Das Leben bricht sich seine Bahn

Deutsche, Österreicher und Schweizer gedenken den Toten des Tsunamis

Botschafter Rolf Schulze bei der Gedenkveranstaltung in Khao Lak.
Botschafter Rolf Schulze bei der Gedenkveranstaltung in Khao Lak.

KHAO LAK: Zum zehnten Jahrestag des Tsunamis liegen dicke, schwarzgraue Wolken und eine bleierne Schwüle über der thailändischen Ferienregion Khao Lak. Das Meer hat sich am diesem Morgen des 26. Dezember 2014 weit zurückgezogen. Dann fängt es an zu regnen. Der Himmel und die Naturgewalten, so scheint es, trauern mit an dem diesem 10. Jahrestag des Tsunami um die vielen Hunderttausende Toten.

Mehr als einhundert Überlebende der Naturkatastrophe waren zu der Gedenkfeier für die Tsunamiopfer aus Deutschland, aus Österreich und der Schweiz am Strand von Khao Lak gekommen. Viele waren damals mit knapper Not dem Tod entronnen.

Drei Länder in Trauer

Touristen am Strand in Khao Lak.
Touristen am Strand in Khao Lak.

Zu der Feier am Strand hatten die Botschafter Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, die deutschsprachige evangelische und katholische Gemeinde in Thailand sowie „hoffen bis zuletzt“ eingeladen, ein Projekt des Deutschen Roten Kreuzes und der Notfall Seelsorge Rheinland zur psychosozialen und seelsorgerischen Begleitung für Angehörige der Opfer des Seebebens.

Die Saarländerin Sarah Heitze mag nicht mehr darüber sprechen, wie das damals vor zehn Jahren war, als die Welle kam, sie fortspülte, wie sie überlebt hat. Trotzdem ist sie zum 10. Jahrestag des Tsunamis nach Khao Lak gekommen. Begleitet wird sie von elf Verwandten, die sie trösten, die sie stützen, die der 32-jährigen, schwangeren Frau den Halt geben, den die ehemalige Katholikin im Glauben nicht mehr findet. „Seit der Tsunamierfahrung bin nicht mehr religiös“, sagt Heitze ruhig.

Jörg Dunsbach, Pfarrer der deutschsprachigen katholischen Gemeinde in Thailand, kann diese Glaubenszweifel nachvollziehen. „Solche Situationen, die einen Menschen an den Rand der Existenz bringen, bringen einen auch an den Rand des Glaubens, des Hoffens und des Lebens“, sagt Dunsbach, der zusammen mit seinen evangelischen Kollegen Annegret Helmer und Ulrich Holste-Helmer an diesem Tag den Trauernden mit geistlicher Hilfe beisteht.

Lotusblüten zum Gedenken

Die Botschafter der Deutschlands, Österreichs und der Schweiz legen in den Sand von Khao Lak Kränze aus weißen Lotusblumen. Die Überlebenden und ihre Familien stecken Blumen hinzu, manche wagen einige Schritte ins Meer hinaus, um ihre Lotusblüte dem Wasser zu übergeben, das vor zehn Jahren soviel Leid gebracht hat.

Als die Namen der Toten und Vermissten verlesen werden, ist es sehr, sehr still. „Diese Namen wecken schöne Erinnerungen, aber sie sind auch mit Schmerzen verbunden“, sagt Pfarrerin Annegret Helmer, und fügt hinzu: „Gut, dass es diese Namen gibt und dass sie sichtbar bleiben.“

An vielen Orten in Khao Lak wird an diesem Zweiten Weihnachtstag an den Tsunami erinnert. Die thailändische Regierung hat Überlebende, Diplomaten und Vertreter von Hilfsorganisationen zur offiziellen Gedenkfeier an dem Polizeiboot geladen, das vor zehn Jahren von der Riesenwelle weit landeinwärts geschleudert worden war. Schon am frühen Nachmittag ist Boot, das heute eines der Tsunamidenkmäler ist, weiträumig von Polizei und Armee abgesperrt. Die Hochsicherheit gilt General Prayuth Chan-o-cha, dseit dem Putsch vom Mai dieses Jahres Premierminister und sowie Chef des Nationalen Rat für Frieden und Ordnung.

Musik und Buddha

An vielen Orten in Khao Lak wird an den Tsunami erinnert.
An vielen Orten in Khao Lak wird an den Tsunami erinnert.

Das von ThyssenKrupp gespendete Tsunamidenkmal in Ban Nam Khem ist das Ziel vieler Menschen, die nicht zu den offiziellen Feiern dürfen. Den ganzen Tag strömen Menschen zu dem Denkmal, spazieren langsam, mit ernsten Minen durch die Betonwelle, stecken Blumen neben die Gedenktafeln mit Namen von Toten. Unter den Trauernden ist Cheri, die von ihrer Freundin Biw begleitet wird. „Cheri hat damals ihren Vater verloren. Ich wollte nicht, dass sie an diesem Tag alleine hierher kommt“, sagt Biw.

Vom Markt vor dem Denkmal schallt Musik. Draußen in der Bucht von Ban Nam Khem tuckert ein Fischerboot raus auf das Meer. Im Schatten eines riesigen goldenen Buddhas sind am Ufer Tore für ein Strandfußballturnier aufgebaut. Bevor auch die deutschen Tsunamiüberlebenden Blumen in die Gedenkwand stecken, sagt Pastor Dunsbach: „Die grellen Eindrücke des unerträglichen vor zehn Jahren dürfen auch verblassen. Es ist gut, wenn sich etwas wandelt. Das Leben bricht sich seine Bahn.“

Quelle: Fotos: ml

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