Brasilianische Pastorin soll Mord an Ehemann in Auftrag gegeben haben

BRASÍLIA: Unter dem Deckmantel evangelikaler Frömmigkeit soll sich bei einer brasilianischen Pastorin und Politikerin Erschreckendes zugetragen haben. Nun muss die Parlamentsabgeordnete mit Suspendierung von ihrem Amt rechnen.

Ein Aufsehen erregender Fall zwischen Politik und Kirche sorgt derzeit in Brasilien für Diskussionen: Eine evangelikale Pastorin und Abgeordnete soll den Mord an ihrem Ehemann in Auftrag gegeben haben. Nun droht Flordelis dos Santos die Suspendierung von ihrem Amt. Die brasilianische Abgeordnetenkammer beschloss angesichts des Falls, die Ethik-Kommission wieder zu öffnen, wie aus einer Erklärung in dieser Woche hervorging. Die Wiederaufnahme ist Voraussetzung für eine Entscheidung über die Suspendierung. Die Kommission war wegen der in dem südamerikanischen Land besonders schlimm grassierenden Corona-Pandemie geschlossen worden. Flordelis wies jegliche Beteiligung an dem Verbrechen zurück.

Die Staatsanwaltschaft in Rio de Janeiro hatte Anfang vergangener Woche Anklage gegen Flordelis erhoben. Die 59-Jährige soll einige ihrer mehr als 50 - leiblichen und adoptierten - Kinder angestiftet haben, ihren Ehemann umzubringen. Anderson do Carmo war Medienberichten zufolge einst ebenfalls ein Adoptivsohn von Flordelis gewesen. Der Pastor wurde im vergangenen Jahr mit mehr als 30 Schüssen vor dem Zuhause des Paares in Rios Schwesterstadt Niterói niedergestreckt. Berichten zufolge gingen dem Mord andere, gescheiterte Versuche voraus, ihn zu töten, etwa durch Vergiften. Die Ermittler nannten eine Familienfehde über Finanzen und Kontrolle als mögliches Motiv.

Ein halbes Dutzend der Kinder Flordelis sind wegen des Falls im Gefängnis. Als Abgeordnete kann sie nicht oder nur bei Ertappen auf frischer Tat festgenommen werden. Noch genießt sie parlamentarische Immunität. Von ihrem Amt suspendiert werden kann sie nur durch Entscheidung der Justiz oder der Abgeordnetenkammer.

Die Polizei und die Staatsanwaltschaft von Rio de Janeiro stießen auf einen Nachrichtenwechsel, der vermuten lässt, dass Flordelis die Ermordung ihres Ehemanns als einzigen Ausweg ansah. Der Ermittler Sergio Lopes Pereira sagte in einem Interview: «Sie (Flordelis) sagt: «Was soll ich machen? Mich von ihm trennen kann ich nicht, das würde dem Namen Gottes Schande bereiten.». Und sie beschließt (ihn) zu töten. Mit anderen Worten, in dieser schiefen Logik würde der Mord weniger skandalös sein.» Flordelis behauptete in ihrem ersten Interview nach der Anklage im brasilianischen Fernsehen, die Nachricht nicht geschrieben zu haben.

Der Fall beschäftigt in Brasilien seit Tagen Medien und Öffentlichkeit. Auch weil Flordelis Anhängerin des rechten Präsidenten Jair Bolsonaro ist und die aus den USA importierten, häufig erzkonservativen evangelikalen Bewegungen immer mehr Einfluss auf Politik und Gesellschaft in dem Land gewinnen.

So bedauerte die evangelikale Pastorin und Frauen- und Familienministerin Damares Alves jüngst den Schwangerschaftsabbruch bei einer Zehnjährigen, die von ihrem Onkel vergewaltigt worden war. Die Abtreibung nach einer Vergewaltigung und bei Gefahr für das Leben der Mutter ist nach brasilianischem Gesetz erlaubt. Vor dem Krankenhaus, in das das Mädchen gebracht wurde, hatten sich Abtreibungsgegner und konservative Politiker versammelt, die den zuständigen Arzt als «Mörder» bezeichneten.

Flordelis, die für ihre markanten Perücken bekannt ist, stammt aus einer der schlimmsten Favelas Rios. In den 1990er Jahren war sie durch die Adoption Dutzender Straßenkinder berühmt geworden, die ein Massaker überlebt hatten. Sogar ein Film wurde über sie gedreht. Sie gründete eine evangelikale Kirchengemeinschaft und schaffte darüber den Sprung in die Politik. Die Ermittler kamen nun zu dem Schluss, dass «ihr ganzes Bild von Altruismus und Moral nur ein Mittel war, um eine finanzielle und politische Position zu erreichen».

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Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Ingo Kerp 02.09.20 13:22
Eine Trennung wäre ein Skandal für den Namen Gottes, ein Mord dagegen weniger. Das ist dann wohl brasilianische Logik.