Afrikas größte Demokratie Nigeria wählt

mit Hindernissen

Nigerianische Parlamentswahlen 2023. Foto: epa/Akintunde Akinleye
Nigerianische Parlamentswahlen 2023. Foto: epa/Akintunde Akinleye

ABUJA: Mehr als 87 Millionen Menschen durften in Afrikas größter Demokratie wählen - aber die Sicherheitslage ist in großen Teilen des Landes eine Herausforderung. Viele Wähler hatten Schwierigkeiten, ihre Stimmen abzugeben.

Afrikas bevölkerungsreichstes Land Nigeria hat am Wochenende trotz Schwierigkeiten einen neuen Präsidenten gewählt. Die Abstimmungen zogen sich in Teilen des Landes bis weit in den Sonntag, nachdem Wahllokale am eigentlichen Wahltag am Samstag wegen der Sicherheitslage sowie logistischer Probleme verspätet oder gar nicht öffnen konnten. Mit ersten Ergebnissen wurde am Sonntagabend gerechnet, ein Sieger wird frühestens in einigen Tagen feststehen. Mehr als 87 Millionen der rund 220 Millionen Einwohner waren für die Wahl angemeldet und hatten ihre Berechtigungskarten abgeholt - ein Rekord. Neben dem Präsidenten von Afrikas größter Volkswirtschaft werden auch mehr als 400 Sitze in zwei Parlamentskammern neu gewählt.

Die Wahl wurde von einzelnen Gewaltvorfällen begleitet. Nach Angaben der Wahlbehörde überfielen Bewaffnete in mehreren Bundesstaaten Wahllokale. In Teilen der Bundesstaaten Borno und Niger wurde die Wahl nach Angriffen von Dschihadisten verschoben. In weiten Teilen Nigerias sind bewaffnete Gruppen aktiv. Daneben machen Bargeldknappheit und eine Treibstoffkrise den Menschen zu schaffen.

Anders als von Beobachtern befürchtet waren nicht die Sicherheit, sondern die massiven Verspätungen das bislang größte Problem der Wahl. «Angesichts der prekären Sicherheitslage wurden Gewalt und Ausschreitungen erwartet. Zwar gab es vereinzelte Angriffe auf Wahllokale, insgesamt blieb es aber vergleichsweise friedlich und ruhig», sagte die Nigeria-Büroleiterin der Konrad-Adenauer-Stiftung, Marija Peran, der dpa.

Präsident Muhammadu Buhari (80) scheidet nach zwei Amtszeiten aus. Erstmals seit Nigerias Rückkehr zur Demokratie 1999 hat neben den Kandidaten der zwei vorherrschenden Parteien auch ein dritter gute Chancen. Die aussichtsreichsten der insgesamt 18 Kandidaten sind Bola Tinubu (70) von der Regierungspartei APC, dem als früherem Gouverneur von Lagos die Entwicklung der Metropole zum Wirtschaftszentrum angerechnet wird, sowie der frühere Vizepräsident Atiku Abubakar (76) von der Demokratischen Volkspartei (PDP), der zum sechsten Mal antritt.

Insbesondere in großen Städten und bei der Jugend beliebt ist zudem Peter Obi (61) von der kleinen Labour-Partei, der 2019 noch als Abubakars Vize angetreten war. Obis Anhänger versprechen sich von ihm einen Bruch mit von Korruptionsvorwürfen geplagten Eliten, während ihm Kritiker Populismus vorwerfen. Junge Menschen unter 34 machen rund 40 Prozent der registrierten Wähler aus. Umfragen waren so knapp, dass erstmals eine Stichwahl wahrscheinlich schien.

Eine große Rolle spielt in Nigeria die Herkunft und Religion der Präsidenten - bislang wechselten sich Muslime und Christen sowie Kandidaten aus dem muslimisch geprägten Norden und dem christlich geprägten Süden ab. Zur Ablösung von Buhari, einem Muslim aus dem Norden, treten allerdings mit Tinubu und Abubakar ebenfalls zwei Muslime an. Obi ist ein Christ aus dem Südosten des Landes.

Um die Wahl für sich zu entscheiden, muss ein Kandidat die meisten Stimmen landesweit sowie mindestens ein Viertel der Stimmen in 24 der 36 Bundesstaaten holen. Erreicht keiner dieses Ziel, kommt es drei Wochen später zur Stichwahl zwischen dem Bewerber mit den landesweit meisten Stimmen und dem Sieger in den meisten Bundesstaaten.

Die Wahl gilt auch als Abrechnung mit der Regierungspartei APC. Während Buharis acht Jahren im Amt hat sich die Sicherheitslage im Land dramatisch verschlechtert. Fast zwei Drittel der Einwohner von Afrikas größter Volkswirtschaft sind Schätzungen zufolge von Armut betroffen. Die Ölförderung des einst größten Ölproduzenten des Kontinents ist zurückgegangen, im Land fehlt Treibstoff und Strom.

Im Gegensatz zu früheren Wahlen hätten alle Kandidaten dieses Mal offener über Lösungsansätze für die diversen Krisen gesprochen, sagte der Nigeria-Direktor der Nichtregierungsorganisation One, Stanley Achonu. «Es gibt Anzeichen, dass diese Themen Wähler beeinflussen, aber viele glauben, dass Religion, Ethnie, Allianzen, Parteizugehörigkeit und Kaufkraft mehr zählen werden.»

Eine Sorge vor der Wahl war der in Nigeria weit verbreitete Stimmkauf gewesen, bei dem Parteien Bargeld an Wähler verschenken. Beobachter sahen in der wenige Monate vor der Wahl gestarteten Bargeldreform der Zentralbank auch einen Versuch, Stimmkauf einzuschränken. Die Reform löste allerdings eine dramatische Knappheit an Geldscheinen aus. Millionen Menschen haben weiterhin Schwierigkeiten, Nahrungsmittel zu besorgen, was sie wiederum anfälliger für Stimmkauf macht.

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