Umstrittene Verfassungsreform auf dem Prüfstand

Alles neu in Kuba?

Foto: epa/Alejandro Ernesto
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HAVANNA (dpa) - Die Bürger des sozialistischen Inselstaats entscheiden über eine neue Verfassung. Entscheidende Neuerungen wurden schon vor der Abstimmung rückgängig gemacht. Ein «Nein» für die Verfassungsnovelle droht aber dennoch von einer wichtigen Bevölkerungsgruppe.

«Bestätigen Sie die neue Verfassung der Republik?» - diese Frage sollen die Kubaner am Sonntag bei einem Referendum beantworten. Der erste Entwurf der Novelle enthielt für den sozialistischen Inselstaat geradezu revolutionäre Änderungen: Weniger Kommunismus, dafür mehr ausländische Investitionen und auch eine Ehe für Alle. Nach mehreren Monaten an Debatten im Parlament und in der Bevölkerung stimmen die Kubaner nun aber über einen geänderten und deutlich abgespeckten Verfassungstext ab.

Kuba hatte im Juli vergangenen Jahres den Entwurf der neuen Verfassung vorgestellt. Rund 760 Änderungsvorschläge gingen nach Angaben der Regierung während der öffentlichen Diskussion in Bürgerzentren ein. «Bei den meisten handelte es sich um stilistische Änderungen», erklärte José Jasan Nieves von der alternativen Medienplattform «El Toque» in Kuba. «In vielen Fällen ist es eine Rückkehr zum Text von 1976.» Einige der entscheidenden Neuerungen waren bereits vor der öffentlichen Debatte wieder abgeschwächt worden.

In einem ersten Entwurf war das Streben nach einer kommunistischen Gesellschaft, das prominent im fünften Artikel festgeschrieben war, gestrichen worden. Wegen zu großer öffentlicher Kritik daran sei der Kommunismus als Ziel aber wieder aufgenommen worden, erklärte die Regierung im Dezember. Das Streben nach dem Kommunismus müsse aufrechterhalten werden, kritisierte der Abgeordnete Yusuam Palacios während einer Sitzung des Parlaments.

Die im ersten Entwurf enthaltene Ehe für Alle wurde wieder getilgt. Ursprünglich war in dem Artikel von einer «Vereinigung zweier rechtlich befähigten Personen» die Rede - ohne Angabe des Geschlechts. Evangelikale Kirchen gingen in dem karibischen Staat aber auf die Barrikaden, sie plakatierten ihren Protest an Hauswänden und verteilten Handzettel.

Aus Sorge, die Debatte über das Thema könnte das Referendum über die Verfassungsreform beeinflussen, wurde der Paragraf dann weggelassen. Stattdessen soll das Konzept nun nur in einem neuen Familiengesetzbuch vorkommen. Eine politische Niederlage bedeutete das vor allem für Mariela Castro, die Tochter des ehemaligen Präsidenten Raúl Castro, die sich seit Jahren intensiv für die Anerkennung der Ehe für Alle einsetzt.

Mit der aktuellen Lösung im Verfassungsentwurf sind viele Evangelikale aber auch nicht einverstanden - und drohen deshalb mit einem «Nein» bei der Abstimmung am Sonntag. Der Entwurf erklärt lediglich, dass eine Ehe eine «soziale und rechtliche Institution» sei. Wer diese eingehen kann, wird nicht erwähnt. «Das geht gegen meinen Glauben und deshalb kann ich es nicht unterstützen und stimme mit "Nein"», sagte Mónica Leyva der Deutschen Presse-Agentur. Die Kubanerin ist Mitglied in der evangelikalen Gemeinde Iglesia Evangélica Pentecostal in Havanna. In der derzeit gültigen Verfassung wird die Ehe als Vereinigung von Mann und Frau festgelegt.

Die evangelikalen Kirchen, denen geschätzt rund eine Million Menschen in dem Land mit elf Millionen Einwohnern angehören, haben einen erheblichen Einfluss auf die Politik. Zumal es keine relevante politische Opposition in Kuba gibt. Die katholische Kirche hingegen rief dazu auf, verantwortungsbewusst abzustimmen und niemanden auszuschließen.

Sollte sich die Mehrheit der Bürger gegen die Verfassungsreform aussprechen, bleibt der Text aus dem Jahr 1976 gültig. Dass das Papier abgelehnt wird, wurde jedoch nicht erwartet. 1976 stimmten laut offizieller Zahlen 97,7 Prozent bei einem Referendum mit «Ja».

Sollte auch diesmal die Unterstützung so eindeutig sein und die Novelle bestätigt werden, wird in der Verfassung erstmals der Begriff des privaten Besitzes verankert. Ausländische Investitionen werden als wichtiger Faktor des Wirtschaftswachstums anerkannt. Kuba hat sich in den vergangenen Jahren wirtschaftlich vorsichtig geöffnet. Für die ambitionierten wirtschaftlichen Vorhaben von Präsident Miguel Díaz-Canel haben gerade die Änderungen in diesem Bereich eine große Bedeutung.

Zudem sieht die neue Verfassung vor, dass ein Präsident nur noch zehn Jahre im Amt bleiben darf. Erstmals seit 1976 soll es auch wieder das Amt eines Ministerpräsidenten geben.

Die absolute Macht der Kommunistischen Partei Kubas wird allerdings nicht angetastet. Sie bleibt die einzige legale politische Kraft im Land. Obwohl Kampagnen zur Beeinflussung der Stimmenabgabe nicht erlaubt sind, pries die Regierungspartei die beste Antwort auf die Frage, die die Kubaner am Sonntag geben sollen, bereits an: «#YoVotoSí» war auf Plakaten zu lesen - «Ich stimme "Ja"».

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