ALLE LIEBEN MR JOHN

Fortsetzungsroman von Wolfgang Rill – Teil 11

(Fortsetzung von FA17/2022)

Sie fühlt sich unwohl in der Nähe dieser Männer. Als Alfred vorschlägt, doch irgendwo essen zu gehen, stimmt sie zu. Den frühen Abend verbringen sie in einem hübschen Restaurant an einem kleinen See in Khon Kaen. Ein Tuk Tuk Taxi hat sie hingebracht. Als es zu dämmern beginnt, schaut Phoo nervös auf die Uhr. I must go my friend now, sagt sie leise. Das käme auf keinen Fall in Frage, sagt er. Einen kleinen Cocktail müsse sie nach dem guten Essen noch trinken. Und er habe ihr noch gar nicht sein Zimmer im Hotel gezeigt.

Es kam so, wie Mr John befürchtet hatte. Sie wusste, das ist nicht der Mann, den sie sich wünschte, aber sie blieb bei ihm über Nacht. Sie biss die Zähne zusammen, als er ihren nackten Körper studierte, als er sie zwischen den Beinen leckte, als er in sie eindrang, und als er ihr ins Gesicht sah, gelang ihr sogar ein verkrampftes Lächeln. Vielleicht meinte er es ja wirklich ernst? In der Nacht träumte sie, wie sie in einem weißen Kleid unter blauem Himmel segelte; durch Lücken in den wenigen Wolken unter ihr konnte sie die Erde sehen und blaue Ozeane. Über Kontinente hinüber ins ferne märchenhafte Europa. Am Morgen allerdings vögelte er sie so kräftig durch, dass es ihr unten wehtat. Sie versuchte, Lust dabei zu empfinden, aber in ihr blieb alles gleichgültig. Nein, sie war schon lange keine Jungfrau mehr. Sie hatte als ersten einen Thai-Freund, mit dem es sogar Spaß gemacht hatte, bis er sich änderte und gemein wurde. Einen zweiten Gemeinen hatte sie später auch noch. Aber hatte sie nicht gehofft, dass

es diesmal besser würde?

Frühstück in der Hotelhalle. Danach bestand er darauf, dass sie ihre Sachen von ihrer Bekannten holten.

Aber wie denn? Sie wohnt außerhalb.

Es stellte sich heraus, dass er einen Motorroller besaß. Er habe ihn gestern schon gemietet, bevor sie sich trafen, sagte er. Zwei Tische weiter feixten die deutschen Männer von gestern.

Sie holten also ihre Reisetasche. Damit war besiegelt, dass sie die nächsten Tage bei ihm im Hotel schlafen würde. Ihr schwindelte etwas. War es der Alkohol von gestern? War es, weil alles so schnell ging?

Am späten Vormittag Aufbruch zu einem Wasserfall in der Umgebung. Die drei deutschen Männer fuhren mit. Ihre Namen waren Rudi, Thomas und Klaus. Alle hatten große Plastikkästen hinten auf ihren Rollern, in denen Gepäck verstaut war. Die Fahrt war schön. Man fuhr Kolonne, nicht zu schnell, der Fahrtwind kühlte, der kräftige Rücken des Mannes vor ihr fühlte sich gut an. Unterwegs auf dem Rücksitz tippte sie eine kurze E-Mail an Mr John. Vielleicht könnte der Rücken vor ihr doch ihr Mann, ihr Alfred werden, ihr richtiger Mann? Nach der Ankunft ein Sprung ins kühle Felsenbecken unter dem Wasserfall. Wenige Leute waren da, und sie traute sich in Slip und BH hinein. Viel Wald und Felsen, alles sehr romantisch hier. Man planschte, man tauchte, ihr Alfred traute sich sogar ins Tiefe, dort wo die Flut von oben direkt aufs Becken traf und sich Dunstschleier aus Wasserdampf bildeten. Dann zog er sie mit sich hinter die Wasserwand zu den moosigen Felsen, und dort küssten sie sich. Er war stark und ein guter Schwimmer. Sie hatte keine Angst, wenn er sie hielt.

Am frühen Abend saßen sie wieder vor dem Hotel. Diesmal alle fünf an einem Tisch. Das stimmte nicht ganz, denn gegen halb sieben stand der, der Bernd hieß, auf und rief: Das muss sie sein! Eine hübsche junge Frau stand schüchtern mitten in der Hotelhalle und sah sich suchend um. Bernd eilte zu ihr. Die beiden unterhielten sich, lächelten sich an und gingen dann zu einem anderen Tisch, weit entfernt. Alfred und Klaus und Thomas lachten und machten leise Bemerkungen, die sie nicht verstand. Aber es klang nicht gut.

Die Nacht etwas weniger zärtlich als die erste. Lust stellte sich immer noch nicht ein. Sie stellte fest: Er schnarchte. Am Morgen nahm er sie. Sie fühlte nichts. Sie hatte das Gefühl, für ihn sei es Routine.

Am nächsten Tag waren sie beim Frühstück zu sechst. Auch das neue Mädchen war über Nacht geblieben. Phoo lernte, dass bei Farangs das Frühstück von großer Bedeutung ist, viel wichtiger als in Thailand. Das schmale Angebot an Wurst und Käse wurde mit kritischem Blick begutachtet, der Kaffee wurde offenbar verteufelt, der Orangensaft mit ein säuerlicher Miene quittiert. Nur die gebratenen Eier fanden Gnade. Zum Glück gab es auch etwas kalten Reis, ein bisschen Gai Pad als Auflage und Wasser für die Thai-Gäste. Es war wieder ein Ausflug geplant, diesmal zu einem bekannten Wat, einem Kloster und einer Elefantenfarm weit außerhalb. Tröstlich war, dass Phoo sich nun mit einer Thailänderin in ihrer Sprache unterhalten konnte. Ist dir aufgefallen, dass bei denen dauernd das Handy klingelt und sie es immer wegdrücken?, fragte Chalang, so hieß das neue Mädchen.

Die beiden Mädchen fanden nach und nach Erstaunliches über die vier Männer heraus. Alle vier hatten in ihren Handys nicht nur eine Telefonnummer in Khon Kaen, sondern jeder mindestens drei, alle von jungen Frauen. Keiner der vier war gerade aus Deutschland gekommen, sondern alle wohnten schon längere Zeit in Pattaya, südöstlich von Bangkok. Das verriet in beiden Zimmern das Gepäck der Männer. Pattaya, das Bordell von Thailand und der ganzen Welt, wo zehntausend Mädchen anschaffen gehen. Natürlich hatten sie sich auch nicht durch Zufall hier in Khon Kaen getroffen, sondern waren als Gruppe schon Tage unterwegs und gemeinsam hier angereist. Es gab eine vergessene Hotelquittung aus Korat und den zerknitterten Streifen einer Quittung aus einem Family Mart auf der Strecke von Chonburi nach Norden. Die Motorroller waren ihre eigenen, das war klar. Durch längeres heimliches Studium des Handys von Klaus fand Chalang heraus, dass die Männer offenbar vorhatten, in einigen Tagen in Udon Thani zu sein und dort weitere Mädchen zu beschlafen. Klaus allein hatte Mädchennamen mit dem Zusatz »Udon« gespeichert. Das einzige, was stimmen mochte, war, dass Phoos Alfred tatsächlich aus Gelsenkirchen in Deutschland stammte. Aber eine Wohnung hatte er in Pattaya. Es war schon spät, sehr spät, bis sie diese Erkenntnisse zusammenhatten. Und was blieb übrig? Sie wurden gedrängt, noch mal bei ihren ungeliebten Partnern zu schlafen.

(Fortsetzung in Ausgabe FA19/2022)

Über den Autor

Wolfgang Rill wurde in Fulda geboren. Heute lebt er zeitweise wieder dort, vorwiegend aber in Thailand. Seit dreißig Jahren schreibt er Geschichten und veranstaltet Schreibrunden für Interessierte. Seine Bücher sind bei Amazon unter „Wolfgang Rill“ bestellbar oder beim Autor erhältlich. „Alle lieben Mr. John“ ist sein siebter Roman.

Kontakt: wrill@t-online.de

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