Xi Jinping-Rede wegweisend

Foto: epa/How Hwee Young
Foto: epa/How Hwee Young

PEKING (dpa) - Seine Vision dauerte dreieinhalb Stunden. Xi Jinping will China nicht nur wirtschaftlich, sondern auch militärisch stark machen. Die Partei umjubelte seine Rede. Es gab aber einen tragischen Zwischenfall: Unweit der Großen Halle des Volkes zündete sich ein Mann selbst an.

Mit dem Aufbau eines starken Chinas will Staats- und Parteichef Xi Jinping den «chinesischen Traum» verwirklichen. Zum Auftakt des Parteikongresses in Peking rief der Präsident am Mittwoch zu verstärkten Anstrengungen auf, um Wohlstand zu schaffen und dem «Sozialismus chinesischer Prägung für eine neue Ära» zum Erfolg zu verhelfen. Die Streitkräfte sollen modernisiert und zu einem Militär von «Weltklasse» ausgebaut werden. «Der Wiederaufstieg der Nation ist der größte Traum des chinesischen Volkes.»

Vor goldenem Hammer und Sichel neben roten Fahnen in der Großen Halle des Volkes präsentierte der Parteichef über dreieinhalb Stunden seine Vision für die Zukunft der zweitgrößten Volkswirtschaft. Die Rede war nicht nur stark ideologisch gefärbt, sondern mit 65 Seiten auch rekordverdächtig lang. China werde niemals «einfach mechanisch» politische Modelle anderer Länder kopieren, schwor Xi Jinping. Er sprach sich auch gegen jede Einmischung von außen und gegen die Praxis aus, «dass die Starken die Schwachen herumschubsen».

Ein massives Polizeiaufgebot und Zehntausende Freiwillige auf den Straßen sicherten den einwöchigen Parteitag. Inmitten der scharfen Sicherheitsmaßnahmen steckte sich am Dienstagnachmittag in der beliebten Einkaufsstraße Xidan im Stadtzentrum ein Mann selbst in Brand und brach zusammen, wie Augenzeugen der Deutschen Presse-Agentur schilderten. Er habe überlebt und sei weggetragen worden. Zwei Videos im Kurznachrichtendienst Twitter zeigten den brennenden Mann, der vor einem Apple-Store am Boden liegt und dann von zwei Sicherheitsleuten mit Feuerlöschern besprüht wird.

Ein unbekannter Nutzer, der eines der Videos veröffentlicht hatte, gab an, der Mann habe anlässlich des Parteitages protestieren wollen. Augenzeugen konnten aber keine Angaben dazu machen, warum sich der Mann angezündet hatte. «Es ist Parteitag, wir sollten nicht weiter darüber sprechen», sagte ein Verkäufer, der den Vorfall beobachtet hatte. Die Polizei wollte sich zunächst nicht dazu äußern. Auch blieb der Zwischenfall von den rund 2.300 Delegierten unbemerkt.

An der Eröffnung des nur alle fünf Jahre stattfindenden Parteitages nahmen die ehemaligen Parteichefs Hu Jintao (74) und Jiang Zemin (91) teil, die direkt neben Xi Jinping Platz nahmen. Die Delegierten werden den 64-Jährigen für weitere fünf Jahre im Amt bestätigen und im Zentralkomitee den größten Personalwechsel seit Jahrzehnten billigen. Indem er weitere Gefolgsleute in das Politbüro und seinen engsten Führungszirkel holt, will der Präsident seine ohnehin schon ungewöhnlich große Machtfülle weiter ausbauen.

Delegierte hielten es für möglich, dass Xi Jinping sogar nach 2022 noch für eine dritte Amtszeit antritt. «Wir hoffen, dass er weiter an der Macht bleibt», sagte der Delegierte Yang Bo aus Guizhou. «Es wäre ein Glück für Partei und Land», pflichtete die Delegierte Pan Yue bei. Obwohl kritische Beobachter vor einer Autokratie Xi Jinpings warnten, sagte die Delegierte Wu Lan: «Diese Stimmen liegen falsch.»

In seiner vielfach von Beifall unterbrochenen Rede schwor Xi Jinping die Partei auf eine Linie ein. «Die Aussichten sind rosig, aber die Herausforderungen sind ernst.» Sowohl China als auch die Welt steckten «in tiefgreifenden und komplizierten Veränderungen». «Alle Genossen müssen höchst wachsam gegenüber den Gefahren sein.» Sie müssten entschieden gegen alles angehen, was die Partei «untergräbt».

Das Internet soll besser kontrolliert werden, um ein «sauberes Cyberspace» zu wahren. Auch die nationale Sicherheit müsse wirksam geschützt werden, sagte Xi Jinping. China müsse entschieden gegen jede «Infiltration, Untergrabung der Staatsgewalt und Sabotage sowie gewalttätige terroristische Aktivitäten, ethnischen Separatismus und und religiösen Extremismus» ankämpfen.

Während Xi Jinping die Fortschritte im Land hervorhob, wies er auch auf «Unzulänglichkeiten in unserer Arbeit» und «akute Probleme» hin. «Unser Problem ist, dass unsere Entwicklung unausgewogenen und unangemessenen ist.» Die Innovation müsse stärker werden. Die Wirtschaft warte auf Besserung - und im Umweltschutz gebe es noch viel zu tun. Er bekräftigte frühere Beschlüsse, dass der Markt eine «entscheidende Rolle» spielen solle, hob aber im gleichen Satz hervor, dass der Staat «seine Rolle besser spielen muss».

Er setzte sich für eine gerechte Globalisierung ein, versprach eine weitere Marktöffnung Chinas und den Schutz ausländischer Investoren. «China wird seine Türen zur Welt nicht schließen.» Auch bekräftigte Xi Jinping die seit Jahren gegebene Zusage, dass alle in China registrierten Unternehmen, darunter auch ausländische Firmen, «gleich behandelt werden». Deutsche und europäische Unternehmen beklagen aber zunehmend Diskriminierung gegenüber chinesischen Wettbewerbern.

Angesichts der Rufe nach mehr Demokratie in Hongkong bekräftigte Xi Jinping die Souveränität Chinas über die ehemalige britische Kronkolonie. Er unterstrich zugleich den Grundsatz «ein Land, zwei Systeme», nach dem die asiatische Wirtschaftsmetropole autonom verwaltet wird. Den Unabhängigkeitskräften in Taiwan sagte der Parteichef den Kampf an.

Das neue Zentralkomitee wird am nächsten Mittwoch, einen Tag nach Abschluss des Parteitags, zusammentreten, um das neue Politbüro zu billigen. Es hatte bisher 25 Mitglieder. Daraus bildet sich das oberste Machtgremium mit gegenwärtig sieben Mitgliedern im Ständigen Ausschuss des Politbüros. Außer Xi Jinping und Premier Li Keqiang werden alle anderen Mitglieder aus Altersgründen ausscheiden.

Auch werden die Delegierten das ideologische Erbe von Xi Jinping in der Parteiverfassung festschreiben. Der Parteichef sprach selbst vom «Gedankengut über den Sozialismus chinesischer Prägung für eine neue Ära», das auf bisherige Leitlinien seiner Vorgänger aufbaue. Die Frage ist jetzt, ob auch sein Name daneben in die Statuten aufgenommen wird. Dann würde Xi Jinping auf die gleiche historische Stufe wie der Staatsgründer Mao Tsetung und der wirtschaftliche Reformarchitekt Deng Xiaoping gehoben.

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