Athen konfrontiert Steinmeier mit Reparationsforderungen

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besucht zusammen mit Nikolaos Panagiotopoulos, griechischer Minister für Migration und Asyl. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besucht zusammen mit Nikolaos Panagiotopoulos, griechischer Minister für Migration und Asyl. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

ATHEN: Athen verlangt von Berlin seit langem Reparationen für Kriegsschäden und das Rückzahlen eines Zwangskredits an NS-Deutschland. Überraschend laut wird dies ein Thema beim Besuch des Bundespräsidenten.

Vielleicht lag es an der Wärme im Arbeitszimmer von Katerina Sakellaropoulou, wahrscheinlich aber eher an ihren Ausführungen. Jedenfalls kam Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sichtbar ins Schwitzen, als die griechische Präsidentin nach nur zwei Minuten auf ein besonders heikles Kapitel in den beiderseitigen Beziehungen zu sprechen kam: die im Zweiten Weltkrieg erlittenen Schäden ihres Landes und die an Hitler-Deutschland gezahlte Zwangsanleihe.

Das Problem der Kriegsentschädigungen und der Zwangsanleihe habe für das griechische Volk noch immer «eine sehr große Bedeutung», sagte Sakellaropoulou. «Ein Problem, das immer noch in der Schwebe ist», fügte sie hinzu.

Das im Zweiten Weltkrieg von der Wehrmacht eroberte Griechenland fordert seit langem eine Wiedergutmachung für die Kriegsschäden und eine Rückzahlung des Zwangskredits durch Deutschland. Dabei handelt es sich um eine Größenordnung - je nach Rechenweise - zwischen 278 und 341 Milliarden Euro.

Steinmeier nennt Reparationsfrage völkerrechtlich abgeschlossen

Steinmeier bekannte sich zur deutschen Verantwortung für die «Grausamkeiten» vor und während des Zweiten Weltkrieges, betonte aber: «In der von Ihnen angesprochenen Rechtsfrage vertreten wir eine andere Auffassung. Sie wissen, dass Deutschland die Rechtsfrage der Reparationen für völkerrechtlich abgeschlossen hält. Aber gleichwohl stehen wir zu unserer historischen und moralischen Verantwortung.»

Der Bundespräsident erinnerte an das deutsche Engagement für den Bau eines Holocaust-Museums in Thessaloniki und an von Deutschland vorangetriebene Projekte wie den deutsch-griechischen Jugendaustausch und den Zukunftsfonds. Er nannte die deutschen Verbrechen in Griechenland «ein schwieriges Thema, das in der Gegenwart unserer Beziehungen noch immer eine Rolle spielt, dem wir nicht ausweichen dürfen, deshalb widme ich ihm auch Raum während dieses Besuches».

Auch Ministerpräsident spricht Thema an

Auch als Steinmeier anschließend mit Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis zusammentraf, kam das Thema kurz zur Sprache. Das Thema der Wiedergutmachung und besonders der Zwangsanleihe sei «noch sehr lebendig für Griechenland», sagte dieser. «Und wir hoffen, dass wir es irgendwann einmal lösen werden können.» Steinmeier erwiderte darauf im öffentlichen Teil des Treffens nichts mehr. Stattdessen lobte er die ökonomische Entwicklung Griechenlands seit der Finanzkrise und zeigte sich erfreut, dass das Land wieder auf einen wirtschaftlichen Wachstumspfad zurückgefunden hat.

Griechenlands Präsidentin nutzte aus, dass die Journalistinnen und Journalisten, die über Steinmeiers Besuch berichten, bei den Eingangsstatements anwesend sein durften - was ausgesprochen unüblich war. Offenbar wollte sie das Thema, das in der griechischen Öffentlichkeit derzeit kaum eine Rolle spielt, gezielt lancieren. Möglicherweise hatte sie dabei auch ihre angestrebte Wiederwahl im kommenden Jahr im Blick.

Steinmeier war zwar darauf vorbereitet, dass die Reparations- und Staatsanleihenfrage bei seinem dreitägigen Besuch in Griechenland thematisiert werden würde. Er ging aber nicht davon aus, dass ihn Präsidentin Sakellaropoulou so öffentlich darauf ansprechen würde. Vielmehr rechnet er damit, dass dies ein Thema an diesem Donnerstag bei seinem Besuch des Dorfes Kandanos auf Kreta werden wird, das im Juni 1941 von den deutschen Besatzern vollständig zerstört wurde.

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