Als Banker vom «Seppi» zum «Joe»: Reizfigur Josef Ackermann

Foto: Freepik/Vaksmanv
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FRANKFURT/ZÜRICH: Als Chef der Deutschen Bank präsentierte er manchen Rekordgewinn, in der Finanzkrise wurde er zum gefragten Berater der Politik. Doch es gibt auch reichlich Kritik an Josef Ackermanns Wirken. Der bald 75 Jahre alte Manager scheint mit sich selbst im Reinen.

Eigentlich sagt Josef Ackermann gerne frei heraus, was ihm wichtig und richtig erscheint. Das sei «vielleicht typisch schweizerisch», erklärt der ehemalige Chef der Deutschen Bank in einer im März 2022 ausgestrahlten ZDF-Dokumentation. Doch zu seinem 75. Geburtstag am kommenden Dienstag (7. Februar) will sich der Manager, der viele Jahre auf der großen Weltbühne agierte und bisweilen die Massen reizte, nicht öffentlich äußern.

Für ein Jahrzehnt (Mai 2002 - Mai 2012) stand der Schweizer als Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank im Rampenlicht wie kaum ein anderer Manager in Deutschland. Buhmann oder Staatsmann? Saulus oder Paulus? Ackermanns Wirken wird sehr kontrovers bewertet.

Als der Investmentbanker im Mai 2002 als erster Ausländer auf den Chefposten bei der Deutschen Bank befördert wird, ist Deutschlands führendes Geldhaus in der Bankenwelt ein kleines Licht. Ackermann führt den Dax-Konzern wieder an die internationale Spitze heran.

Doch war der Preis dafür zu hoch? Die Deutsche Bank habe sich unter Ackermann «in eine kriminogene Zockerbude verwandelt» und sei «in praktisch jede Schweinerei im Bankenwesen weltweit verwickelt» gewesen, urteilen Kritiker in der ZDF-Dokumentation «Zeit der Gier».

Windige US-Hypothekendeals, Zinsmanipulationen, Geldwäsche-Vorwürfe - die Folge: Milliardenstrafen für die Bank und ein ramponiertes Image. Hätte Ackermann früher umsteuern können und müssen? Hinterließ er das Haus doch nicht so «besenrein» wie er meinte? «Ich habe seinerzeit eine Bank an meine Nachfolger übergeben, die für die Zukunft gut aufgestellt war», sagte Ackermann anlässlich seines 70. Geburtstages der Deutschen Presse-Agentur. Das damalige Management habe «alles zeitnah korrigiert, was als korrekturbedürftig erkennbar war».

In dem jüngeren ZDF-Gespräch räumt Ackermann ein, die Strafzahlungen seien «ein schwarzer Fleck»: «Das ist ein psychologisches großes Thema, wie man erkennen kann, wo die Gier oder das Profitstreben zu hoch ist. Das wären, wenn ich so eine Beichte heute ablege, wahrscheinlich die Dinge, an denen man noch mehr arbeiten könnte.»

Ackermanns Anfangsjahre als Deutsche-Bank-Chef sind holprig: 2004 zeigt er im Gerichtssaal grinsend das Victory-Zeichen, 2005 verkündet der Manager in einem Atemzug ein scheinbar wahnwitziges 25-Prozent-Renditeziel und den Abbau Tausender Stellen.

Der Schweizer fühlt sich seinerzeit missverstanden und schimpft im Januar 2004 im Düsseldorfer Mannesmann-Prozess: «Das ist das einzige Land, wo diejenigen, die erfolgreich sind und Werte schaffen, deswegen vor Gericht stehen.» Später bereut er: «Das war aus der Verärgerung heraus gesagt, unüberlegt und sehr missverständlich.»

In der Finanzkrise 2007/2008 präsentiert sich Ackermann geläutert: «Kein Geschäft ist es wert, den guten Ruf der Deutschen Bank aufs Spiel zu setzen.» Die Krise habe Ackermann «nachdenklicher, menschlicher» gemacht, sagt ein Weggefährte. «Späte Reue» nennt es Ackermanns damaliger Kommunikationschef Stefan Baron in einem gleichnamigen Buch.

Als Deutsche-Bank-Chef wird «Joe» Ackermann zum gefragten Berater der Politik. Ob Notfallplan für die Hypo Real Estate (HRE) oder Bankenbeitrag zur Griechenland-Rettung: Der Schweizer verhandelt mit. Doch mit deutlichen Worten eckt er immer wieder an. Etwa mit der Aussage, er würde sich «schämen», wenn die Deutsche Bank «in der Krise Staatsgeld annehmen» würde.

Geboren am 7. Februar 1948 in Mels im Kanton St. Gallen lässt sich der «Seppi» von Vater Karl, einem Arzt und Börsenfan, begeistern: Nach Gymnasium und Militärdienst studiert Josef Ackermann Wirtschaftswissenschaft in St. Gallen. Von 1977 an arbeitet er für die Schweizerische Kreditanstalt (SKA), die heutige Credit Suisse. 1996 holt ihn Hilmar Kopper zur Deutschen Bank, dort steigt Ackermann schnell zum obersten Investmentbanker und 2002 zum Konzernchef auf.

Nach seinem Abschied von der Deutschen Bank zog es Ackermann, der mit seiner finnischen Frau Pirkko privat in Zürich verwurzelt ist, beruflich zurück in die Schweiz. Er wird Verwaltungsratspräsident des Versicherungskonzerns Zurich. Dort tritt er nach dem Suizid von Finanzvorstand Pierre Wauthier im August 2013 zurück: «Ich habe Grund zur Annahme, dass die Familie meint, ich solle meinen Teil der Verantwortung hierfür tragen, ungeachtet dessen, wie unbegründet dies objektiv betrachtet sein mag.» Medien hatten berichtet, Wauthiers Witwe habe sich über einen harten Führungsstil Ackermanns beklagt. Eine Untersuchung der Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma entlastet Ackermann später: Diese habe «keine Hinweise auf ungebührlichen oder unangemessenen Druck auf Pierre Wauthier festgestellt».

Der Führungsstil Ackermanns ist immer wieder Thema. Der ehemalige Deutsche-Bank-Kommunikationschef Baron schreibt über seinen einstigen Chef: «Fehler verzeiht der Deutsche-Bank-Chef durchaus, aber nur, wenn man sich dazu bekennt und nicht herumdruckst. Für alles andere bringt er kein Verständnis auf. Sein Markenzeichen, das ewig jungenhafte Lächeln, kann dann schlagartig gefrieren, Blick und Stimme können eiskalt werden.»

Ackermanns Stimme. «Que bella voce» (italienisch: diese wunderschöne Stimme) soll Startenor Luciano Pavarotti eine spontane Gesangseinlage von Opernliebhaber Ackermann im März 2002 gelobt haben, als der Banker bei einem Dinner in New York mit anderen Frank Sinatras «New York, New York» schmetterte. In New York gelingt Ackermann als junger Banker der Durchbruch, Frankfurt fühlt er sich auch nach seinem Abschied von der Deutschen Bank verbunden, wie er später sagte: «Frankfurt wird für mich immer mit der besten Zeit meines Berufslebens verbunden sein.»

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