«Opa» Kasai und seine Liebe zum Skispringen

30 Jahre im Weltcup

Foto: epa/Kimmo Brandt
Foto: epa/Kimmo Brandt

ENGELBERG (dpa) - Er springt und springt und springt. Noriaki Kasai hat auch mit 46 Jahren noch nicht genug vom Leistungssport. Der Japaner hat in der Skisprung-Szene einen besonderen Status. Bundestrainer Schuster findet zum Jubiläum einen speziellen Vergleich für die Leistungen.

Noriaki Kasai hätte es seinen früheren Skisprung-Konkurrenten längst gleichtun können. Er hätte sich als Stripper oder Popsänger versuchen können wie Matti Nykänen. Oder in einem Wok den Eiskanal hinunter sausen wie Sven Hannawald. Oder Dragster-Rennen fahren wie Janne Ahonen. Macht er aber nicht. Er springt auch mit 46 Jahren einfach weiter. «Man sieht ihm an, dass er das einfach genießt und dass er weiß, dass er der Opa ist», sagt Hannawald kurz vor einem besonderen Jubiläum des Japaners.

Am Montag vor 30 Jahren feierte Kasai in Sapporo sein Weltcup-Debüt. Dort siegte die finnische Skisprung-Legende Nykänen, Zweiter wurde ein gewisser Dieter Thoma, der schon längst zum TV-Experten geworden ist. Die Berliner Mauer stand noch, US-Präsident war Ronald Reagan und «Don't Worry, Be Happy» war Nummer-1-Hit in den deutschen Charts.

Der Songtitel könnte auch als Motto für Kasai durchgehen: Sein hohes Sportleralter scheint ihn nicht zu sorgen, er hat einfach Spaß. «Was mich antreibt, ist ganz einfach: Ich liebe das Skispringen», sagt der Teilnehmer von 105 Springen bei der Vierschanzentournee. Das kommt auch so rüber: «Noriaki ist ehrgeizig», er sehe das Springen als «spaßige Lebensaufgabe», findet Hannawald, deutscher Tourneesieger im Jahr 2002.

Seit Kasais Karrierestart hat sich nicht nur musikalisch und politisch einiges verändert, auch im Skispringen hielten gravierende Neuerungen Einzug. Der früher noch übliche Parallel-Sprungstil war Anfang der 1990er Jahre überholt. Kasai musste sich umstellen - und war im V-Stil erfolgreich. Sein größter Triumph gelang ihm 1992 in Harrachov, als er Skiflug-Weltmeister wurde. Olympiasieger Andreas Wellinger war damals noch nicht geboren. Obwohl Kasai sportlich nicht mehr konstant vorne mithalten kann, hat er im Team einen speziellen Status. «Bei den Japanern ist Noriaki der Leitwolf», sagt Hannawald.

Und an guten Tagen reicht es noch zu einer Überraschung. 2014 war er der erste Skispringer über 40, der ein Weltcup-Einzel gewann. Mit 44 Jahren stellte er den Altersrekord für einen Podestplatz im Einzel auf. Bundestrainer Werner Schuster hat großen Respekt vor Kasai und findet für dessen Leistungen einen besonderen Vergleich: «Mit seinem Weltcupsieg über 40 hat er eine Grenze durchbrochen.» Dass dies jemand schafft, habe man sich vorher kaum vorstellen können. «Das war wie die Besteigung des Mount Everest ohne Sauerstoff: Das musste auch erst bewiesen werden, dass das möglich ist.»

Trotz aller Anerkennung, die Kasai in der Szene genießt, ist klar: Auch für den zähesten Skisprung-Oldie muss irgendwann mal Schluss sein. Das wird insgeheim wohl auch Kasai wissen. Wann es soweit ist, darüber darf weiter gerätselt werden. «Das Loslassen ist unheimlich schwer, weil es die schönste Sportart ist, die es gibt», sagt Hannawald.

Vor den Winterspielen in Pyeongchang, als Kasai die japanische Fahne bei der Eröffnungsfeier trug, hatte der Routinier gesagt: «Mein größter Traum ist immer noch, bei den Olympischen Spielen Gold zu gewinnen.» Damals hatte er noch auf ein Olympia-Heimspiel 2026 in Sapporo gehofft. Mittlerweile ist die japanische Millionenstadt als Veranstalter für die Spiele in rund siebeneinhalb Jahren vom Tisch. Für 2030 hat Sapporo nun Interesse bekundet. Kasai wäre dann 57.

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