Afrika als tickende Zeitbombe

Das Virus greift dort die Ärmsten an

Foto: epa/Christian Thompson
Foto: epa/Christian Thompson

JOHANNESBURG/NAIROBI: Nun breitet sich Covid-19 auch rasant in Afrika aus. Die Sorge ist groß. Wenn schon Italien so mit der Epidemie zu kämpfen hat - wie wird es erstmal in Ländern mit schlechter Hygiene, überfüllten Slums und schwachen Gesundheitssystemen aussehen?

Home Office, social distancing, Hygiene: Was in vielen Teilen der Welt im Kampf gegen die Corona-Krise propagiert wird, wird in Afrika zum Kampf gegen Windmühlen. Im Alltag ist für viele Afrikaner der Zugang zu fließendem Wasser nach wie vor ein mühseliges Unterfangen - ein regelmäßiges Händewaschen wird da illusorisch. Zwischen Sudan und Simbabwe leben viele Menschen oft von der Hand in den Mund und haben kaum finanzielle Rücklagen für den Vorrätekauf. Einige haben auch Vorerkrankungen oder leiden unter Unterernährung. Viele Länder auf dem Kontinent gelten daher aus Expertensicht als tickende Zeitbomben.

Lange blieb es um Covid-19 in Afrika ruhig. Die Hoffnung war groß, dass die Krankheit den Kontinent nicht erreicht. Oder, dass sich das Virus Sars-CoV-2 im wärmeren Klima schwerer tut. Doch die Illusion ist zerbrochen. Inzwischen gibt es der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge mehr als 1.000 Fälle in mindestens 40 Ländern. «Aktuell ist das weltweite humanitäre System nicht auf einen größeren Ausbruch von COVID-19 in Krisengebieten und chronisch armen Regionen vorbereitet», warnte jüngst der Generalsekretär von der Organisation Care Deutschland, Karl-Otto Zentel. «Ärmere Länder mit einer extrem schwachen medizinischen Infrastruktur müssen jetzt unterstützt werden.»

Händewaschen gilt im Kampf gegen den neuartigen Coronavirus als das A und O. Doch der Zugang zu Wasser und Seife ist in vielen afrikanischen Ländern schwierig. Das ist nicht nur in Städten der Fall. Das Händewaschen sei «vor allem in ländlichen Regionen, wo Zugang zu Seife und Wasser ein Problem sein könnte, eine der Herausforderungen», sagte Michel Yao, der Leiter der Notfall-Programme der WHO in Afrika.

Auch social distancing ist in Afrika kaum wie in Europa umzusetzen. «Die sozioökonomischen Umstände vieler Afrikaner, vor allem in den Städten, macht social distancing (...) zu einer großen Herausforderung», sagte die WHO-Chefin in Afrika, Matshidiso Moeti. Viele Menschen leben auf engstem Raum. Etwa haben nach Schätzungen von UN-Habitat im kenianischen Kibera, einem der größten städtischen Slums der Welt, zwischen 500.000 und 700.000 Menschen ihr Zuhause. Sie wohnen in kleinen Hütten, die sich oft etliche Familienmitglieder teilen. Wenige haben fließendes Wasser, die wenigsten ihre eigene Toilette.

Auch Home Office ist in Ländern mit einer großen informellen Wirtschaft kaum möglich. Als Obstverkäuferin, Bauarbeiter oder Handwerkerin von Zuhause aus arbeiten? So quetschen sich in Südafrika täglich etwa 16 Millionen Menschen auf dem Weg zur Arbeit in die vollgestopften Minibus-Taxen. Das morgendliche Sprayen an den Taxiständen mit Desinfektionsmitteln hilft da nur wenig.

Obwohl viele Länder mit weitreichenden und drastischen Maßnahmen versuchen, ihre Bevölkerung vor einer Infizierung zu schützen, reicht ihre Infrastruktur bei einer hohen Zahl von Erkrankten kaum aus. An allem fehlt es: Intensivbetten, Ärzte, Krankenschwestern, Atemgeräte. Malawi etwa hält nach Angaben des nationalen «Medical Journals» in seinen Hospitälern gerade mal eine zweistellige Zahl von Notfallbetten vor für seine gut 18 Millionen Menschen starke Bevölkerung vor. Andere Länder wie Kamerun oder Kongo haben Konflikte auf ihrem Staatsgebiet, was die Gesundheitsvorsorge und die Aufklärung über das Virus schwierig werden lässt. China hat zwar einigen Staaten logistische Hilfe angeboten, kämpft aber selber mit dem Virus und seinen Folgen.

Bei alledem ist die Sorge groß, dass die Menschen in Afrika womöglich mehr gefährdet sind als die Bewohner anderer Regionen. «Wir haben eine jüngere Bevölkerung als viele Länder, die von diesem Ausbruch betroffen sind», sagte Moeti. «Aber uns muss klar sein, dass es unter den jungen Menschen in Afrika in manchen Gegenden eine hohe HIV-Rate gibt.» Diese Menschen könnten demnach wegen schwächerer Immunsysteme anfälliger sein. 2018 lebten weltweit der UN-Organisation UNAIDS zufolge 37,9 Millionen Menschen mit HIV, davon waren rund 25,6 Millionen in Afrika südlich der Sahara. Zudem ist die Unterernährung und die Zahl von Vorerkrankungen in Afrika sehr hoch.

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Jürgen Franke 26.03.20 20:01
Afrika war doch bisher immer das Land
wo Medikamente "getestet" wurden. Aber vielleicht bin ich da auch falsch informiert.
Ingo Kerp 26.03.20 12:47
Es seht zu befürchten, das es eine Katastrophe ungeahnten Ausmaßes sein wird. Der afrik. Kontinent verfügt bei weitem nicht über die medizinischen Mittel, um das Virus zu bekämpfen, wie die westl. Welt.