Hat das Great Barrier Reef noch eine Zukunft?

​«Auf Messers Schneide»  

Foto: Pixabay/Skeeze
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BRISBANE: Die Korallenriffe des Planeten sind in Gefahr. Besonders schlimm steht es um das prächtige Great Barrier Reef. Das Naturwunder ist von der sechsten Korallenbleiche seit 1998 betroffen. Zum Welttag der Ozeane gibt es viele schlechte Nachrichten - aber auch neue Lösungen.

Wer in den Ozean vor der Nordostküste Australiens eintaucht, erlebt sprichwörtlich sein blaues Wunder: Ob tropische Fischschwärme, Buckel- und Zwergwale, Meeresschildkröten, Haie, Rochen, bunte Korallen oder sanft schwingende Seeanemonen - das Great Barrier Reef gilt mit seiner Vielfalt an faszinierenden Lebewesen als eines der atemberaubendsten Naturwunder des Planeten. Aber immer mehr Korallenbänke mutieren zu einer Art unterseeischem Geisterwald: Statt sich in ihrer Farbenpracht gegenseitig zu übertrumpfen, verlieren die Nesseltiere plötzlich ihre Couleur und stehen fahl und weiß da.

Das weltgrößte Riff, das sogar aus dem Weltraum zu sehen ist, ist wegen der Meereserwärmung zunehmend in Gefahr - und immer häufiger von extremen Korallenbleichen betroffen. «Die Zukunft des Great Barrier Reef steht auf Messers Schneide, aber es ist noch nicht zu spät, es zu retten», sagte Anna Marsden, Direktorin der Stiftung «Great Barrier Reef Foundation», anlässlich des Welttags der Ozeane am 8. Juni.

Die Vereinten Nationen begehen den «World Oceans Day» seit 2009. Ziel ist es, weltweit Aufmerksamkeit auf die akuten Probleme und Herausforderungen der Weltmeere zu lenken. Die Erde ist zu 70 Prozent mit Wasser bedeckt. Für das Überleben der Menschheit sind die Meere von immenser Bedeutung: Sie produzieren nicht nur viel Sauerstoff, sondern sind auch Quelle für Nahrung, Rohstoffe und Energie.

Gleichzeitig leiden sie extrem unter dem Klimawandel, wie das Beispiel Great Barrier Reef zeigt. «Die Ozeane sind Opfer der Erderwärmung und gleichzeitig unsere größte Hoffnung», schreibt der Naturschutzbund Deutschland (Nabu). «Als die stabilisierende Kraft unseres Klimasystems speichern sie Wärme, steuern das Wetter und sind die wichtigste Kohlenstoffsenke unseres Planeten.»

Schon im März warnten Experten angesichts wärmerer Meerestemperaturen vor einer erneuten schweren Korallenbleiche am Great Barrier Reef. Seit Mai ist klar: Mehr als 90 Prozent der Riffe sind bereits betroffen. Es ist die vierte massive Bleiche seit 2016.

«Korallenbleichen wurden in allen drei Regionen des Riffs gemeldet, und das Ausmaß reicht von mäßig bis schwer», sagte Stiftungsleiterin Marsden der Deutschen Presse-Agentur. Die Korallen stoßen bei schwierigen Bedingungen die für die Färbung sorgenden Algen ab, mit denen sie sonst zusammenleben. Gebleichte Korallen sind extrem gestresst, aber - und das ist die gute Nachricht - sie leben noch. «Wenn die Ursache ihres Stresses beseitigt wird und es beispielsweise kühler wird, ist es Korallen möglich, sich zu erholen.»

Der Klimawandel ist die mit Abstand größte Bedrohung für das Great Barrier Reef und die Korallenriffe weltweit. Oft kommen aber noch andere Faktoren hinzu - so auch in Australien. «Schlechte Wasserqualität, korallenfressende Dornenkronen-Seesterne sowie Wirbelstürme und Unwetter sind ebenfalls Teil einer wachsenden Kombination von Bedrohungen», so Marsden.

In einer gemeinsamen Kraftanstrengung seien Korallenriff-Experten gemeinsam mit der australischen Regierung, Ureinwohnern und örtlichen Gemeinden damit beschäftigt, «mutige, innovative Ideen zum Schutz der Lebensräume von Korallenriffen zu entwickeln und die Auswirkungen des Klimawandels zu verlangsamen», sagte Ove Hoegh-Guldberg, Chef-Wissenschaftler der Stiftung. Es müssten nicht nur die Ursachen des Klimawandels bekämpft werden, sondern die Riffe müssten auch widerstandsfähiger gegen die Wassererwärmung gemacht werden.

«Wir können das Great Barrier Reef für kommende Generationen retten, und wir bringen die klügsten Köpfe und die beste Wissenschaft zusammen, um genau das zu tun», betonte Anna Marsden. Dabei seien bereits Durchbrüche erzielt worden. Unter anderem suchen die Forscher nach Wegen, hitzetolerantere Korallen zu züchten und Korallenbleichen durch Kühlung und Beschattung zu verhindern. Außerdem weisen Studien darauf hin, dass Korallen durch das Verabreichen von Probiotika widerstandsfähiger gegen Umweltbelastungen gemacht werden könnten. Die Mikroorganismen helfen den Nesseltieren demnach, besser mit Hitzestress umzugehen.

Das Great Barrier Reef sei zwar stark in Mitleidenschaft gezogen, aber noch lange nicht tot, betont die Marineparkbehörde (GBRMPA). «Berichte, die sich darauf konzentrieren, «wie viel vom Riff gestorben ist», implizieren Endgültigkeit», heißt es auf der Webseite. Es handele sich aber um rund 3000 Riffe, die sich über 14 Breitengrade verteilten - und somit nicht um ein einzelnes Lebewesen, sondern ein enormes Ökosystem. «Das Gebiet ist größer als Großbritannien, die Schweiz und die Niederlande zusammen.»

Riffe könnten auch schwere Schäden überstehen und sich erholen, wenn die Umweltbedingungen stabil seien und sich neue Korallenlarven ansiedelten. Die Bleichen seien zudem kein australisches Phänomen, sondern würden global beobachtet. Das bestätigt ein Blick in andere für ihre Korallengärten bekannte Länder:

SEYCHELLEN: In dem Inselstaat vor der Ostküste Afrikas sind seit den 1990er Jahren ungefähr die Hälfte der Korallenriffe durch wärmeres Meerwasser und darauf folgende Korallenbleichen geschädigt worden. Die Behörden haben seitdem stark in den Naturschutz investiert. Obwohl die Inselgruppe im Indischen Ozean weniger als ein Prozent der Landmasse Deutschlands ausmacht, ist ihr Meeresschutzgebiet nun größer als die Bundesrepublik. Durch künstliche Riffe und Korallenbesatz hat die Regierung des Urlaubsparadieses in vergangenen Jahren mit recht großem Erfolg Riffe aufgeforstet - auf vielen der 115 Inseln des Archipels können Touristen wieder gesunde und farbenfrohe Korallengärten sehen.

MALEDIVEN: Auch in dem Inselparadies vor der Südspitze Indiens finden Schnorchler oft gebleichte Korallen. Hier gab es bislang zwei besonders große Bleichen, 1998 und 2016 - zweitere ausgelöst durch das Wetterphänomen El Niño, wie es von der Weltnaturschutzunion (IUCN) hieß. Danach kam es jeweils zu Phasen der Erholung. Gleichzeitig wurden zahlreiche Projekte ins Leben gerufen, an denen sich auch die Resorts auf den Atollen beteiligen. So wurden etwa rund um die Insel Fushifaru abgebrochene Korallenfragmente neu gepflanzt. Vor dem Gili Lankanfushi Resort werden lebende Korallenfragmente an Seilen befestigt und etwa ein Jahr lang in der Lagune gepflegt, bevor sie später bei geeigneten Bedingungen an ein Riff verpflanzt werden.

THAILAND: In der Maya Bay auf Phi Phi Island fielen die Korallen weniger dem Klimawandel als vielmehr dem Massentourismus zum Opfer. Im Zuge des Hollywood-Hippie-Films «The Beach» mit Leonardo DiCaprio aus dem Jahr 2000 reisten Heerscharen von Schaulustigen an den paradiesischen Strand. Dutzende Boote zerstörten mit ihren Ankern das einst intakte Riff. Die Regierung zog die Notbremse. Nach dreieinhalbjähriger Schließung ist die Pracht seit Januar wieder zu bewundern - samt neugepflanzten Korallen und strikten Regeln, um die Natur ab sofort besser zu schützen. Kürzlich kündigte die Regierung an, die Bucht nun jedes Jahr im August und September zu schließen - um den Korallen eine Verschnaufpause zu verschaffen.

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