50 Jahre «Dalli Dalli» - «Eine der am meisten unterschätzten Shows»

50-jähriges Jubiläum des ZDF in Berlin. Foto: epa/Britta Pedersen
50-jähriges Jubiläum des ZDF in Berlin. Foto: epa/Britta Pedersen

BERLIN: «Sie sind der Meinung: Das war - Spitze!» Die Luftsprünge von Hans Rosenthal sind Millionen noch vor Augen. «Dalli Dalli» hat in gut 15 Jahren aber auch mit ernsten Momenten TV-Geschichte geschrieben.

Man muss nur diese 15 Sekunden «Dalli Dalli» gucken und sieht sofort, was für ein wundervoller Mensch mit guten Manieren Hans Rosenthal war. Der Showmaster ist gerade einen winzigen Moment von einer Art Tombola abgelenkt, da blickt der Kandidat neben ihm glückselig in die Kamera und fängt an zu winken. Rosenthal: «Sie, nicht winken! Sie sind in einer Großstadt. Das kann man doch nicht machen.» Er dehnt das «O» in «Großstadt» lang, als ob er einem kleinen Jungen die Ausmaße West-Berlins erklärt. Und doch bleibt er zugewandt, blickt den Mann mit der riesigen Hornbrille freundlich an: «Ich weiß jetzt genau, dass viele zuhause sagen: Na - das machen wir nicht.» Damit ist es aus der Welt. Rosenthal machte mit seinem unnachahmlichen Wesen «Dalli Dalli» zum Riesenerfolg. Vor 50 Jahren, am 13. Mai 1971, war der Showklassiker erstmals im ZDF zu sehen.

««Dalli Dalli» gehört vielleicht zu den am meisten unterschätzten Unterhaltungsshows der deutschen TV-Historie», erinnert sich Fernsehkritiker Oliver Kalkofe. «Vielleicht, weil sie nicht am Premium-Samstag um 20.15 Uhr, sondern «nur» am Donnerstag um 19.30 Uhr lief - damals das Astrazeneca unter den Entertainment-TV-Terminen.»

Dabei sei «Dalli Dalli» durchaus mutig und rebellisch gewesen, betont Kalkofe, der bei Tele 5 durch die Reihe «SchleFaZ - Die schlechtesten Filme aller Zeiten» führt. «Denn es war die erste Sendung ihrer Art, die sich traute, einfach nur verspielt und albern zu sein. Kein verkopftes Abfragen von Schulbuchwissen, um dem Bildungsbürgertum zu gefallen, und keine künstliche Ernsthaftigkeit, sondern simple Spiele mit dem einzigen Ziel, zu unterhalten und dem Publikum gute Laune zu machen.» Das sei durchaus eine Neuerung gewesen, so der TV-Experte.

Rosenthal (1925-1987) hatte eine Top-Karriere als Radio-Unterhalter beim RIAS absolviert. Er moderierte unter anderem «Das klingende Sonntagsrätsel», eine RIAS-Sendung, die es als «Sonntagsrätsel» bei Deutschlandfunk Kultur noch heute gibt. Ralf Bei der Kellen ist erst der dritte Moderator in der Nachfolge Rosenthals. In einem Nachlass stieß Bei der Kellen mit Kollegen kürzlich auf alte Band-Schnipsel, die herausgeschnitten worden waren: «Auch in diesen «unbeobachteten Momenten» scheinen bei Hans Rosenthal keine Allüren durch, gibt er nie den Chef, sondern scheint immer getrieben von der Idee, das meiste aus sich und seinen Mitarbeitern herauszuholen, um den Hörern ein möglichst perfektes Stück Unterhaltung zu bieten. Vermutlich wollte er seinem Publikum immer etwas mehr als 100 Prozent geben.»

«Dalli Dalli» stammt aus dem Kaschubischen, einem slawischen Dialekt aus dem Raum Danzig, der durch den Autor Günter Grass gewisse Bekanntheit erlangt hat. Die Wendung bedeutet soviel wie «Los jetzt». Das Gefühl von Zeitdruck zog sich auch durch die Live-Show mit der Bienenwaben-Kulisse, deren Titelmelodie von Heinrich Riethmüller und dem RIAS Tanzorchester heute noch Millionen Menschen im Kopf ist.

Die Spiele waren extrem abwechslungsreich und brachten Prominente durchaus auch mal ins Schwitzen. So sind in der allerersten Sendung die Schauspieler Lilo Pulver und Fritz Eckhardt noch recht lässig anzusehen, als es darum geht, zehn Länder außerhalb Europas aufzuzählen. Als sie aber 15 verschiedene Glühlampen in genau so viele verschiedene Fassungen schrauben sollen, sind sie mit ihrem Latein schnell am Ende. «Hans Rosenthal hat es fast immer geschafft, die Stars als Menschen zu präsentieren», schildert Bei der Kellen. Da hätten Roberto Blanco oder Udo Jürgens dann eben nicht gesungen, sondern Luftballons in einer Schubkarre transportieren müssen.

Die meisten Menschen erinnern sich an Schnelldenker-Spiele wie «Dalli Klick», wo ein Rätselbild nach und nach freigelegt wurde. Viele sehen den Showmaster vermutlich auch vor sich, wie er bei Bestleistungen der Kandidaten hochsprang und mit dem Publikum «Das war Spitze!» rief. Wer heute alte Sendungen anschaut, entdeckt aber überraschend oft auch politische Anspielungen. Rosenthals Tochter Birgit: «Die ersten «Dalli Dalli»-Sendungen enthielten noch eigens für die Sendung geschriebene aktuelle Chansons von Günter Neumann, da wollte man sich im Musikprogramm von den üblichen Schlagern absetzen. Leider verstarb Günter Neumann aber dann schon früh, und diese kabarettistische Zutat entfiel.» Wenn «Dalli Dalli» auch «seichte Unterhaltung» gewesen sei: «Mein Vater war ein politisch interessierter und gut informierter Mensch, der auch Stellung bezog, wenngleich niemals in einer Partei.»

Hans Rosenthal hatte seine Eltern früh verloren und die Judenverfolgung in einem Versteck in einem Berliner Kleingarten überlebt. Mehrere Mitglieder seiner Familie waren im Holocaust ermordet worden. Als die Programmplaner 1978 darauf bestanden, dass er am 9. November, dem 40. Jahrestag der Pogromnacht von 1938, seine Show moderieren musste, setzte der Gastgeber auf stillen Protest: Er trug Schwarz. Schwarz gekleidete Sänger und Sängerinnen trugen Operetten vor - kein Pop, kein Schlager, kein Big-Band-Sound.

Laut Bei der Kellen unterschied sich Rosenthal von Stars seiner Zeit: «Er war immer ganz bei seinem Publikum. Oft mehr, als er bei seinen Kandidaten war. Er scheint mit jedem Satz, mit jeder Geste zu sagen: Ich bin einer von Euch. Bei den anderen war da immer eine gewisse Distanz. Kulenkampff war «der Kulenkampff» oder «der Kuli». Hans Rosenthal war aber nie «der Rosenthal», eher «der Hans». Und für viele Hörer des «Sonntagsrätsels» ist er heute noch ihr «Hänschen».»

«Flink im Kopf, aber unaufgeregt», nennt ihn Kalkofe. «Nie wirklich witzig, aber stets humorvoll und mit einer ernsthaft anmutenden Lässigkeit, die sonst kaum jemand derart sympathisch verkörpern konnte. Kein Entertainer, der selbst das Rampenlicht suchte, sondern der perfekte Gastgeber: immer darauf bedacht, dass seine Kandidaten gut rüberkamen und sich wohlfühlten.» Das deutsche Fernsehen habe ihm mehr zu verdanken, als uns wahrscheinlich bewusst sei, sagt Kalkofe.

Tochter Birgit sagt über das Menschenbild Rosenthals: «Mein Vater war ein Mann ohne Vorurteile. Obwohl er in seiner Jugend als verfolgter Jude viel Schlimmes erlebt hat, ist er später auch unbekannten Menschen freundlich, offen und ohne Argwohn, was ihre Vergangenheit betrifft, gegenübergetreten. Ich glaube, das spürten seine Kandidaten und auch das Publikum. Er hatte eben die Erfahrung gemacht, dass ihm ganz uneigennützig geholfen wurde, sonst hätte er nicht überlebt.»

Rosenthals großes Herz hörte im Februar 1987 auf zu schlagen. Mit ihm starb das Original von «Dalli Dalli». Spätere Anläufe, das Konzept wieder an den Start zu bringen, währten nicht lange. Am 15. Mai um 20.15 Uhr gibt es zum Geburtstag im ZDF «Die große Jubiläumsshow».

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