ALLE LIEBEN MR JOHN

Fortsetzungsroman von Wolfgang Rill – Teil 17

(Fortsetzung von FA23/2022)

John fühlt sich bestätigt. Ganz unschuldig ist er nicht an der Sache, die hier stattfindet. Deswegen ist Eule auch gleich zu ihm gekommen. Aber lieber bliebe er ab jetzt im Hintergrund.

Vor ein paar Tagen klingelt bei der neuen Nationalheldin Saaphaa in Bangkok das Handy. Die Nummer ist eigentlich geheim, aber Eule hat sie noch aus alten Zeiten.

Hallo, hier Eule!

Eule? Eulchen aus Phung Daet? Na, das ist ja eine Freude! Hast du immer noch die gleiche Brille? Wie geht es dir?

Die Brille ist schon dritte Generation, aber immer rund. Bin Lehrerin geworden. Bin nicht aus unserer Stadt weggekommen wie du. Aber ich mache es gern. Wie lange haben wir uns eigentlich nicht mehr gesprochen.

Sicher ein paar Jahre. Leider. Steckst du hinter dem Bombardement mit den SMS?

Nicht direkt. Eigentlich war das Khun Nes. Ich habe ihm deine Nummer gegeben. Ich hoffe, du ärgerst dich nicht.

Nein, nein, sagt Saaphaa nicht ganz wahrheitsgemäß. Eigentlich hat es sie schon geärgert, dass da eine ganze Flut an SMS die Nachrichtenfunktion ihres Telefons ins Schwitzen brachte. Sie war schon beim Löschen, als sie bemerkte, wo der Schwall herkam. Er war aus ihrer Heimatstadt. Dort war sie geboren. Als sie vierzehn war, hatte es ihr Vater geschafft, eine Stelle in der Hauptstadt zu ergattern. Die ganze Familie war nach Bangkok gezogen. Verwandte gab es in Phung Daet nicht, weil ihre Mutter aus Chiang Mai stammte und ihr Vater aus Chonburi. Sie war nie wieder dort. Ein paar Telefonate noch mit Eule, zwei Treffen mit ihr in Bangkok. Ein paar Versprechen, sich bald in Phung Daet zu treffen – es war nie etwas draus geworden. Aber jetzt hatte sie ihre Kindheitsfreundin an der Strippe, bzw. an der elektromagnetischen Welle.

Was machst du so?

Party hier, Party da, neulich sogar ein Empfang bei bekannter Prominenz. Das war natürlich toll und eine Ehre, aber langsam geht mir der Rummel auf den Wecker.

Kein Training?

Ein Monat Trainingspause.

Du hast hier viele Fans. Die hast du natürlich im ganzen Land, aber für uns bist du eine Göttin. Und du bist eine von uns.

War es Saaphaa, die aussprach, was in der Luft lag? War es die hübsche Chanidapa, genannt Eule? Jedenfalls sind beide entflammt, als die Idee in der Welt ist. Natürlich komme ich! Das wird großartig. Das ist jetzt die beste Gelegenheit, ruft Saaphaa in den Hörer. Und weißt du was? Die anderen bringe ich auch mit.

Uff.

Sofort geht es in die Einzelheiten. Werden möglichst viele aus der Mannschaft einverstanden sein? Schließlich haben die auch Heimatorte. Aber Saapaa ist Mannschaftskapitänin. Wann wäre der beste Termin? Wie kommen alle hin? Wo werden sie wohnen? Was machen sie für ein Programm? Die Schüler sollen mitmachen. Es soll hauptsächlich für die Schüler sein.

Ich schicke dir Peter, sagt Eule nach einer Stunde, als ihr vom Telefonieren schon das Ohr wehtut.

Wer ist Peter?

Mein Freund, er ist Engländer. Er kann helfen. Aber wehe dir, wenn du ihn mir ausspannst.

Saaphaa verspricht bei Buddha, das nicht zu versuchen. Es wird sich herausstellen, dass sie ihr Peter tatsächlich nicht ausspannt. Das wird aber weniger an ihr liegen als an Peter.

* * *

Es gehen drei Wochen ins Land, bevor die schöne Phoo wieder in Phung Daet auftaucht. Sie hat ein neues Leuchten in den Augen.

Sag nichts, sagt Mr John. Es war gut!

Es war bombastisch.

Er liebt dich.

Und ich liebe ihn.

Dann steht ein paar Kindern ja nichts im Weg.

Wir haben es immer mit Gummi gemacht.

Donnerwetter, so hättest du vor zwei Monaten noch nicht geredet. Und warum mit Gummi?

Wir wollen noch keine Kinder.

Das klingt nach gutbürgerlicher Familienplanung.

Max will, dass aus mir zuerst etwas wird.

Das klingt nach Pygmalion von Ovid oder nach My fair Lady.

Verstehe ich nicht. Aber er will, dass ich eine Ausbildung mache. Zu was, kann ich mir aussuchen. Wissen Sie, was er sagt? Er sagt: Ich will keine Freundin, die nicht auch ohne mich auf eigenen Füßen stehen könnte. Bei uns in Thailand sind reiche Männer froh, wenn die Frau zu Hause bleibt, die Kinder hütet und nachts die Beine breit macht, wenn er nicht gerade bei seiner jüngeren Freundin ist. Max ist da ein bisschen anders. Übrigens: Er ist da. Aber wir wollten Sie nicht überfallen.

Ich freue mich doch darüber. Er soll unbedingt hochkommen.

Es wird ein Abend, an dem zwei lang aufbewahrte Flaschen Wein dran glauben müssen. Der Deutsche Max und der Deutsche Mr John alias Dr. Hans Schillner mögen sich auf Anhieb.

Sie sind also meine zweite Phoo!

Tut mir leid, manchmal muss man dem Glück ein wenig in den Hintern treten.

Darf ich Sie umarmen?

Noch bevor er sich gesetzt hat, umarmt er Mr John tatsächlich. Er ist etwas größer als John, natürlich etwas jünger und auch jungenhafter. Schlank, kluges, schmales Gesicht, ein Ohrring links, vor Schalk sprühende Augen. Bermudashorts in Khaki, blaues T-Shirt, Plastiksandalen.

Er trägt übrigens nie eine Unterhose, sagt Phoo, als Max mal aufs Klo geht. Er meint, dafür ist es hier zu heiß. Das muss ich ihm noch abgewöhnen. Ist doch unhygienisch! Nicht nur Max scheint einen Erziehungsauftrag zu haben, auch sie hat ihre Pläne.

(Fortsetzung in Ausgabe FA25/2022)

Über den Autor

Wolfgang Rill wurde in Fulda geboren. Heute lebt er zeitweise wieder dort, vorwiegend aber in Thailand. Seit dreißig Jahren schreibt er Geschichten und veranstaltet Schreibrunden für Interessierte. Seine Bücher sind bei Amazon unter „Wolfgang Rill“ bestellbar oder beim Autor erhältlich. „Alle lieben Mr. John“ ist sein siebter Roman.

Kontakt: wrill@t-online.de

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