Ex-Premier Nakasone tot

Abrechnung mit Japans Nachkriegspolitik

Foto: epa/Franck Robichon
Foto: epa/Franck Robichon

TOKIO (dpa) - Er war ein enger Freund des früheren US-Präsidenten Ronald Reagan, wollte Japans pazifistische Nachkriegsverfassung revidieren und propagierte ein «gesundes nationales Selbstbewusstsein»: Japans konservativer Ex-Ministerpräsident Yasuhiro Nakasone ist tot. Er starb am Freitag im Alter von 101 Jahren, wie die Medien des Landes übereinstimmend berichteten. Nakasone, der für japanische Regierungschefs überdurchschnittlich gute Englischkenntnisse ausweisen konnte, dominierte die Politik der heute drittgrößten Volkswirtschaft der Welt über Jahrzehnte hinweg.

Der Konservative, der von November 1982 bis November 1987 und damit in den letzten Tagen des Kalten Krieges Regierungschef seines Landes war, wollte eine «Generalabrechnung der Nachkriegspolitik». Er wollte Japan die Möglichkeit geben, wie jeder andere souveräne Staat auch seine Interessen mit militärischen Mitteln wahren zu können. Unter anderem sorgte er mit martialischen Äußerungen wie Japan sei ein «unsinkbarer Flugzeugträger der freien Welt» für Aufsehen.

Nakasone setzte sich für ein starkes Sicherheitsbündnis mit den USA ein; seine enge Duz-Freundschaft mit Reagan ging als «Ron-Yasu-Diplomatie» in die Geschichtsbücher ein. Eine ähnliche Politik verfolgt heute auch sein rechtskonservativer Parteikollege und Nachfolger, Ministerpräsident Shinzo Abe. Auch dieser hat wie damals schon Nakasone das Ziel, die pazifistische Verfassung zu ändern. Diese entspreche nicht der einer unabhängigen Nation, da sie Japan 1946 von der Besatzungsmacht USA aufgezwungen worden sei.

Zu Nakasones Selbstverständnis eines «gesunden» nationalen Selbstbewusstseins gehörten auch offizielle Besuche des umstrittenen Yasukuni-Schreins. In dem Shinto-Heiligtum im Herzen Tokios wird der in Kriegen für das japanische Kaiserreich Gestorbenen gedacht - unter ihnen sind auch verurteilte und hingerichtete Kriegsverbrecher. Sein amtierender Nachfolger Shinzo Abe hatte den Schrein zuletzt im Dezember 2013 besucht und damit damals scharfe Kritik ausgelöst. Seither beließ es der Rechtskonservative bis heute bei Opfergaben.

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