Wut über die Wasserkrise: Millionen in Damaskus ohne Versorgung

Foto: epa/Youssef Badawi
Foto: epa/Youssef Badawi

DAMASKUS (dpa) - Die Worte von Mahmud Salim aus Damaskus klingen nach Verzweiflung. Etwa 40.000 Lira verdient er im Monat als Mitarbeiter des syrischen Energieministeriums, das sind knapp 80 US-Dollar. Damit sind in Syrien ohnehin keine großen Sprünge möglich, doch jetzt ist die Lage geradezu katastrophal. Weil die Wasserversorgung der Hauptstadt seit Wochen größtenteils abgeschnitten ist, sind die Preise für Trinkwasser in die Höhe geschossen. «Die Lage ist nicht zu ertragen», klagt der 51-Jährige, der eine fünfköpfige Familie ernähren muss. «Ich gebe mein ganzes Monatseinkommen für Wasser aus.»

Selten hat Damaskus seit Beginn des Bürgerkrieges vor fast sechs Jahren so massiv die Folgen des Konflikts zu spüren bekommen. Der Wassermangel ist das Ergebnis heftiger Kämpfe um das fruchtbare Tal Wadi Barada, einst ein beliebtes Ausflugsziel für Damaszener und seit 2012 unter Rebellenkontrolle. Von dort stammt fast 70 Prozent des Wassers für rund fünf Millionen Menschen in der Hauptstadt.

Doch seit kurz vor Weihnachten fließt kaum noch ein Tropfen aus Wadi Barada - wofür sich Syriens Regierung und Oppositionelle gegenseitig die Schuld geben. Die Anhänger von Präsident Baschar al-Assad werfen den Rebellen vor, sie hätten das Wasser der Quelle in dem Ort Ain al-Fidscha mit Dieselöl verseucht. Die Regimegegner wiederum erklärten, Angriffe der Regierung hätten die Infrastruktur so sehr zerstört, dass kein Wasser mehr gepumpt werden könne.

Auch die auf investigative Internetrecherchen spezialisierte Seite Bellingcat hält es für die wahrscheinlichste Variante, das die Bombardierung des Regimes verantwortlich für die Schäden vor Ort ist. Sie hat für ihre Analyse Videos, Fotos und andere Informationen aus sozialen Medien ausgewertet. Denkbar ist auch, dass die Infrastruktur bei Kämpfen beschädigt wurde und deshalb Diesel in das Wasser floss.

Über Wochen griff Syriens Luftwaffe das Tal an, nachdem Regierungskräfte kurz vor Weihnachten eine Offensive auf Wadi Barada begonnen hatten. Fast täglich kam es zu heftigen Kämpfen, obwohl landesweit eine Waffenruhe gilt. Die Opposition beschuldigt die Regierung, die Feuerpause in Wadi Barada permanent verletzt zu haben. Die Anhänger von Präsident Assad geben vor, dort «Terroristen» zu bekämpfen, die von der Waffenruhe ausgenommen sind.

Zumindest etwas Hoffnung auf eine Lösung des Konflikts kam am Donnerstag auf. Regierung und Rebellen sollen sich auf eine Waffenruhe geeinigt haben. Auch Techniker sollten in das Tal kommen. Aus westlichen Diplomatenkreisen hieß es dazu vorsichtig optimistisch, zunächst müsse sich die Feuerpause aber erst als stabil erweisen.

«Dramatische» Folgen hat die Wasserkrise nach Einschätzung der UN für Millionen Menschen in Damaskus, was Einwohner der Stadt bestätigen. Was die Wasserwerke bekommen, pumpen sie nach einem festgelegten Zeitplan in unterschiedliche Viertel, wie der Direktor der Behörde, Mohammed al-Scheich, erklärt. Lokale Transportunternehmer verdienen jetzt Geld damit, dass sie Wasser in Tankwagen in die Stadt bringen und dort verkaufen. Hotels vermieten Zimmer zum Duschen. Auch die traditionellen Badehäuser finden großen Zulauf.

Die Damaszener finden ihre eigene Methoden, um mit der Krise umzugehen. Manche sind zu Verwandten in Viertel gezogen, die noch mit Wasser versorgt werden. Andere setzten Prioritäten. «Wir haben gemerkt, dass Wasser im Bad wichtiger ist als in der Küche», erzählt die 45 Jahre alte Julia. «Wir haben aufgehört zu kochen und kaufen nur noch Fertiggerichte.» Damit ihre Familie nicht spülen muss, benutzt sie Teller und Besteck aus Plastik und Papier.

Andere versorgen sich mit Kanistern aus öffentlichen Brunnen. In der Stadt sind Warnungen zu hören, dass das zur Verfügung stehende Wasser häufig nicht zum Trinken geeignet ist. Viele kochen es ab. «Zweifellos ist das Wasser jetzt nicht so rein wie das aus Ain al-Fidscha», sagt der Direktor der Wasserwerke. «Aber insgesamt ist es zum Trinken geeignet. Wir haben keine andere Lösung.»

Die Wut der Menschen auf die Regierung und die Opposition steigt. Damit wächst auch der Druck auf Präsident Baschar al-Assad, der in Damaskus großen Rückhalt findet. Mit Beteuerungen, die Krise werde bald gelöst, geben sich Viele nicht mehr zufrieden. «Die Menschen laufen um die Wette, um Trinkwasser zu bekommen», klagt der 40 Jahre alte Ali, der im Zentrum lebt. «Wir haben unter der Strom-, Benzin- und Gaskrise gelitten. Jetzt kommt das Wasser auf diese Liste. Die Erklärungen der Verantwortlichen überzeugen niemanden mehr.»

Endgültig gelöst wird die Krise möglicherweise weder in Damaskus noch in Wadi Barada, sondern in einem Ort, der mehr als 5.000 Kilometer entfernt liegt. Von Montag an sollen sich Regierung und Regimegegner in der kasachischen Hauptstadt Astana zu neuen Verhandlungen treffen. Ganz oben auf der Agenda steht die brüchige Waffenruhe. Dabei dürfte es auch um die Kämpfe in Wadi Barada gehen.

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