Ausflug ins Bangkok von anno dazumal

„Slow motion“: Auf Koh Kret scheint die Zeit stillzustehen

Unentdecktes Bangkok
Unentdecktes Bangkok

THAILAND: Abseits der üblichen Touristenpfade gibt es auch in und rund um Bangkok noch vieles Unentdecktes zu besichtigen, das selbst alteingesessene Thailandresidenten zum Staunen bringt. Wie der Big Buddha im Wat Bang Chak nahe dem Städtchen Pak Kret in Nonthaburi, der milde lächelnd über den Chao-Phraya-Fluss auf die gegenüberliegende Koh Kret blickt. Die kleine Insel gilt traditionell als ein Zentrum des Töpfereihandwerks, das durch die alten Mon eingeführt wurde und auch heute noch bestaunt werden kann. Besonders an Wochenenden strömen Bangkoker Familien auf das idyllische Eiland, um mit ihrem Nachwuchs einen erholsamen Tag im Grünen zu verbringen. DER FARANG nimmt die Leserschaft mit auf einen Inselrundgang.

Grünende Gärten, tropische Blumen und Stelzenhäuser aus Holz. Wer mit einem Fahrrad die Insel umrundet kann erahnen, wie es im alten Bangkok ausgesehen haben mag.
Grünende Gärten, tropische Blumen und Stelzenhäuser aus Holz. Wer mit einem Fahrrad die Insel umrundet kann erahnen, wie es im alten Bangkok ausgesehen haben mag.

Smog, Hitze und eine nie enden wollende Blechlawine prägen das Sinnbild vieler Bangkok-Besucher. Für einige ist die permanente Reizüberflutung einfach zu viel. Dass sich nur 25 Kilometer vom Trubel der pulsierenden Millionenmetropole entfernt eine wahre Entschleunigungsoase der Ruhe und Entspannung befindet, wissen nur die wenigsten. Koh Kret heißt dieser Geheimtipp. Ein kleines Eiland im Chao-Phraya-Fluss, das sich bis in die heutige Zeit hinein seinen Dornröschenschlaf bewahren konnte.

Bereits die Anfahrt gestaltet sich erlebnisreich. Die Reise beginnt am geschäftigen Sathorn-Pier, nahe der Hochbahnstation Saphan Taksin. Dabei gilt die Devise „machen wir’s wie die Einheimischen!“ Schließlich ist nichts langweiliger und auch teurer als die üblichen Ausflüge auf den großen Touristenbooten, auch wenn sich diese natürlich durchaus bequemer gestalten und obendrein mit einem Buffet locken.

Anreise auch langschläfertauglich

In urgemütlichen Lokalen lässt es sich entspannen. Diese Retro-Stube lockt mit allerlei Antiquitäten zu einem Besuch.
In urgemütlichen Lokalen lässt es sich entspannen. Diese Retro-Stube lockt mit allerlei Antiquitäten zu einem Besuch.

Koh Kret liegt in Bangkoks Nachbarprovinz Nonthaburi. Zwischen 5.50 und 19 Uhr verkehren mehrmals stündlich Express-Boote zwischen dem Sathorn-Pier und Nonthaburi, zwischen 6.15 und 8 Uhr morgens sowie 16.05 und 18.05 Uhr am frühen Abend sogar direkt bis Pak Kret, von wo aus man mit einer Fähre nach Koh Kret übersetzt. Da der Autor dieser Zeilen jedoch eher der Gattung der Langschläfer angehört, entscheidet er sich notgedrungen für das Express-Boot nach Nonthaburi, erkennbar an der orangen Flagge. Die knapp 70-Minuten-Fahrt kostet nur sagenhafte 15 Baht und führt vorbei an bekannten Sehenswürdigkeiten, wie dem Wat Arun, dem Königspalast und der großen Rama-7-Brücke, weshalb es sich empfiehlt, stets den Fotoapparat bereitzuhalten.

Bekannt ist Koh Kret für seine Töpferwaren.
Bekannt ist Koh Kret für seine Töpferwaren.

In Nonthaburi angekommen, muss man zu Fuße der pastellfarbenen Turmuhr die nächste Entscheidung fällen, nämlich wie man weiter nach Pak Kret reisen möchte. Zur Auswahl stehen der Linienbus Nr. 32, ein Longtailboot oder die Weiterfahrt in einem gewöhnlichen Taxi. „Schnick, Schnack, Schnuck“, die Wahl des zeitnotgeplagten Journalisten fällt auf ein Taxi. Auffallend angenehm: Weder auf der Hin- noch auf der Rückfahrt gibt es eine Diskussion mit dem Fahrer um das Einschalten des Taxameters. In Nonthaburi eine Selbstverständlichkeit. Die Fahrt führt vorbei an bekannten Institutionen, wie dem „Government Lottery Office“, dem „Office of The National Anti-Corruption Commission“ sowie dem berühmt-berüchtigten Bang-Kwang-Gefängnis, in dem auch viele Ausländer, zumeist wegen Drogenvergehen, für viele Jahre einsitzen. Die knapp 30 Minuten dauernde Fahrt schlägt mit attraktiven 97 Baht zu Buche.

Angenehme Reizunterflutung

Die Töpfer lassen sich bei der Ausübung ihres Handwerks über die Schulter schauen.
Die Töpfer lassen sich bei der Ausübung ihres Handwerks über die Schulter schauen.

Die Fährüberfahrt nach Koh Kret erfolgt ab dem Pier der Tempelanlage Wat Sanam Nuea und kostet für Thais sowie Ausländer zwei Baht. Ab hier beginnt die Reise in ein Land vor unserer Zeit, als es weder breite Straßen noch Autos gab. Und tatsächlich: Wer seinen Fuß auf die verkehrsfreie Insel setzt, kann sich nur noch schwer vorstellen, dass nur eine Bootsstunde zuvor Fahrzeuge auf achtspurigen Highways im Stau standen. Das dargebotene Szenario könnte konträrer kaum sein: Kleinkinder planschen fröhlich im Wasser, ältere Männer werfen ihre Angelrute aus, in der Hoffnung auf einen großen Fang für ein leckeres Abendessen daheim.

Nam Phrik stellt bei thailändischen Besuchern ein beliebtes Souvenir dar.
Nam Phrik stellt bei thailändischen Besuchern ein beliebtes Souvenir dar.

Die kleine Fluss-Insel verfügt über insgesamt sieben kleine Dörfer und sechs sehenswerte buddhistische Tempel: Wat Poramai Yikawat, Wat Sao Tong Thong, Wat Chimplee, Wat Pa Laylai, Wat Pai Iom und Wat Salakul. Den sehenswertesten Wat stellt der über 200 Jahre alte Wat Poramai Yikawat mit einer wunderschönen weißen Pagode dar, der sich direkt am Hauptpier der Insel befindet und somit als erstes zu einem Besuch lockt. Im Inneren befinden sich ein großer liegender Buddha und detailreiche Wandmalereien. Das Tempelgelände beheimatet außerdem ein kleines Museum, in dem sich neben alten Buddhafiguren, antiken Münzen und alten Möbelstücken auch ein mehrstufiger Zeremonien-Schirm aus dem Jahr 1884 sowie eine lackierte Kleiderkiste von Prinzessin Kromphra Sudarattana Rajprayoon befinden. Der Eintritt ist frei. Besonderer Beachtung erfreut sich außerdem ein weiterer weißer Chedi direkt am Flussufer, dessen Fundament unterspült wurde, wodurch er in gewisser Weise das thailändische Pendant zum Schiefen Turm von Pisa darstellt.

Mit dem Fahrrad ins Töpferdorf

Die Bevölkerung ist freundlich und fremden Besuchern gegenüber aufgeschlossen.
Die Bevölkerung ist freundlich und aufgeschlossen.

Koh Kret lässt sich wunderbar zu Fuß oder mit dem Drahtesel erkunden, den man am Hauptpier für 40 Baht mieten kann. Die tropischen Sumpfgebiete, Palmenhaine und Reisfelder lassen erahnen, wie es im alten Bangkok anno dazumal ausgesehen haben mag. Über schmale Wege und verwinkelte Gassen lassen sich die kulturellen Sehenswürdigkeiten ganz entspannt erkunden. Die Insel stellt ein traditionelles Zentrum des Töpferhandwerks dar, das die alten Mon hierhergebracht hatten. Auch heute noch wird das von Generation an Generation weitergegebene Handwerk gepflegt und praktiziert. In den Töpferdörfern können die Besucher den Künstlern bei der Praktizierung ihres Handwerks über die Schulter schauen. Mit großer Sorgfalt wird der Ton geformt und bearbeitet. Rohe Lehmklumpen werden wie von Geisterhand zu grazilen Kunstwerken verwandelt, die mit aufwendigen Mustern und Verzierungen bestückt werden, bevor sie im großen, traditionellen „Schildkröten-Ofen“ gebrannt werden. Von einem kunstvoll verzierten 80-Baht-Stövchen als originelles Mitbringsel bis hin zu mehreren zehntausend Baht teuren Terrakotta-Unikaten ist hier alles zu haben. Dass das Töpferhandwerk auch heute noch auf der Insel praktiziert wird, ist einem Förderprogramm der Regierung zu verdanken, die rechtzeitig den Wert dieser Tradition erkannte.

Neben Töpferwaren werden auf der Insel eine Vielzahl an Kunsthandwerkerwaren zum Kauf angeboten. Fotos: bj
Neben Töpferwaren werden auf der Insel eine Vielzahl an Kunsthandwerkerwaren zum Kauf angeboten.

Neben Töpferwaren werden im OTOP-Dorf („One Tambon One Product“) zahlreiche Leckereien zum kleinen Preis angeboten, die besonders Thais das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen und die anderenorts nur noch schwer zu finden sind. So bereitet man seiner thailändischen Herzallerliebsten die größte Freude, wenn man ihr ein kleines Töpfchen „nam phrik“ als Souvenir mitbringt, das auf Koh Kret besonders schmackhaft sein soll.

Auf der urgemütlichen Fluss­terrasse eines der vielen kleinen Lokale lässt sich Erlebtes wunderbar Revue passieren, bevor es wieder zurück zu Smog, Stau und der Hitze Bangkoks geht.

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Von der Halbinsel zur Flussinsel

Koh Kret entstand vor etwa 200 Jahren, als Einwanderer des Volksstammes der Mon eine weit auslaufende Flussbiegung des Chao Phraya durch einen Kanal verbanden, wodurch das Gebiet innerhalb dieser Biegung nach einigen Jahren wegen der Uferkorrosion und der Erweiterung des Kanals für den Schiffsverkehr zur Insel wurde. Ursprünglich lebten vor vielen Jahrhunderten viele Mon im heutigen Zentralthailand. Auf Koh Kret blieb die kulturelle Identität der Mon jedoch stärker erhalten als in vielen anderen Orten des Königreiches. Unter der Woche haben viele Geschäfte der Insel geschlossen, die Besucher erwarten Ruhe und Erholung pur. Am Wochenende, wenn die Hauptstädter „reif für die Insel“ sind, wird es voll. Dann verkehrt auch ein Schiff des Unternehmens „Koh Kret Cruise“ ab dem Sathorn-Pier um 10 Uhr zur Insel für 300 Baht (inklusive Zwischenstopps bei mehreren Wats und Essen in Baan Kanom Thai).

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