Amy Coney Barrett: Konservative Richter-Kandidatin alarmiert Liberale

Richterin Amy Coney Barrett und Donald Trump, Präsident der USA, sprechen auf einer Pressekonferenz im Rosengarten des Weißen Hauses. Foto: Alex Brandon/Ap/dpa
Richterin Amy Coney Barrett und Donald Trump, Präsident der USA, sprechen auf einer Pressekonferenz im Rosengarten des Weißen Hauses. Foto: Alex Brandon/Ap/dpa

WASHINGTON: Die US-Richterin Ruth Bader Ginsburg war eine Ikone der Liberalen. Für ihren Platz wurde nun eine konservative Juristin nominiert. Amy Coney Barrett machte sich einen Namen als Professorin an einer katholischen Universität.

Mit Amy Coney Barrett soll eine konsequent konservative Juristin ins Oberste Gericht der USA einziehen. Und eine, die sich bereit gezeigt hat, mit bisherigen Auslegungen der US-Verfassung zu brechen. Diese Position könnte entscheidend werden, sollten bei einem von Konservativen dominierten Supreme Court erneut Verfahren zum Beispiel zur Rechtmäßigkeit von Abtreibungen oder gleichgeschlechtlicher Ehen landen. Beides gilt als wahrscheinlich.

Die Überzeugung, die Liberale alarmiert, formulierte Barrett in einem Artikel aus dem Jahr 2013: «Ich neige dazu, denen zuzustimmen, die sagen, dass eine Richterin der Verfassung verpflichtet ist - und dass es für sie legitimer ist, ihr Verständnis der Verfassung durchzusetzen, statt eine Präzedenzfall-Entscheidung, die ihr aus ihrer Sicht widerspricht.»

Nach der Nominierung sagte Barrett, dass sie zur Philosophie des 2016 verstorbenen erzkonservativen Richters Antonin Scalia stehe, dem Wortlaut von Gesetzen zu folgen. «Ich liebe die Vereinigten Staaten und ich liebe die Verfassung der Vereinigten Staaten.» Sie stellt sich auf Widerstand ein: «Ich habe keine Illusionen, dass der Weg vor mir einfach sein wird, weder auf kurze, noch auf lange Sicht.»

Barrett tritt seit Jahrzehnten als überzeugte Katholikin in Erscheinung. Deswegen ging es schon 2017 bei der Anhörung für ihren aktuellen Richterposten an einem Berufungsgericht mehr als einmal um die Frage, ob der Glaube ihre Entscheidungen beeinflussen könnte.

«Ich sehe keinen Widerspruch zwischen einem aufrichtigen Glauben und meinen Pflichten als Richterin», sagte Barrett damals. «Ich würde meine persönlichen Überzeugungen nie dem Gesetz aufzwingen.» Ein Richter dürfe niemals aus dem Wunsch heraus entscheiden, ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen.

Einige Senatoren - Demokraten und Republikaner - gaben zu bedenken, dass die eigenen Erlebnisse und Ansichten unweigerlich auch Entscheidungen beeinflussten. Die demokratische Senatorin Diane Feinstein bezeichnete Barrett als «kontrovers»: «Das Dogma lebt lautstark in Ihnen - und das macht besorgt, wenn Sie an große Themen herantreten sollten, für die viele Menschen in diesem Land jahrelang gekämpft haben.»

Zu diesen Themen gehören das Recht auf Abtreibungen und gleichgeschlechtliche Ehen. Das Oberste Gericht entschied jeweils 1973 und 2015, dass sie von der US-Verfassung gewährleistet werden. Den Erzkonservativen in Amerika sind sie ein Dorn im Auge.

Bei ihrer Anhörung 2017 wich Barrett allen Fragen aus, ob sie mit den Entscheidungen des Obersten Gerichts zu den Streitthemen einverstanden sei. Das sei egal, weil sie als Berufungsrichterin der Rechtsprechung des Supreme Court folgen müsse. «Im Bezug auf gleichgeschlechtliche Ehen werden meine Überzeugungen überhaupt keine Rolle spielen», sagte Barrett. Bei ihrer anstehenden Befragung im Senat dürften diese Fragen nun erneut aufkommen.

Die Demokraten sehen das Vermächtnis der liberalen Richterin Ruth Bader Ginsburg bedroht, deren Nachfolgerin Barrett werden soll. Sie werde «fast alles rückgängig machen, was Ruth Bader Ginsburg erreicht hat», warnte der demokratische Minderheitsführer im Senat, Chuck Schumer.

In ihren drei Jahren als Berufungsrichterin beschäftigte sich Barrett mit einigen kontroversen Fällen. So widersprach sie 2019 der Entscheidung ihres Gerichts, dass es rechtmäßig sei, verurteilten Straftätern den Waffenbesitz zu verbieten. Barrett argumentierte, eine solche pauschale Regel mache den zweiten Zusatzartikel zur US-Verfassung, der Waffenbesitz gesetzlich verankert, «zu einem Recht zweiter Klasse». Stattdessen sollte das Verbot nur für Personen gelten, die gefährlich seien.

Barretts Berufungsgericht befasste sich mehrfach mit Verfahren rund um Abtreibungen. Sie schloss sich der Mehrheitsentscheidung an, die eine Regelung in Chicago bestätigte, wonach Abtreibungsgegner Frauen nicht vor Kliniken ansprechen dürfen. Nachdem eine Kammer aus drei Richtern ein Gesetz aus dem Bundesstaat Indiana für verfassungswidrig erklärte, wonach junge Frauen vor einer Abtreibung ihre Eltern informieren mussten, sprach sie sich dafür aus, den Fall vom kompletten Gericht hören zu lassen - wurde aber überstimmt.

Barrett wuchs in einem Vorort von New Orleans auf. Jura studierte sie unter anderem an der katholischen Privatuniversität Notre Dame. Bis zur Berufung ans Berufungsgericht war sie dort Professorin. Schon 1998 fiel Barrett mit einem Artikel auf, der argumentierte, dass katholische Richter sich zurückziehen sollten, wenn sie in einem Fall einen Widerspruch zu ihrem Glauben sehen - wie etwa Entscheidungen zur Todesstrafe. Daran glaube sie weiterhin, sagte Barrett 2017.

Oft aufgegriffen wurde auch eine Ansprache von 2006. Damals gab Barrett Notre-Dame-Absolventen auf den Weg, deren juristische Karriere sei ein Mittel zum Zweck, «das Königreich Gottes aufzubauen». «Wenn Sie in Erinnerung behalten können, dass Ihr grundlegendes Ziel im Leben nicht ist, Jurist zu sein, sondern Gott zu lieben, zu kennen und zu dienen, werden Sie wahrhaft eine andere Art Jurist sein.»

Barrett ist mit einem früheren Staatsanwalt verheiratet und hat sieben Kinder, zwei davon adoptiert aus Haiti. Sie gehört der Glaubensgruppe «People of Praise» an, die in den 70er Jahren von Notre-Dame-Absolventen gegründet wurde. Einige frühere Mitglieder behaupteten, zur Ideologie von «People of Praise» gehöre eine untergeordnete Rolle von Frauen. Die Gruppe weist das zurück.

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