Aldo Moro vor 45 Jahren getötet

Spekulationen blühen bis heute

Ein Hakenkreuz und die Worte
Ein Hakenkreuz und die Worte "Bullen müssen sterben" sind auf dem Grabstein von Aldo Moro und seiner Sicherheitseskorte in Rom zu sehen. Foto: epa/Alessandro Di Meo

ROM: Vor 45 Jahren wurde der ranghohe italienische Politiker Aldo Moro ermordet. Das Gesicht der Christdemokratie Italiens wurde 1978 entführt und über Wochen als Geisel gefangen gehalten. Noch heute ist die Tat Gegenstand wildester Spekulationen.

Am Morgen des 16. März 1978 ging alles ganz schnell. In der Via Fani, einer Straße im Nordwesten Roms, wird der Konvoi des Top-Politikers Aldo Moro von Terroristen der Roten Brigaden (Brigate Rosse) überfallen. Bei dem Angriff sterben fünf Leibwächter Moros - der frühere Ministerpräsident wird weggezerrt und entführt. 55 Tage später, am 9. Mai 1978, ermorden die Entführer Moro. Die Leiche des Präsidenten der Christdemokratischen Partei wird in einem Renault 4 verstaut im historischen Zentrum Roms gefunden. Am Dienstag (9. Mai) jährt sich eines der bekanntesten Verbrechen Italiens zum 45. Mal.

Die Umstände um die Entführung und den Tod von Moro, einer Schlüsselfigur der italienischen Nachkriegszeit, sind Gegenstand wilder Spekulationen und Verschwörungstheorien. Selbst im damaligen Italien, das sich zwischen 1968 und 1988 mit politischen Unruhen, Massendemonstrationen, Krawallen und Terror konfrontiert sah, gehört der Vorfall zu den Aufsehen erregendsten Terrortaten.

Am Tag von Moros Entführung sollte im Parlament eine historische Einigung zwischen konservativen Christdemokraten und der sozialistischen sowie kommunistischen Partei verhandelt werden. Moro setzte sich für den «historischen Kompromiss» ein. 1978 stellten die Christdemokraten unter Giulio Andreotti eine Minderheitsregierung. Moros Kalkül: Die Position der Regierung stärken. Der Süditaliener war einer der großen Politiker der Nachkriegszeit und von 1963 bis 1968 sowie von 1974 bis 1976 Regierungschef.

Im Italien der 1970er Jahre war unter den Eliten die Angst vor Entführungen weit verbreitet. Neben den Roten Brigaden war ebenso die Mafia verantwortlich für Kidnapping und Gewaltverbrechen an bekannten Persönlichkeiten. Potenzielle Ziele verließen das Land - ein bekanntes Beispiel ist die Familie des Ex-Models Carla Bruni.

Moros Schicksal rief in der Bundesrepublik der 1970er einen ganz ähnlichen Fall in Erinnerung. In Deutschland hat die Entführung des Managers Hanns Martin Schleyers verblüffend große Ähnlichkeit mit dem Fall Moro. 1977 wurde er von der Terrorgruppe Rote Armee Fraktion (RAF) entführt. Auch seine Leiche fand man später im Kofferraum eines abgestellten Autos.

Das Mittelmeerland kämpfte mit einer großen Wirtschaftskrise. Das politische und gesellschaftliche Klima, geprägt von Unruhen und Gewalt auf den Straßen und sich bekämpfenden politischen Rändern, war angespannt. Die Parteienlandschaft Ende der 1970er Jahre war überaus divers: Moros Democrazia Cristiana stand der kommunistischen Partei (PCI) und der etwas gemäßigten sozialistischen Partei (PSI) gegenüber. Bereits in den 1960ern blickte Moro nach links und bildete die erste Mitte-Links-Regierung Italiens mit den Sozialisten.

Zwar bekannte sich der Linksterrorist Mario Moretti zum Mord - er wurde verurteilt. Doch der Fall wurde nie vollständig aufgeklärt. Einige fragen sich bis heute, wieso Linksextreme die erste italienische Regierung mit kommunistischer Beteiligung verhindern sollten. Auch der US-Geheimdienst CIA wurde beschuldigt, hinter der Ermordung zu stecken. Andere internationale Geheimdienste oder sogar Freimaurer standen ebenfalls im Fokus von Spekulationen.

Neben Theorien um die Beteiligung aus dem Ausland glauben manche auch an eine inneritalienische Verschwörung. Linke waren sich lange Zeit sicher, der italienische Geheimdienst steckte dahinter, um die Regierungsbeteiligung der Kommunisten zu verhindern. Italiens kommunistische Partei war damals die größte marxistische Partei des Westens. Viele warfen der politischen Führung auch vor, Verhandlungen rigoros abgelehnt zu haben, was Konspirationen nährte. Und dann gibt es gar solche, die die Theorie vertreten, Moro sei am 16. März niemals in der Via Fani gewesen und überhaupt nicht entführt worden.

Moro war überaus beliebt und für viele ein Anwärter für das Amt des Staatspräsidenten. Manche denken, politische Kontrahenten wollten ihn deshalb aus dem Weg schaffen. Doch selbst Papst Paul VI., der sich als Geisel im Austausch für Moro anbot, konnte ihn nicht mehr retten.

Obwohl die Ermordung Moros 45 Jahre zurückliegt, wird immer wieder an den Fall erinnert. Mehr als 30 Jahre nach der offiziellen Auflösung der Roten Brigaden verhandeln noch heute Gerichte über Kriminelle von damals. Zuletzt lehnte das Oberste Gericht in Frankreich ein Gesuch Italiens zur Auslieferung von zehn ehemaligen Linksterroristen ab. Frankreich «hätschele die Mörder von den Brigaden», hieß es dazu von der rechtspopulistischen Lega-Partei.

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