Zittern um Ceta: EU vertagt Entscheidung zu Handelsabkommen

Ceta steht auf der Kippe. Drei EU-Länder haben noch immer Probleme mit dem Freihandelsabkommen mit Kanada. Nun tickt die Uhr. Foto: epa/Julien Warnand
Ceta steht auf der Kippe. Drei EU-Länder haben noch immer Probleme mit dem Freihandelsabkommen mit Kanada. Nun tickt die Uhr. Foto: epa/Julien Warnand

LUXEMBURG (dpa) - Der Europäischen Union droht ein Debakel in der Handelspolitik. Bei einem EU-Ministertreffen in Luxemburg gelang es am Dienstag nicht, das mit Kanada vereinbarte Freihandelsabkommen Ceta unterschriftsreif zu machen. Damit ist unklar, ob es am Donnerstag kommender Woche wie geplant abgeschlossen werden kann. Die Diskussionen sollen nun fortgesetzt werden.

«Die Einigung muss beim EU-Gipfel am Freitag stehen», warnte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström nach mehrstündigen Beratungen. Die kanadischen Partner hätten das Recht zu erfahren, ob das Abkommen am 27. Oktober beim EU-Kanada-Gipfel in Brüssel unterschrieben werden könne.

Widerstand gegen Ceta kommt unter anderem aus dem französischsprachigen Teil Belgiens, welcher der Föderalregierung in Brüssel sein Einverständnis zur Unterzeichnung des Abkommens mit Kanada geben muss. Nach Angaben von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) drohen zudem Rumänien und Bulgarien mit einem Veto. Sie wollen von Kanada die Zusicherung, dass ihre Bürger wie alle anderen EU-Bürger bald von der Visumpflicht befreit werden.

Der belgische Außenminister Didier Reynders sicherte zu, dass seine Regierung weiter daran arbeiten werde, die notwendige Unterstützung aller Regionen zu erhalten. Er setzte dafür eine Frist bis Donnerstag. «Das ist ein sehr schwerer Moment für Belgien», räumte Reynders ein. Am Donnerstag und Freitag treffen sich die EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel.

Wirtschaftsminister Gabriel gab auf die Frage, ob die Unterzeichnung des Abkommens mit Kanada in der kommenden Woche sicher sei, keine Antwort. Er konnte allerdings einen Erfolg präsentieren: Deutschlands EU-Partner akzeptieren die Auflagen des Bundesverfassungsgerichts für die Unterzeichnung von Ceta. Es gebe wie gefordert eine klare Abgrenzung zwischen nationaler und europäischer Zuständigkeit, sagte Gabriel. Zudem sei unter anderem geklärt worden, was passiert, wenn die vorläufige Anwendung gestoppt werden muss.

Mit dem geplanten Freihandelsabkommen Ceta (Comprehensive Economic and Trade Agreement) wollen die EU und Kanada ihre Wirtschaftsbeziehungen auf eine neue Basis stellen. Durch den Wegfall von Zöllen und anderen Handelshemmnissen soll es auf beiden Seiten des Atlantiks mehr Wachstum geben. So ist unter anderem vorgesehen, Zugangsbeschränkungen bei öffentlichen Aufträgen zu beseitigen und Dienstleistungsmärkte zu öffnen.

Kritiker befürchten jedoch, dass sich Ceta negativ auf Standards im Umwelt- und Verbraucherschutz auswirkt und demokratische Verfahren aushöhlt. Auch am Dienstag protestierten unter anderem Aktivisten der Umweltschutzorganisation Greenpeace vor dem Versammlungsgebäude. Sie entrollten vor der Fassade ein gelbes Banner mit der Aufschrift «Don't trade away democracy» (Handelt nicht die Demokratie weg).

Die EU-Kommission und die Regierungen der Mitgliedstaaten widersprechen dieser Sichtweise vehement. Sie betonen, dass die europäischen Standards in Bereichen wie Lebensmittelsicherheit und Arbeitnehmerrechte uneingeschränkt gewahrt werden. Das Abkommen stellt aus ihrer Sicht auch sicher, dass die wirtschaftlichen Vorteile nicht auf Kosten der Demokratie gehen.

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Jürgen Franke 20.10.16 09:51
An der Entscheidungsfindung zu diesem
Gesetz wird deutlich, aus welchem Grund die Bürger auf die Straße gehen müssen, um sich gegenüber der Politik Gehör zu verschaffen. Oder bei Wahlen ihr Kreuz bei rechtsradikalen Parteien machen. Dieses Gesetz wurde nie im Bundestag vernünftig diskutiert. Lediglich Gabriel hat ein paar Parteibonzen zusammen gerufen, um sich die Zustimmung der SPD einzuholen, und es dann durchzuwinken zu können. Glücklicherweise haben einige beherzte Bürger das BVG angerufen.
Ingo Kerp 19.10.16 16:01
Ceta
macht deutlich, wie gering der Zusammenhalt innerhalb der EU noch ist. Die Wallonen stellen sich gegen das CETA-Abkommen und die Rumänen und Bulgaren drohen ebenfalls mit einem Veto, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt werden. Jeder kocht sein eigenes Süppchen und pfeift auf die Gemeinschaft. Nachdem der Brexit offiziell nach § 50 für das kommende Jahr angekündigt wurde, bleibt abzuwarten, ob nach den nächsten Wahlen in Italien und Frankreich, die Länder überhaupt noch in der EU verbleiben. Brüssel sollte das langsame Auseinanderbröckeln erkennen, ebenso den Unmut vieler Bürger und einen Neuanfang starten mit neuen Ideen und neuen Köpfen.
Andreas Kaiser 19.10.16 15:27
Investitionsschutz...
Dieser Passus muss vollständig weg oder es muss drin stehen dass gesetzberische Maßnahmen eines Staates niemals zu Schadensersatzforderungen wegen entgangenem Gewinn führen dürfen. Die Rechte und Gesetze eines Staates müssen immer Vorrang haben vor Gewinnbestrebungen des Einzelnen.
Andreas Keasling 19.10.16 15:24
Die Behauptungen der Regierungen höre ich wohl...
allein - es fehlt mir der Glaube. Denn wenn es so ist wie die Politiker sagen, warum steht dann in CETA etwas ganz Anderes drin, als das, was sie selbst behaupten?

Bei zukünftigen Gesetzen sollen die Wirtschaftsbosse das sagen haben wie das Gesetz auszusehen hat oder welches überhaupt gemacht werden darf, sofern es ihre (Gewinn-) Interessen tangiert.

Erlässt ein Staat ein Gesetz zum Umweltschutz oder Schutz seiner Bürger das in der Folge Gewinne eines Unternehmens schmälert, so kann dieses Unternehmen von diesem Staat entgangenen Gewinn als Schadensersatz verlangen.

Natürlich ist das schön für Unternehmen wenn sie Profit machen können nur weil sie in Gewinnmindernden Gesetzestexten suchen und dann Massenweise Klagen folgen die uns Steuerzahler unser Geld kosten. Den Politikern ist es wurscht, die haben sich gute Einkommen gesichert. Wen es trifft sind doch wieder großen Massen der Bevölkerung, für die dieses Geld nicht mehr zur Verfügung steht, Rentenkürzen, Sozialkürzungen folgen um den Reichen das Geld geben zu können das sie einklagen.
Andreas Keasling 19.10.16 15:23
Die Behauptungen der Regierungen höre ich wohl...
allein - es fehlt mir der Glaube. Denn wenn es so ist wie die Politiker sagen, warum steht dann in CETA etwas ganz Anderes drin, als das, was sie selbst behaupten?

Bei zukünftigen Gesetzen sollen die Wirtschaftsbosse das sagen haben wie das Gesetz auszusehen hat oder welches überhaupt gemacht werden darf, sofern es ihre (Gewinn-) Interessen tangiert.

Erlässt ein Staat ein Gesetz zum Umweltschutz oder Schutz seiner Bürger das in der Folge Gewinne eines Unternehmens schmälert, so kann dieses Unternehmen von diesem Staat entgangenen Gewinn als Schadensersatz verlangen.

Natürlich ist das schön für Unternehmen wenn sie Profit machen können nur weil sie in Gewinnmindernden Gesetzestexten suchen und dann Massenweise Klagen folgen die uns Steuerzahler unser Geld kosten. Den Politikern ist es wurscht, die haben sich gute Einkommen gesichert. Wen es trifft sind doch wieder großen Massen der Bevölkerung, für die dieses Geld nicht mehr zur Verfügung steht, Rentenkürzen, Sozialkürzungen folgen um den Reichen das Geld geben zu können das sie einklagen.