Abstimmung in Berlin über drastisch verschärften Klimaschutz

Kampagnenplakate für das bevorstehende Berliner Klima-Referendum. Foto: epa/Clemens Bilan
Kampagnenplakate für das bevorstehende Berliner Klima-Referendum. Foto: epa/Clemens Bilan

BERLIN: Die Menschen in Berlin sind am Sonntag dazu aufgerufen, über eine drastische Verschärfung des Klimaschutzgesetzes der deutschen Hauptstadt abzustimmen. Ein Bündnis will per Volksentscheid durchsetzen, dass die 3,8-Millionen-Einwohner-Stadt schon bis 2030 statt bis 2045 klimaneutral wird.

Bisher ist nach dem Berliner Energiewendegesetz vorgesehen, die klimaschädlichen Kohlendioxid-Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 70 Prozent zu senken und spätestens 2045 klimaneutral zu werden. Das bedeutet, dass nicht mehr Treibhausgase ausgestoßen werden dürfen, als auch wieder gebunden werden können. Dafür müssten Emissionen etwa durch Verbrennerautos, Flugzeuge, Heizungen, Kraftwerke oder Industriebetriebe drastisch gesenkt werden.

Dem Bündnis «Klimaneustart» geht es nicht schnell genug. Es hatte monatelang Unterschriften gesammelt und damit einen Volksentscheid über eine Gesetzesänderung durchgesetzt. Solche Abstimmungen sind in Deutschland auf Länderebene möglich. Für einen Erfolg muss eine Mehrheit mit Ja stimmen, und diese muss aus mindestens einem Viertel aller gut 2,4 Millionen Wahlberechtigten bestehen, also etwa 608.000 Stimmen.

Der bisherige Berliner Senat (Landesregierung) aus Sozialdemokraten, Grünen und Linkspartei hält die Ziele der Aktivisten für unrealistisch und hat die im Volksentscheid geforderte Gesetzesänderung abgelehnt. Er argumentiert, Berlin könne Klimaneutralität nicht im Alleingang 15 oder 20 Jahre eher als Deutschland auf nationaler Ebene oder die EU insgesamt erreichen.

Kritiker fürchten im Falle eines Erfolgs des Volksentscheids drastische Einschränkungen etwa für Autofahrer oder Flugreisende und astronomische Kosten für Hausbesitzer. Der Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg, Christian Amsinck, hält Klimaneutralität bis 2030 für «faktisch vollkommen ausgeschlossen». «Denn es würde ja bedeuten, dass die Wärmeversorgung, die Stromversorgung komplett emissionsfrei erfolgt, also auf erneuerbare Energien umgestellt ist», sagte er im rbb-Inforadio. Deutschlandweit stammten 2022 knapp 44 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien, die Bundesregierung unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) will den Anteil bis 2030 auf 80 Prozent steigern.

Am Samstag wollen die Klimaaktivisten mit einer Großkundgebung am Brandenburger Tor für ein «Ja» beim Volksentscheid werben. Für die Berlinerinnen und Berliner ist es schon das zweiten Mal binnen sechs Wochen, dass sie zu den Wahlurnen gerufen werden. Am 12. Februar war das Abgeordnetenhaus neu gewählt worden, nachdem die Wahl von 2021 wegen gravierender Unregelmäßigkeiten für ungültig erklärt worden war. Es siegten die oppositionellen Christdemokraten, die derzeit mit den Sozialdemokraten Koalitionsverhandlungen über eine neue Regierung für das Bundesland Berlin führen.

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