ALLE LIEBEN MR JOHN

Fortsetzungsroman von Wolfgang Rill – Teil 14

(Fortsetzung von FA20/2022)

Vielleicht nicht jeder Satz ganz gelungen, aber Hauptsache frech, sagt Mr John.

Das bin ja ich und bin ich auch wieder nicht, sagt Phoo. Ich hätte mich nicht getraut, das zu schreiben, aber ein bisschen bin ich das schon! Und was nun?

Die Phoo aus diesem Profil hat schon ein paar Freunde, sagt John. Besonders einen. Und John öffnet unter »Messages« einen Dialog mit Max aus Deutschland:

Max: Hallo, du exotische Schönheit. Dein Profil (im doppelten Sinn) gefällt mir außerordentlich. Siehst du wirklich so aus, oder hast du einen genialen Beauty Shop? Und hast du das selbst geschrieben, oder hast du einen klugen Freund?

Phoo: Ich sehe wirklich so aus und ich schreibe meistens selbst. Eins von beiden ist gelogen. Such dir aus, was.

Max: He, he, bitte nicht gleich so schnippisch. Ich denke, du suchst jemanden, der zu dir passt, also mich?

Phoo: Ich bekomme jeden Tag fünf Bewerbungen um meine holde Gunst. Wieso gerade du?

Max: Weil ich der bin, den du willst, und weil ich dich jetzt schon mag.

Phoo: Die vielen Sextouris­ten hier im Programm gehen mir auf die Eierstöcke. Gucke kaum noch rein. Bist du so einer? Was machst du den ganzen Tag?

Max: Aufstehen – duschen – 35 Liegestütz – 25 Bauchaufzüge – drei halbe Brötchen, eins mit Wurst, eins mit Käse, eins mit Fisch – dann arbeiten. Abends telefonieren oder lesen. Manchmal ein Bier trinken gehen.

Phoo: Sehr ergiebig. Besonders das Fischbrötchen finde ich aussagekräftig.

Max: Was frühstückst du denn?

Phoo: Reis mit Ei, manchmal noch etwas Hühnerfleisch.

Das geht noch eine Weile so weiter. Eine ganze Weile streiten die beiden herum, ob Kaffee zum Frühstück gesund ist. Und sehr wichtig wird auch die Frage, ob es besser ist, sich den Hintern mit Klopapier abzuwischen oder, wie es in Thailand verbreitet ist, mit einer Wasserschale oder einem Spritzschlauch. Dass er die Hinterndusche kennt, zeigt übrigens, dass er schon mal hier in der Gegend war.

Ja und?, fragt Phoo verständnislos.

Sei nicht begriffstutzig, Mädchen, sagt Mr John. Das ist dein Mann. Scollen wir weiter. Am Anfang gab es eine Nachricht pro Tag. Zur Zeit sind es fünf.

Hinten geht es so weiter:

Max: Da du immer die Wahrheit sagst und nichts als sie, antworte aufrichtig: Der wievielte Kandidat werde ich sein, der bei dir auftaucht?

Phoo: Wenn du wirklich kommst, der zweite.

Max: Ich komme!

Phoo: Und wie machen wir das konkret?

Max: Ich lade dich zu einem Kaffee ein. Oder ein Wasser?

Phoo: Und wenn ich Hunger habe?

Max: Bekommst du etwas zu essen.

Phoo: Und wenn ich müde bin?

Max: Bekommst du etwas zum Schlafen

Phoo: Allein?

Max: Nur, wenn du willst.

Phoo: Versprochen?

Max: Versprochen!

Phoo: Unter diesen Bedingungen, sehr geehrter Herr Max, wäre ich unter Umständen bereit, eine Begegnung mit Ihnen zu riskieren. Bitte bestimmen Sie die Details.

Die letzte Meldung, die aus Deutschland kam, lautete:

Max: Samstag, den 24.9. 14 Uhr; Phung Daet; Cafeteria vor Big C; zweiter Tisch von links! Ich bitte um pünktliches Erscheinen. Leichtes Reisegepäck bitte vorbereiten. Bis dahin keine weitere Meldung.

Als Phoo das Letzte liest, schlägt sie sich erschrocken mit der Hand auf den Mund. Mr John, das kann ich nicht! Ich habe Angst. Aber ihre Augen sprechen eine andere Sprache. Mutwillen und Lust.

Der Mann wird sehr schnell merken, dass ich das nicht geschrieben habe. Diese Phoo von Ihnen schreibt so frem­dartig. Frech ist die und witzig, aber ich könnte so nicht schreiben.

Dann lerne es, sagt John. Erste Regel zur Schlagfertigkeit: Niemals etwas abstreiten, sondern es übertreffen, ins Absurde führen. Fragt er dich zum Beispiel: Ich bin sicher nicht dein erster Freund, oder?, gibst du auf keinen Fall die beiden Thaijungen zu, die du tatsächlich hattest, sondern sagst: Bei fünfzig habe ich aufgehört zu zählen!

Phoo wird erst rot, dann begeistert. Man muss was riskieren, sagt sie.

Wie wahr, wie wahr. Aber bleib trotzdem du selbst. Natürlich wird er merken, dass es zwei Phoos gibt, die aus dem Internet und die, die vor ihm sitzt. Aber bis dahin wird ihm die zweite viel zu lieb sein, als dass er ihr Vorwürfe macht.

Bis zum Samstag, den 24.9., sind es noch sieben Tage. Beide pfeifen auf Diskretion und treffen sich jeden Abend. Phoo erhält einen Schnellkurs in Charme, Witz und Spontaneität. Ihre kranke Mutter zu Hause hört von den Nachbarn, wo ihre Tochter abends ist, und schöpft einen falschen Verdacht. Sie sagt aber nichts, fasst eher Hoffnung. Phoos missratener Bruder schöpft ebenfalls Hoffnung auf zukünftige bessere finanzielle Versorgung.

Wenn etwas bevorsteht, vor dem du Scheu hast oder das dich verlegen macht, wie reagierst du dann?

Ich mach’s erst recht, sagt die gelehrige Schülerin.

Und wenn du gerne etwas willst, wie erreichst du das?

Ich mache keine Fisematenten, sondern sage: Ich möchte das gerne. Und wenn ich etwas nicht will, sage ich es auch. Das aber nur einmal pro Tag.

Und wenn er sagt: Dein Englisch ist lausig. Was sagst du dann?

Teach me, sage ich dann, denn Farangs spielen gern den Lehrer.

Was macht der Mann eigentlich beruflich?, fragt Phoo.

Krieg es selber raus, sagt John und gähnt.

(Fortsetzung in Ausgabe FA22/2022)

Über den Autor

Wolfgang Rill wurde in Fulda geboren. Heute lebt er zeitweise wieder dort, vorwiegend aber in Thailand. Seit dreißig Jahren schreibt er Geschichten und veranstaltet Schreibrunden für Interessierte. Seine Bücher sind bei Amazon unter „Wolfgang Rill“ bestellbar oder beim Autor erhältlich. „Alle lieben Mr. John“ ist sein siebter Roman.

Kontakt: wrill@t-online.de

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