Seelennöte eines Judenretters

«Das Geheimnis der Freiheit» im TV

Das Ehepaar Beitz: Else (Judith Rosmair) und Berthold Beitz (Sven-Eric Bechtolf) in einer Szene des Films «Das Geheimnis der Freiheit». Foto: Wolfgang Ennenbach/Wdr /dpa
Das Ehepaar Beitz: Else (Judith Rosmair) und Berthold Beitz (Sven-Eric Bechtolf) in einer Szene des Films «Das Geheimnis der Freiheit». Foto: Wolfgang Ennenbach/Wdr /dpa

BEIDE SIND EIN TEIL WESTDEUTSCHER NACHKRIEGSGESCHICHTE: der Krupp-Manager Berthold Beitz und der Historiker Golo Mann. Von ihrer Begegnung erzählt ein ARD-Film, der mit Sven-Eric Bechtolf und Edgar Selge brillant besetzt ist.

Essen (dpa) – Berthold Beitz, 2013 mit 99 Jahren in Essen gestorben, ist eine Legende der westdeutschen Nachkriegszeit. Als Krupp-Generalbevollmächtigter verhalf er dem Schwerindustrie-Konzern wieder zu Weltgeltung und überführte ihn in eine Stiftung. Dabei hatte Beitz maßgeblichen Anteil am Strukturwandel des Ruhrgebiets zu einer Wissenschafts- und Kulturregion. Somit spiegelt sich in dem Topmanager das Wirtschaftswunder nach dem durch das Dritte Reich bedingten totalen Niedergang Deutschlands. Zudem ehrte Israel den gut aussehenden und charmanten, teils auch ruppigen Macher 1973 mit dem Ehrentitel «Gerechter unter den Völkern».

Denn zwischen 1941 und 1944 hatte Beitz im besetzten Polen viele Juden vor einer Ermordung in den KZs gerettet, indem er als Leiter der Karpathen Öl AG die Menschen als unabkömmlich für seine kriegswichtige Firma reklamierte. Das alles prädestiniert ihn für ein filmisches Porträt, in dem Ausnahmepersönlichkeit und Zeitgeschichte aufeinandertreffen. Unter dem Titel «Das Geheimnis der Freiheit» zeigt Das Erste am Mittwoch um 20.15 Uhr so eine Beitz-Darstellung – in der sich jedoch Wirklichkeit mit Psychologisierung und Fiktion vermischt. Regie führte der Israeli Dror Zahavi (60, «Tatort») - nach einem Drehbuch von Sebastian Orlac («Keiner schiebt uns weg»).

Mit der Theatergröße Sven-Eric Bechtolf (einst Künstlerischer Gesamtleiter der Salzburger Festspiele) als Beitz und TV-Star Edgar Selge («Unterwerfung») als Historiker und Dichter-Sohn Golo Mann (1909-1994) ist der Film erstklassig besetzt. Eine von den historischen Wahrheiten besteht in der Begegnung der sehr ungleichen Männer. Der Industrielle hatte bei dem Intellektuellen eine Biografie seines Ziehvaters Alfried Krupp (1907-1967) – 1948 als Kriegsverbrecher verurteilt – in Auftrag gegeben. Das Buch ist dann jedoch, wohl auf Betreiben von Beitz, nicht erschienen. Die TV-Geschichte spielt in den Jahren von 1973 bis 1990 und erzählt in fragmentarischen Szenen und Rückblenden von dessen Erinnerungen, Melancholien, Visionen und Ambivalenzen. Ihnen möchte Golo Mann auf den Grund gehen.

«Über die historische Figur Beitz, ein selbsterklärter Einzelgänger, können wir ja nur spekulieren», sagt sein Darsteller Bechtolf (60) im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Hamburg. «Er ist kein Täter, sondern das, was wir einen Helden nennen würden. Aber dieser Held hat Dinge gesehen, die so tief prägend sind, so grauenhaft, dass er sie nicht verdrängen kann. Dazu hat er das Gefühl, dass das, was er getan hat, viel zu wenig war.»

Der Film mache dramaturgisch etwas sehr Kluges, meint Bechtolf. «Nazi-Zeit und Holocaust werden in Deutschland allgemein sehr vielfältig besprochen. Doch wir versuchen, Licht zu werfen in einen Bereich, über den man gar nicht sprechen kann – das wirkliche Grauen. Ein bestimmter Schrecken, den man erlebt, ist ja nicht mitteilbar.»

Außerdem kreise die TV-Geschichte um das Weiterleben. «Wie hätte man nach 1945 weitermachen können, wenn man das Grauen wirklich in voller Gänze angenommen hätte?», fragt der Schauspieler rhetorisch. Aber auch beim Verdrängen bleibe «die Wunde da – das ist eine psychische Anwesenheit». So sei die «Generation Wiederaufbau» in der Jugendrevolte von 1968 von ihren Söhnen und Töchtern denn ja auch massiv angegangen worden.

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