Auf den Hund gekommen

Man hört und liest hin und wieder, dass Touristen ein Tier aus dem Reiseland mit nach Hause nehmen. Ein lebendiges Souvenir also, einen Hund zum Beispiel, den man irgendwo aufgelesen hat und nicht mehr hergeben wollte, weil er einfach so „süß“ war.

Ein Bekannter ging noch einen Schritt weiter: Er klaute einen Hund mir nichts, dir nichts aus dem Zwinger der Besitzer und machte sich mit ihm auf und davon.

Was treibt einen an, eine solche Tat zu begehen?

Nun, wenn man die Fakten einfach so herunterspult, kommt der Mann wirklich schlecht davon.

Er ist aber ein Mensch wie du und ich und macht alljährlich zwei, drei Wochen Ferien in Sihanoukville, bei Verwandten seiner Frau. Er flaniert dort am Morgen den Strand entlang und liest die Zeitungen in wechselnden Bars. Als er in einem der Lokale zur Toilette musste, wies man ihm den Weg über den Hof in eine Ecke.

Unterwegs kam er an einem Zwinger vorbei, in welchem ein großer, völlig abgemagerter Hund saß, der ihn aus geröteten und unendlich traurigen Augen anschaute. Tierfreund, der er ist, streckte er die Hand durch das Gitter, die das Tier abzulecken begann und kaum mehr davon lassen wollte.

Es war Zuneigung auf den ersten Blick.

Der Mann steckte ihm von nun an regelmäßig heimlich etwas zu, wenn er vor Ort war. Als er wieder zurück in Hua Hin war, ließ ihn das Bild des geschundenen Tieres nicht mehr los.

Flucht aus dem Zwinger

Er mietete ein Auto, fuhr zurück nach Sihanoukville, befreite es bei Nacht und Nebel aus dem Zwinger und brachte es nach Hause, wo er es aufpäppelte, bis er von jedermann Komplimente dafür bekam.

„Was haben Sie denn da für einen tollen Hund, ein schönes Tier, wo haben Sie denn den her?“

„Aus einer Zucht in Kambodscha,“ antwortete er und fügte schmunzelnd hinzu, „das ist ein reinrassiger Bastard, sein Stammbaum reicht bis in die Khmer-Zeit zurück...“

Es ergab sich allerdings ein Problem, mit welchem der Besitzer anfänglich nicht zurechtkam und das ihn mit der Zeit bedrückte: Der Hund war nicht stubenrein zu kriegen. Es hatte sich in seinem Zwinger immer in einer Ecke entleert und gar keinen Sinn dafür entwickelt, sein Geschäft draußen zu verrichten, weil es für ihn gar kein Draußen gab.

He did it his way

Der Mann ließ sich aber etwas einfallen und schubste ihn – begleitet von mehr oder weniger harschen Worten – durch ein tiefliegendes Fenster in den Garten, gleich nachdem er hineingepisst hatte. Er wollte ihm damit klar machen, wo der Ort dafür sei und siehe, er kapierte es, allerdings auf seine Weise: Er pisste erst auf den Teppich und sprang anschließend von selbst aus dem Fenster!

Ein zweites Problem war die bedingungslose Anhänglichkeit des Hundes. Die tristen Erfahrungen, die er im Zwinger gemacht hatte und die wunderbare Rettung hatten sich tief in sein Gedächtnis eingegraben. Wenn sein Herrchen sich nur geringfügig entfernte und zum Beispiel in ein anderes Zimmer ging, begann er sofort herzzerreißend zu jaulen. Somit war auch klar, dass er ihn auf seine Segeljolle mitnehmen musste, wenn er damit einen Ausflug machen wollte. Seine Frau hielt das Gejaule zuhause nicht aus. Irgendwann überkam ihn bei einer Gelegenheit die Lust, sich im Meer abzukühlen. Er sprang ins Wasser, worauf der Hund sofort jämmerlich zu heulen begann und ihm wild wedelnd hinterher blickte. Der Mann kümmerte sich nicht gleich darum und schwamm ein Stückweit weg von der Jolle. Nun bekam der Hund vollends Panik:

Er sprang auch ins Wasser und hielt zielstrebig auf sein Herrchen zu. Als er ihn eingeholt hatte, versuchte er sich an ihm festzuhalten, was aber fatal war, weil er ihm mit den Pfoten ins Gesicht schlug und als er sich umdrehte mit den Krallen am Rücken Halt suchen wollte, den er blutig aufscheuerte.

Gene vom Seehund?

Nun geriet der Mann seinerseits in Panik und wollte sich so schnell wie möglich entfernen. Er hatte die Rechnung aber ohne den Hund gemacht: der schwamm nämlich unerwarteterweise schneller und drohte ihn wieder einzuholen. Es half nur noch ein Manöver, um ihm zu entkommen: Er musste unter der Jolle wegtauchen und sich auf der anderen Seite hochhieven, was auch gelang.

Aber wie kriegt er jetzt den Hund an Bord, welcher in grenzenloser Verzweiflung das Boot umkreiste und immer kläglichere Töne von sich gab?

Er beugte sich über die Bordkante und versuchte das Tier ins Boot zu ziehen, aber nichts ist schwerer als ein großer, durchnässter Hund – er schaffte es nur bis zur Hälfte.

Das Tier hing mit den Vorderpfoten über der Reling, es sah aus, als wäre es dort zum Trocknen aufgehängt worden und es blickte auch entsprechend aus dem Fell. So ging die Reise bis zum Hafen. Der Hund hatte von da an eine weitere Neurose: Wasserscheu.


Über den Autor

Khun Resjek lebt mit seiner thailändischen Frau und Tochter in Hua Hin. Seine Kolumne „Thailand Mon Amour“ illustriert auf humorvolle Weise den Alltag im „Land des Lächelns“ aus der Sicht eines Farang und weist mit Augenzwinkern auf das Spannungsfeld der kulturellen Unterschiede und Ansichten hin, die sich im Familienalltag ergeben. Ein Clash der Kulturen der heiteren Art, witzig und prägnant auf den Punkt gebracht.

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TheO Swisshai 04.01.21 17:31
@Dracomir Pires / Kann diese nicht verstehen
Bevor ich ein Hund hatte, konnte ich es auch nicht.verstehen. Jetzt ist mein Hund ein Teil meiner Familie.
Ich kann ihm 100% vertrauen. Er würde sein Leben geben um uns zu beschützen.
Mein Hund bellt ausschliesslich wenn Gefahr im Anzug ist. Wenn er eine Person anbellt, weiss ich mit Sicherheit, dass diese Person kein guter Mensch ist. Bis jetzt hat er sich dabei nie getäuscht.
Eine Leine brauche ich nicht, er gehorcht mir aufs Wort. Er würde niemals jemanden ohne Grund anspringen und sein Geschäft verrichtet er nur dort wo ich ihm sage. Er ist wirklich ein überaus lieber Hund, jedenfalls solange keiner vor hat bei uns einzubrechen oder uns anzugreifen.
Alles eine Sache der Erziehung.
Johann Riedlberger 03.01.21 21:41
@Dracomir Pires
Lieber Herr Pires, ich kann sie gut verstehen. Mir ging es genauso. Doch jetzt hat so ein Hund einen festen Platz in unserem Leben. Er benimmt sich gut, und hat sich üver Jahre eingeschmeichelt. Und wenn man sich über die manchmal wirklich aggressiven Strassenköter ärgert, dann auch mal daran denken wie viel mehr Schlangen one sie in Siedlungsgebieten anzutreffen wären.
PS. Meiner geht an der Leine gassi.
Dracomir Pires 03.01.21 12:45
Meine Eltern hatten auch mal ...
.. Hunde. Ich selbst bin aber kein Hundefan und kann diese auch nicht verstehen. In Hua Hin z.B. streunen Köter ohne Halsband am Strand umher. Andererseits gehen Hundehalter gerne mit ihrem Wauwau an der Leine dort hinscheiss... Den Gipfel finde ich aber, wenn Hundefalter ihre helle Freude daran haben, wenn ihre Vierbeiner Jogger und Spaziergänger anspringen. Tierliebe kann auch massiv übertrieben werden!