A Very Important Person

Ich möchte hier gleich vorausschicken, dass ich nichts dafür kann. Ich bin da völlig unschuldig hineingerutscht und muss diese „Ehre“ nun ausbaden: Sorry, aber Ich bin jetzt ein VIP. Ich kam als einfacher Rentner mit Thaifrau und Kind nach Hua Hin und wollte hier unauffällig meine Pension verbraten. Und nun der Schock: Das Schicksal hat mir einen gewaltigen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich reibe mir heute noch jeden Morgen die Augen und kann es immer noch nicht fassen: Wir leben quasi Tür an Tür mit dem Personal einer diplomatischen Vertretung in einer Gated Community.

Das war keine Absicht, sondern hat sich so ergeben, weil das kleine Haus in Downtown Hua Hin, das wir angemietet hatten, nicht mehr verfügbar war. Die Besitzer meldeten Eigenbedarf an und haben ihr großzügiges Gartenhaus als Ersatz angeboten. Uns blieb nichts anderes mehr übrig, als den gesellschaftlichen Aufstieg zu vollziehen, Verträglichkeit hin oder her. Apropos Gated Community: Ich habe dies anfänglich mit „Geschlossene Anstalt“ übersetzt und bin dabei geblieben. Für die anderen Insassen hier ist es wohl eher eine Residence, alles ist ruhig, alles ist friedlich und gepflegt, schlechthin feudal. Hat da gerade ein Gärtner gehustet? Er wird sich bei der Herrschaft entschuldigen müssen.

Durchbruch mit Jassdiplomatie

Am Eingang zur Siedlung kontrolliert ein Wächter die Ankömmlinge per Gesichtskontrolle und entscheidet dann, ob der Geldbeutel groß genug …ähm... das Konterfei kompatibel ist. Es hat immerhin den Vorteil, dass ich das Velo nicht mehr abschließen muss und Zeit einspare. Wofür weiß ich auch nicht, welcher Rentner weiß das schon.

Es stellt sich natürlich die Frage, wer sich hier wem anpassen soll? Ich an die Diplomaten oder sie sich an mich? Na gut, sie waren früher da, aber ich will all das, was von meinem Rückgrat noch übriggeblieben ist, nicht im Diplomatengesäusel ersäufen. Also, wie gehen wir vor, wenn der Botschafter uns zu einer Gartenparty einlädt, weil er einen Staatsmann empfängt, der Berndeutsch spricht und mich bittet, als Dolmetscher einzuspringen? Die Rede ist hier von Kim Jong-un. Kann ich „umegäng“ gleich zur Sache kommen, ihn spontan zu einem Schieber einladen und bei „Schtöck, Wys und Schtech“* zu einer Änderung der Politik bewegen? Ich sehe schon die Schlagzeilen der internationalen Presse vor mir: „Durchbruch mit Jassdiplomatie – Schweizer Rentner machts möglich, Korea wiedervereinigt!“ Da möchte ich das Gesicht von Donald sehen.

Meine Frau hingegen plagen wichtigere Sorgen. „Was soll ich bloß anziehen?“, ist wohl ihr erstes Anliegen. Und ich werde antworten: „Vielleicht etwas, das zur Jassdiplomatie passt, geh als „Rose König“ ...ähm… ich meine natürlich „Königin“ – Kim ist im Ausland nie schwul – das blufft bestimmt.” Und sie wird fragen: „Was heißt blufft?“ Ich: „Wenn Kim als „Trumpf Buur“** erscheint, ist das Bluff, wenn ich als „Eichle Sächsi“*** komme, blufft das gar nicht, das nennt man Understatement.“

Bis es allerdings soweit ist, müssen wir im Alltag mit den Herrschaften klarkommen. Aber wie können wir das Gesicht wahren, ohne uns finanziell zu ruinieren? Nun, das mit dem Personal kriegen wir hin. Ich werde mich am Morgen als Gärtner, am Mittag als Bodyguard und am Abend als Butler verkleiden. Meine Frau darf mich dann gut hörbar im Garten herumkommandieren:

„Johann, sind die Rosen für das Dinner mit dem Staatssekretär schon in der Vase?“ (Sie soll es bloß nicht übertreiben, sonst setzt es etwas, wenn kein Schwein mehr hinhört).

007 des Vatikans

Bleibt die Präsentation: Staatskarosse ist keine da, da sind wir auf sicherem Grund. Bleibt nur die Karte Understatement. Wir gehen so verdächtig zu Fuß, dass es im ganzen Quartier auffällt. Die Nachbarn sind verwirrt, einerseits Villa mit Dienstpersonal, andererseits niente Rolls-Royce, solo Velo. Da wir aber hin und wieder ein Taxi bestellen und uns mit unbekanntem Ziel davonstehlen, kocht die Gerüchteküche. Wenn das heitere Rätselraten über unsere Identität ihren Höhepunkt erreicht hat, werde ich ein paar Briefe mit dem Logo SSV und dem Wappen des Vatikans an mich versenden. Den Rest an Infos für die Bewohner besorgt dann der Postbote. Apropos: SSV ist der Kürzel für Servizio Segreto del Vaticano. Nun geht das Gerücht um: Das ist der 007 von Franciscus, a very unknown person.

PS: Der nordkoreanische Diktator Kim Jong-un hat in Bern eine Privatschule besucht und soll Berndeutsch sprechen. Kein Witz.

* Werte im Schweizer Kartenspiel „Jass“

** Höchste Trumpfkarte

*** Tiefster Wert


Über den Autor

Khun Resjek lebt mit seiner thailändischen Frau und Tochter in Hua Hin. Seine Kolumne „Thailand Mon Amour“ illustriert auf humorvolle Weise den Alltag im „Land des Lächelns“ aus der Sicht eines Farang und weist mit Augenzwinkern auf das Spannungsfeld der kulturellen Unterschiede und Ansichten hin, die sich im Familienalltag ergeben. Ein Clash der Kulturen der heiteren Art, witzig und prägnant auf den Punkt gebracht.

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