ERIWAN/BAKU: Im Konflikt um Berg-Karabach im Südkaukasus hat Armenien dem Nachbarland Aserbaidschan Grenzverletzungen vorgeworfen. Nun wächst die Sorge, dass es nach dem Krieg im vergangenen Herbst mit Tausenden Toten erneut zu einer Eskalation kommen könnte. Der russische Präsident Wladimir Putin rief beide Seiten deshalb dazu auf, den im November vereinbarten Waffenstillstand einzuhalten, wie der Kreml am Freitag in Moskau mitteilte. Russland wolle seine Bemühungen um Vermittlungen fortsetzen. Putin hatte zuvor mit dem amtierenden armenischen Regierungschef Nikol Paschinjan telefoniert.
Armenischen Angaben zufolge haben aserbaidschanische Truppen im südlichen Gebiet Sjunik Anhöhen besetzt, die Armenien als eigenes Territorium ansieht. Aserbaidschan hingegen versicherte, dass in dem Hochgebirgsgebiet nach der «Verbesserung der Wetterbedingungen» die eigentliche Grenze zum westlichen Nachbarstaat gesichert werde.
In sozialen Netzwerken kursierten Videos, die Uniformierte bei Baumaßnahmen zeigen. Paschinjan sprach von einer «subversiven Infiltration». Er habe Putin darüber informiert, dass Armenien Beratungen zu dem Vorfall bei der von Russland dominierten Organisation für kollektive Sicherheit beantragen werde, teilte Paschinjans Büro mit. Russland ist Armeniens Bündnispartner.
Nach Angaben von Kremlsprecher Dmitri Peskow hat Paschinjan Russland nicht um Unterstützung gebeten, wie die Agentur Interfax meldete.
Auch Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron telefonierte mit Paschinjan. Aus dem Élyséepalast in Paris hieß es danach, aserbaidschanische Truppen müssten sich vom armenischen Gebiet zurückziehen. Frankreich unterstütze die territoriale Unversehrtheit des Landes, hieß es. Russlands Außenminister Sergej Lawrow sprach zudem mit seinem aserbaidschanischen Kollegen Jeyhun Bayramov.
Bei dem jüngsten Krieg vom 27. September bis 9. November um Berg-Karabach hatte sich Aserbaidschan weite Teile des Anfang der 1990er Jahre verlorenen Gebiets zurückgeholt. Mehr als 6000 Menschen starben bei den Kämpfen. Russland hatte zwischen den beiden verfeindeten Ländern einen Waffenstillstand vermittelt. In Armenien kam es danach zu einer politischen Krise. Am 20. Juni soll es nun vorgezogene Parlamentswahlen geben. Der unter Druck geratene Paschinjan war zurückgetreten, um erneut zu kandidieren.