An Bord der Extrem E

Der Leiter der Formel-E-Rennserie, Alejandro Agag, nimmt an einer Pressekonferenz teil. Foto: epa/Yuri Kochetkov
Der Leiter der Formel-E-Rennserie, Alejandro Agag, nimmt an einer Pressekonferenz teil. Foto: epa/Yuri Kochetkov

AL-ULA: Der Motorsport wird immer grüner. Eine neue Rennserie will nun auf die zerstörerischen Folgen des Klimawandels hinweisen. Im Grunde will die Extrem E aber die Umwelt retten. Ernsthaft?

Die RMS St. Helena ist ein riesiges Aushängeschild. Das wissen natürlich die Macher der neuen Motorsportserie Extrem E und setzen auf die Macht der Bilder. Ein ehemaliges Postschiff, das Tausende Kilometer durch die Meere pflügt und als schwimmendes Fahrerlager unweit der jeweils fünf Offroad-Etappen anlegt, hat genau das richtige Format. Denn die Extrem E mit ihren vollelektrischen SUVs will auch mit Hilfe der Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton und Nico Rosberg viel Aufmerksamkeit erzeugen. Für die zerstörerischen Folgen des Klimawandels. Für die Bewahrung der Umwelt. Und natürlich für sich selbst.

«Wir glauben, dass der Motorsport wirklich etwas für die Umwelt tun kann», sagte Seriengründer Alejandro Agag, der sich auch die vollelektrische Formel E ausgedacht hat, englischen Medien vor dem Auftakt an diesem Wochenende in Saudi-Arabien. «Viel mehr Menschen sehen sich zum Beispiel Motorsport als Dokumentationen über die Umwelt an.» Motorsport könne ein «sehr starkes Werkzeug» sein, um eine Botschaft von den bereits «gefährdetsten und beschädigtsten Ecken des Planeten» zu senden.

Welche Botschaft soll vom sogenannten X Prix rund um die Oasenstadt Al-Ula ausgehen? Die Elektro-SUVs wollen auf die Verödung von Landstrichen infolge von Dürreperioden und Wasserknappheit hinweisen. Der X Prix des Amazonas im Oktober wiederum, der auf bereits beschädigtem Gebiet am Ufer des Stroms ausgetragen werden soll, will vor Abholzung und Waldbränden warnen. Rennfahren in hochsensiblen Ökosystemen - ergibt das irgendeinen Sinn?

«Man muss erstmal Co2 erzeugen, um das Co2 für immer loszuwerden», meinte Agag, der früher im Europäischen Parlament saß. «Leute werden nichts bewirken, wenn sie im Bett liegen bleiben und sagen: 'Wenn ich im Bett liege, erzeuge ich keine Emissionen'.»

Die Ökowelle hat den Motorsport längst erfasst. Da ist die Formel E, die 2014 mit dem Ziel antrat, den Klimawandel durch den schnelleren Umstieg auf Elektrofahrzeuge zu bekämpfen, aber auch trotz grünen Siegels extrem ressourcenintensiv ist. Oder auch die Formel 1, die trotz PS-Prahlerei bis 2030 klimaneutral sein will.

Allerdings: In Audi und BMW ziehen sich zwei große deutsche Autobauer nach dieser Saison wieder aus der Formel E zurück. Die Möglichkeiten des Technologietransfers habe die BMW Group bei der Entwicklung von E-Antrieben im Wettbewerbsumfeld der Formel E inzwischen im Wesentlichen ausgeschöpft, begründete das Unternehmen im Vorjahr.

Die Extrem E will im Kampf gegen den Klimawandel lokale Projekte unterstützen, zum Beispiel sollen Bäume gepflanzt und Strände aufgeräumt werden. Man wolle die Orte «in einem besseren Zustand verlassen», als man sie vorfindet, kündigte Rosberg an, der neben dem aktuellen Formel-1-Titelträger Hamilton zu den Teamgründern zählt.

«Die Serie ist eine großartige Möglichkeit, nicht nur das Bewusstsein zu schärfen, sondern auch zum Handeln im Kampf gegen den Klimawandel zu inspirieren», meinte Rosberg.

Wovon lässt sich Saudi-Arabien inspirieren? Kritiker werfen dem Land vor, mit großen Sportereignissen sein Image polieren zu wollen. Ende des Jahres macht dort auch die Formel 1 erstmals Station. Der autoritär regierte Wüstenstaat geht mit äußerster Härte gegen Kritiker vor. Fast nirgendwo auf der Welt sind die Frauen- und Menschenrechte so stark eingeschränkt wie in dem Golfstaat.

An den Pisten selber - ob Al-Ula oder am Amazonas - werden keine Zuschauer sein, die Events werden online und via TV übertragen. Ob Fans aus dem PS-Umfeld durch die Inszenierung spektakulärer Bilder zum Schutz der Natur bekehrt werden, ist eine andere Frage.

Der Koloss St. Helena ist jedenfalls schon Mitte Februar aufgebrochen. An Bord: eine Forschungsstation und natürlich die Autos sowie die Ausrüstung. «Ich hatte schon immer eine Vorliebe für den Ozean», erzählte Agag, der vom Dokumentarfilmer Jacques Cousteau inspiriert wurde, der wiederum für die einen ein visionärer Umweltschützer, für die anderen ein gewissenloser Filmemacher ist.

Cousteau habe ihn jedenfalls mit «Calypso» zum Träumen gebracht, dem legendären Forschungsschiff. «Mein Traum ist, dass die St. Helena die neue Calypso des 21. Jahrhunderts wird», äußerte Agag. Extrem ehrgeizig. Ach ja: Die Teams der Serie wählten zur Anreise nicht den langen Seeweg, sondern den Flieger.

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