Atomwaffen und Raketen

 Abrüstung Nordkoreas schwerer als Iran-Deal?

Foto: epa/Jim Lo Scalzo
Foto: epa/Jim Lo Scalzo

SINGAPUR (dpa) - Nordkoreas Machthaber sieht sein Land als Atommacht. Mit dieser Haltung geht Kim in den historischen Gipfel über sein Atomprogramm mit dem US-Präsidenten in Singapur. Trump hofft auf den «Big Deal». Doch der Teufel steckt im Detail.

Es ist ein ungleiches Zusammentreffen. Hier die Supermacht USA mit Präsident Donald Trump, dort das kleine, international isolierte Nordkorea mit Machthaber Kim Jong Un. Doch Washington sieht sich durch Nordkoreas Atomwaffen bedroht. Das historische Gipfeltreffen zwischen Kim und Trump an diesem Dienstag in Singapur soll die Grundlage dafür legen, den langjährigen Konflikt zu beenden. Letztlich geht es um gegenseitiges Vertrauen und eine bis ins Detail taugliche Überprüfbarkeit der Abrüstungsschritte, die Nordkorea unternehmen soll.

Um was geht es bei dem Gipfeltreffen?

Im Mittelpunkt steht eine Lösung des Streits um das nordkoreanische Atomprogramm. Die bisherigen Lösungsansätze sind gescheitert. Dazu zählt auch das sogenannte Rahmenabkommen von 1994. Damals verpflichtete Nordkorea sich in Verhandlungen mit den USA lediglich, seine Nuklearprogramme einzufrieren. Keine Lösung brachten auch die Abrüstungsvereinbarungen bei multilateralen Gesprächen. Es geht nicht nur um Atomwaffen, sondern auch um die Grundlage für einen dauerhaften Frieden auf der koreanischen Halbinsel.

Was meint Nordkorea, wenn es von atomarer Abrüstung redet?

Nordkorea versteht sich erstmal als stolzer Atomwaffenstaat. Als Kim im April überraschend die Aussetzung der Atom- und Raketentests verkündete, sagte er, das Ziel, eine Atomstreitmacht aufzubauen, sei nun abgeschlossen. Die «atomare Abrüstung» solle im Rahmen der Bemühungen erfolgen, weltweit Atomwaffen abzuschaffen. Von einer Aufgabe seines Atomwaffenarsenals war zunächst nicht die Rede. Ob Kim von Trump fordern wird, dass die USA ihren nuklearen Schutzschild für ihre Verbündeten Südkorea und Japan abzieht, ist unklar.

Nordkorea sagt immer, die USA müssten ihre «feindselige Politik» einstellen. Was ist damit gemeint?

Nordkorea will ein Ende der politischen, sicherheitstechnischen und wirtschaftlichen Konfrontation. Politisch will Nordkorea diplomatische Beziehungen zu den USA. Da der Kriegszustand seit dem Ende des Koreakrieges 1953 völkerrechtlich nie beendet wurde, wäre ein Friedensvertrag nötig, um die Sicherheitsbedürfnisse zu befriedigen. Wirtschaftlich geht es vor allem um ein Ende der Sanktionen gegen Pjöngjang. Nordkorea schlägt ein «synchrones» und «phasenweises» Vorgehen vor.

Wovon sprechen die USA, wenn sie von «Denuklearisierung» sprechen?

Die USA wollen einen «kompletten, überprüfbaren und unumkehrbaren» Abbau des nordkoreanischen Atomprogramms - und alles möglichst bald. Die USA wollen, dass Pjöngjang nicht nur seine Atomwaffen zerstört. Auch die Interkontinentalraketen sowie jene Raketen mit kürzerer Reichweite, die zwar nicht die USA, aber Südkorea oder Nachbarn wie Japan treffen können, sollen beseitigt werden. Im Kern geht es den USA und ihren Alliierten auch darum, Nordkorea die Basis dafür zu entziehen, in Zukunft atomwaffentaugliches Material und damit Atomwaffen überhaupt produzieren zu können.

Wäre die atomare Abrüstung Nordkoreas schwerer als der Iran-Deal?

Es wäre nach Expertenansicht das komplizierteste Abrüstungsabkommen, das je verhandelt worden ist. Dagegen sei das Abkommen zur Verhinderung einer iranischen Atombombe ein «Kinderspiel» gewesen. Es gibt keine historischen Beispiele - weder für die atomare Abrüstung noch für das Entgegenkommen der USA, was Sicherheitsgarantien oder andere Anreize angeht. Der amerikanische Nordkorea-Kenner und Atomwaffenexperte Siegfried Hecker schrieb zusammen mit einem Team der Universität Stanford in einem Gutachten, die atomare Abrüstung könne sich über einen Zeitraum von bis zu 15 Jahren erstrecken.

Bilaterale Verhandlungen könnten aber auch rascher den Weg für einen «Big Deal» ebnen, von dem Trump sprach. Die Vorgespräche mit Nordkorea liefen aus US-Sicht besser als erwartet. «Wir erwarten, dass sie zu einem logischen Ergebnis kommen, schneller als wir erwartet hatten», sagte Außenminister Mike Pompeo am Montag in Singapur.

Kann es eine Vereinbarung auf dem Gipfel zwischen Trump und Kim geben?

Der US-Präsident hat die Erwartungen schon niedrig gehängt, indem er vom Anfang eines Prozesses spricht. Nordkoreas Machthaber wird sich kompromissbereit zeigen müssen, wenn er die strengen Sanktionen loswerden will. Im besten Fall wird ein Prozess angestoßen, im schlimmsten Fall endet er auf dem Gipfel. Dann würde auch ein militärischer Konflikt wieder näherrücken.

Wie könnte eine Lösung aussehen, die realistisch ins Auge gefasst werden könnte?

Idealerweise wird irgendwie ein Anfang gemacht. Es könnte eine vorübergehende Vereinbarung angestrebt werden, bei der Nordkorea einen kleineren Teil seiner atomaren Sprengköpfe oder anderweitig nukleare Fähigkeiten abgibt. Im Gegenzug müssten die USA und die Vereinten Nationen die Sanktionen lockern. Auch könnten die USA, die keine Botschaft in Nordkorea unterhalten, zumindest eine Ständige Vertretung in Pjöngjang einrichten.

Wie könnte es weitergehen, braucht es nicht Inspektionen?

Ja, im großen Maße sogar. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien müsste ein ganzes Heer losschicken, um alle Aktivitäten in den Atomeinrichtungen Nordkoreas zu untersuchen - egal, ob das Land einen Teil seiner Atomwaffen behalten darf oder alle beseitigen will. Nordkorea müsste alle seine Atomanlagen offenlegen und Inspekteure hereinlassen - für den verschlossenen Staat eine schwer vorstellbare Transparenz.

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Thomas Sylten 12.06.18 22:48
Immer wieder frappierend zu sehen, wie neben einem Präsidenten Trump sogar ein Kim Yong Un staatsmännisch seriös wirkt. Jedenfalls sind die Erwartungen Kims an den Gipfel weitaus nachvollziehbarer und sogar sympathischer (beidseitige Sicherheitsgarantien, wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit) als das Ziel einer (völlig naiven) bedingungslosen Unterwerfung, welches die Trump-Truppe sich vorstellt.
Immerhin: den Nachrichten nach ist ein Anfang gemacht - erwartbar unkonkret, aber (hoffentlich) gutwillig und ausbaubar..