dem riesigen Land begann die Abstimmung am Samstag in den einzelnen Regionen zu verschiedenen Zeiten. Die ersten Wahllokale öffneten am Morgen an der Ostküste, die letzten ganz im Westen schließen um 12.00 Uhr deutscher Zeit. Erste Ergebnisse sollen im Laufe des Samstags vorliegen.

Beide Kandidaten reisten während des sechswöchigen Wahlkampfs kreuz und quer durch den fünften Kontinent, um Wählerstimmen zu gewinnen. Dabei machten sie sich gegenseitig schwere Vorwürfe. Wichtigstes Thema war die Wirtschaftslage. Speziell geht es um die Frage höherer Löhne, die Labor verspricht.

Viele Australier betrachten auch die Klimakrise als enormes Problem - vor allem nach den jüngsten verheerenden Überschwemmungen an der Ostküste. Das Land leidet seit Jahren unter Dürren und zerstörerischen Buschbränden, unter Korallenbleichen und Baumsterben. Der konservative Premier Morrison ist ein Unterstützer der einflussreichen Kohleindustrie, und viele Mitglieder der Liberalen gelten als Leugner des Klimawandels. Die Corona-Pandemie kam hingegen nur am Rande als Wahlkampfthema vor - obwohl die Fallzahlen weiter hoch sind und das Land am Freitag mehr als 50.000 Neuinfektionen verzeichnete.

«Wir brauchen unbedingt einen politischen Richtungswechsel hin zu einer Verbesserung der Reallöhne, sofortigen und direkten Klimaschutzmaßnahmen und einer humaneren Flüchtlingspolitik», sagte der IT-Berater Jeff Scicluna aus Melbourne der Deutschen Presse-Agentur vor der Stimmabgabe. Der 55-Jährige wollte sein Kreuz deshalb bei Labor machen. «Eine Labor-Regierung würde mein Vertrauen in Australien als eine Gesellschaft, in der ich leben möchte, erheblich stärken.»

Ganz anders sieht das Mark Westfield, Wahlkampfhelfer der Liberalen in Manly, einem Vorort von Sydney: «Morrison muss man hoch anrechnen, wie gut Australien wirtschaftlich dasteht - wir haben die niedrigste Arbeitslosenquote seit Jahrzehnten. Viel mehr kann eine Regierung nicht leisten.»

Morrison und Albanese gaben ihre Stimme am Vormittag (Ortszeit) in Vororten von Sydney ab. In der größten Stadt Australiens bildeten sich schon am Morgen Schlangen vor den Wahllokalen. Die großen Parteien hatten dort noch einmal Plakate aufgestellt. Wahlkampfhelfer verteilten vor den Türen Flugblätter, um unentschiedene Wähler in letzter Minute für sich zu gewinnen.

Eine Besonderheit bei australischen Wahlen sind die sogenannten Demokratie-Würstchen (Democracy Sausages). Traditionell steht vor vielen Wahllokalen ein Grill, an dem sich die Bürger mit einer Art Hot Dog (Knackwurst im weichen Brötchen mit Senf und Ketchup) stärken können. «Happy Democracy Sausage Day!», hieß es denn auch im australischen Frühstücksfernsehen. Mittlerweile gibt es zudem vegetarische Alternativen und Stände mit Kaffee und Kuchen. «Wo diese Tradition herkommt, weiß ich gar nicht. Das wurde immer schon gemacht, solange ich denken kann», sagte ein freiwilliger Helfer hinter einem Grill in Sydneys Kerry Street.

Während die Würstchen eine feste Institution sind, ist es der Name des Herausforderers nicht. Mit Spitznamen wird Anthony Albanese kurz «Albo» genannt (und Scott Morrison dementsprechend «ScoMo»). Aber die Aussprache seines Nachnamens variiert seit Jahren - auch bei dem Politiker selbst. Früher nannte er sich meist «Albaniis», später ging er - passend zum italienischen Ursprung des Namens - zu «Albanesii» über. In einem Interview erklärte er einmal, «Albo» sei wohl am einfachsten.

Mehr als 17 Millionen Wahlberechtigte sind aufgerufen, über alle 151 Sitze im Unterhaus und die Hälfte der 78 Sitze im Senat zu entscheiden. Es herrscht Wahlpflicht. Berichten zufolge hat etwa die Hälfte der Australier schon im Vorfeld entweder per Briefwahl oder per frühzeitiger Stimmabgabe gewählt. Schon vergangene Woche hatten Hunderte Wahllokale für diejenigen geöffnet, die am Wahltag selbst verhindert sind. Wer positiv auf das Coronavirus getestet wurde, konnte per Telefon seine Stimme abgeben.

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