100 Jahre Tschechoslowakei

Prag feiert in Weiß-Rot-Blau

Foto: epa/Martin Divisek
Foto: epa/Martin Divisek

PRAG (dpa) - Am 28. Oktober 1918 erklärte die Tschechoslowakei ihre Unabhängigkeit von Österreich-Ungarn. Aus Anlass des Jubiläums reist nicht nur Kanzlerin Merkel am Freitag nach Prag. In der Moldaumetropole wird groß gefeiert.

Wenn die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, der französische Präsident Emmanuel Macron und US-Verteidigungsminister James Mattis innerhalb weniger Tage nach Prag kommen, dann braucht es einen besonderen Grund. Und dieser Anlass sind die großen Feierlichkeiten zu Gründung der Tschechoslowakei vor 100 Jahren. Am 28. Oktober 1918 hatte die neue Republik im Herzen Mitteleuropas ihre Unabhängigkeit von der österreich-ungarischen Monarchie ausgerufen. 1993 teilte sich das Land in Tschechien und Slowakei

Für Bundeskanzlerin Angela Merkel steht am Freitag ein Mittagessen mit ihrem tschechischen Kollegen Andrej Babis auf dem Programm. Der 64-Jährige verkörpert selbst ein Stück weit die Tschechoslowakei. Babis wurde in der slowakischen Hauptstadt Bratislava geboren, doch reich wurde der Multimilliardär und Unternehmer in seiner Wahlheimat Tschechien. Wenn er spricht, mischt er schon einmal beide Sprachen.

Ganz Prag ist in diesen Tagen in den Farben der früheren tschechoslowakischen Trikolore geschmückt. Weiß und Rot sind in den böhmischen und mährischen Landeswappen zu finden, Blau stand für die Slowakei. Seit der Trennung in zwei unabhängige Staaten gehen Tschechen und Slowaken wieder getrennte Wege. Doch wie fanden die beiden Völker überhaupt zueinander?

Das ist nicht zuletzt das Verdienst des Philosophen und ersten tschechoslowakischen Präsidenten Tomas Garrigue Masaryk (1850-1937). Mit dem Pittsburgher Abkommen vom Mai 1918 gewann er die tschechischen und slowakischen Emigranten in den USA für die Idee eines gemeinsamen Staates. Die Stahlhochburg Pittsburgh war ein Zentrum der Emigration. Wenig später überzeugte Masaryk auch US-Präsident Woodrow Wilson von seiner Idee der Nachkriegsordnung.

«Masaryk hatte ein einziges Ziel, die tschechische Eigenstaatlichkeit, doch es war ihm bewusst, dass ein unabhängiges Böhmen bei den Großmächten keinen Erfolg haben würde», erklärt der Historiker Michal Stehlik. «Die Slowaken wiederum wollten ihre nationale Zukunft nicht mit Ungarn verbinden.» Erst die Zusammenarbeit beider Völker habe zum Erfolg geführt.

Dass Masaryk den Slowaken dabei ein großes Maß an Eigenständigkeit versprach, sollte später zu Enttäuschungen führen. In der Slowakei wird die Tschechoslowakei bis heute eher als ein tschechischer denn als ein wirklich gemeinsamer Staat wahrgenommen. Das zeigt sich auch darin, dass das Jubiläum dort weniger groß gefeiert wird.

Zwar stellten Tschechen und Slowaken mit 8,8 Millionen Bürgern (Stand 1921) die Mehrheit unter der Bevölkerung, doch gab es eine beträchtliche deutschsprachige Minderheit von 3,1 Millionen Menschen. «Man muss mit unseren Deutschen verhandeln, damit sie unseren Staat annehmen, der kein nationalistisches Gebilde, sondern eine moderne, fortschrittliche Demokratie sein wird», äußerte sich Masaryk einmal hoffnungsvoll in einem Briefwechsel.

Doch das misslang, die Mehrzahl der Sudetendeutschen suchte später den Anschluss an Hitler-Deutschland, was letztlich zur Zerschlagung der gesamten Tschechoslowakei im März 1939 führte. Die Wiederherstellung des Staates folgte nach dem Zweiten Weltkrieg - freilich ohne die Deutschen, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden.

Die Tschechoslowakei der Zwischenkriegszeit sei eigentlich eine Art Österreich-Ungarn im Kleinen gewesen, sagt der Historiker Stehlik. Neben Tschechen und Slowaken lebten dort auch Deutsche, Ungarn, Ruthenen in der Karpatenukraine, Polen und Juden.

Gefeiert wird an diesem Wochenende in Prag mit einem großen Programm. Es reicht von einem Konzert auf dem Altstädter Ring mit Schlagerstars wie Karel Gott bis hin zu einem Höhenfeuerwerk, das am Sonntag um 19.18 Uhr beginnt und damit an das Jahr 1918 erinnert.

Bei einer Militärparade werden mehr als 2000 Soldaten aufmarschieren, die dafür seit Tagen trainieren. Einer der Ehrengäste ist US-Verteidigungsminister James Mattis. Selbst US-Präsident Donald Trump ließ es sich nicht nehmen, zum Jubiläum zu gratulieren. Die USA seien stolz auf die Rolle, die sie bei der Gründung der Tschechoslowakei vor 100 Jahren gespielt hätten, schrieb der 72-Jährige seinem tschechischen Kollegen Milos Zeman.

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