Angst - Weltweit

Angst - Weltweit

Carlos hat gelesen: Nach ernstzunehmenden Berechnungen kann statistisch alle 100.000 Jahre ein Atom-GAU geschehen. Aber das alles geschah in den letzen Jahren: Majak, Shellafield, Harrisburg, Tschernobyl, Forrsmark, Fukushima. Demnach ist Carlos jetzt statistisch mindestens 600.000 Jahre alt. Und im Radio singt Peter Maffay "Über sieben Brücken musst du gehn…" - "…Sieben mal wirst du die Asche sein. Aber einmal auch der helle Schein." Brücken-Energie? Verbrannt, verstrahlt, schon nach der ersten Brücke. Apokalypse now: Fukushima.

Und die Regierung in Thailand verkündet gerade, die ersten Atomkraftwerke in diesem Land bauen zu wollen. Damit liegt sie weltweit im Trend, vergisst dabei aber, dass sie gemeinsam mit Myanmar mitten in von Erdbeben bedrohtem Gebiet liegt. Noch vor wenigen Tagen fielen in Bangkok die Gläser aus den Schränken, und es ist keinesfalls ausgemacht, dass ein weiterer Tsunami nur den Süden Thailands verwüsten würde.

Auch der Golf von Thailand ist bedroht und damit auch Pattaya. Vielleicht war das, was wir in den vergangenen Wochen am nördlichen Teil des Wongamatstrandes erlebten, nur der Anfang. (Lesen Sie dazu FA 07/2011, Seite 15), nur der Anfang. Fast alle Länder wollen ihre AKWs aufrüsten und nachrüsten. Nur Deutschland reagiert angeblich hysterisch. Kaum hat man hier die Laufzeiten verlängert, schwenkt die CDU ein auf ein dreimonatiges Moratorium für sieben Kernkraftwerke, die gestern noch absolut sicher waren, heute aber ein unkontrollierbares Risiko darstellen. Was ist zwischenzeitlich anders geworden? Ach ja: Landtagswahlen standen vor der Tür, und die Umfragen standen nicht zum Besten. Dass die deutsche Regierung gleichzeitig Export-Bürgschaften für den Bau des brasilianischen AKWs Angra 3 übernimmt, gehört wohl in das Ministerium "Trallalla" – oder geht es nur ums Geschäft?

Wer glaubt den Politikern noch?Unversöhnlich stehen sich Atombefürworter und Atomgegner gegenüber. Sauberkeit, Klimaschutz und günstige Erstehungskosten sind die Argumente der Anhänger dieser Atompolitik. Hochrisiko und ungesicherte Abfallbeseitigung, mit der noch Tausende Generationen leben und zahlen müssen, sind für die Gegner Anlass genug, um sich mit allen Kräften gegen diesen "Wahnsinn", wie sie es nennen, zu stemmen. Weltweit ziemlich erfolglos, denn das Totschlag-Argument lautet stets: Auch Autos töten Menschen. Hat man deshalb etwa Autos verboten? Vielleicht muss wirklich erst ein GAU passieren und ein ganzes Volk auslöschen, bis die Politiker, Wirtschaftskapitäne und Atombefürworter erkennen, welches Risiko sie mit ihren AKWs eingegangen sind.

Tatsache ist: Die Bevölkerung glaubt den Politikern schon längst nicht mehr, weder in Tokio, noch in den USA oder in Deutschland. Und auch in Thailand hält sich die Begeisterung in Grenzen. Die internationale Atom-Lobby regiert, beschwichtigt, vernebelt und verdient. Und wenn es schief geht, zahlt immer der Steuerzahler, im Zweifelsfall auch mit seinem Leben. Ein Erdbeben, ein Tsunami, ein Versagen der Akkus, das waren doch nicht vorhersehbare Umstände. Oder? Ansonsten war doch alles sicher. Menschliches Versagen war sowieso ausgeklammert. In Carlos krampft sich alle Wut zusammen: Diese Kommerzherren, die sich genug auf ihr Konto überwiesen haben, die auch im Ernstfall wissen, wo sie sicher überleben können, die spielen mit unserem Leben. Heute wissen wir noch nicht, wie es weiter geht in Fukushima, aber wir wissen, dass die ganze Welt voller Angst nach Japan blickt, auf dieses seit Hiroshima gebeutelte Land. Und alle blicken auf die Wetterkarte: Wohin bläst der Wind die radioaktiven Wolken? Was können wir noch essen? Was können wir noch trinken? Angst. Angst überall.

Mein Freund Alexander hat, als er von dem Störfall in Japan hörte, die nächste Maschine nach München genommen. Wahrscheinlich war ihm nicht klar, dass es an der westlichen Grenze von Deutschland 58 Atomkraftwerke gibt, älter, störanfälliger und viel gefährlicher als die AKWs in Japan. Sollte in Cattenom, direkt an der französisch-deutschen Grenze, etwas geschehen, wäre er eines der ersten Opfer. Frau Merkel sagt nicht ganz zu Unrecht: "Was nützt es, wenn wir in Deutschland alle AKWs abschalten, wir aber gleichzeitig von allen Seiten umzingelt sind von Anlagen, die älter und störanfälliger sind als unsere"? Carlos meint, wenn einer nicht den Anfang macht, dann wird nie etwas daraus. Alle großen Entwicklungen in der Welt begannen mit einem kleinen Schritt.

Das "Rest-Risiko" gibt uns den RestDie Verantwortlichen halten die Wahrheit über die Gefahren zurück. Erst Jahre später erfährt die Öffentlichkeit über Beinahe-Katastrophen, von denen es mehr gab, als bis heute bekannt ist. Kriminell, aber wahr! Gleichzeitig wollen immer mehr Länder ihre Atomkapazitäten ausbauen für eine strahlende Zukunft: Sauber, preiswert und hochrentabel für die Betreiber. Und das Restrisiko? Das ist so etwas, das der Menschheit den Rest gibt.

Carlos meint: Was irgendwann passieren kann, das passiert auch irgendwann. Garantiert!

Vielleicht wird die Erde danach aufblühen, wenn die Menschheit untergegangen ist. Vielleicht erblüht ein neues Paradies. Dafür bedarf es keiner Menschen.

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Leserkommentare

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