Aserbaidschan feiert Vormarsch

Präsident von Aserbaidschan Ilham Alijew hält eine Rede. Foto: epa/Claudio Peri
Präsident von Aserbaidschan Ilham Alijew hält eine Rede. Foto: epa/Claudio Peri

ERIWAN/BAKU: Zum ersten Mal bestätigen Armenien und Berg-Karabach Gebietsverluste und einen teilweisen Rückzug in der umkämpften Südkaukasusregion. Aserbaidschan feiert den Vormarsch. Wird das öl- und gasreiche Land das abtrünnige Gebiet bald komplett zurückerobern?

Bei Kämpfen um die Südkaukasusregion Berg-Karabach hat Aserbaidschan erneut mehrere Ortschaften eingenommen. Der Anführer der umkämpften Region, Araik Arutjunjan, teilte am Mittwoch mit, dass es Aserbaidschan gelungen sei, die Front tief in das Konfliktgebiet zu verschieben. Armenien bestätigte, dass das aserbaidschanische Militär Gebiete unter seine Kontrolle gebracht habe. Es war die erste offizielle Bestätigung dieser Art.

Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev gab im Kurznachrichtendienst Twitter bekannt, dass das Militär acht Dörfer zurückerobert habe. Die Behörden in der Hauptstadt Baku sprechen von nun insgesamt 45 Ortschaften, die sie wieder unter ihre Kontrolle gebracht hätten. Armenien und Berg-Karabach hatten das bestritten. Jetzt bestätigten sie den teilweisen Rückzug.

In Aserbaidschan kam es zuletzt auch zu spontanen Freudenfesten mit Feuerwerk auf den Straßen, wie das Staatsfernsehen zeigte. Die armenische Seite beklagt Hunderte Tote in den eigenen Reihen. Die aserbaidschanische Seite spricht von 43 getöteten Zivilisten, Angaben zu getöteten Soldaten machte Baku nicht.

Der neue Krieg um Berg-Karabach hatte am 27. September begonnen. Die beiden Ex-Sowjetrepubliken kämpfen seit Jahrzehnten um die bergige Region, in der rund 145.000 Menschen leben. Berg-Karabach wird von Armenien kontrolliert, gehört aber völkerrechtlich zum islamisch geprägten Aserbaidschan.

In einem Krieg nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor rund 30 Jahren verlor Aserbaidschan die Kontrolle über das Gebiet. Es wird von christlichen Karabach-Armeniern bewohnt. Seit 1994 galt eine brüchige Waffenruhe. Die Türkei steht in dem Konflikt auf der Seite Aserbaidschans, während Armenien Russland als Schutzmacht sieht.

Dem türkischen Fernsehsender Haber Turk sagte Aliyev, dass die Militäroffensive weitergehe. Er hatte zuletzt mehrfach beklagt, dass die seit rund drei Jahrzehnten laufenden Verhandlungen zur friedlichen Lösung des Konflikts nichts gebracht hätten. Der autoritäre Staatschef des öl- und gasreichen Landes hatte das Militär in den vergangenen Jahren hochgerüstet und immer wieder damit gedroht, Berg-Karabach mit Gewalt zurückzuholen. Aliyev bekräftigte zudem, dass die Türkei als Bruderstaat Aserbaidschans eine größere Rolle bei der Lösung des Konflikts spielen solle.

Auch Kremlchef Wladimir Putin setzt auf die Türkei. Dringend notwendig seien gemeinsame Anstrengungen, teilte der Kreml mit. Nur so könne das Blutvergießen beendet werden. Putin äußerte sich nach einem Telefonat mit seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan.

Es sei «die Hoffnung geäußert» worden, dass die Türkei im Rahmen der so bezeichneten Minsker Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) «einen konstruktiven Beitrag zur Deeskalation des Konflikts leisten wird». In diesem Format wird seit langem in dem jahrzehntealten Konflikt vermittelt.

In Moskau erneuerte Außenminister Sergej Lawrow das Angebot, russische Friedenssoldaten in der Region einzusetzen. Allerdings müssten Eriwan und Baku zustimmen. Staatschef Aliyev meinte, dass darüber gesprochen werden könne, wenn Aserbaidschan in Berg-Karabach wieder das Sagen habe und der neue Status dann gesichert werden müsse. Internationale Aufrufe, sich an die am Samstag unter russischer Vermittlung vereinbarte Waffenruhe zu halten, liefen bisher ins Leere.

Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu forderte seine Kollegen David Tonojan in Eriwan und Zakir Hasanov in Baku auf, die Verpflichtungen auf ein Ende der Kampfhandlungen vom 10. Oktober in vollem Umfang zu erfüllen. Das Verteidigungsministerium in Baku teilte mit, eine Raketenanlage auf armenischem Gebiet zerstört zu haben. Daraufhin drohte das Ministerium in der armenischen Hauptstadt Eriwan mit Angriffen auf aserbaidschanische Gebiete.

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