Würzburger Axt-Angriff - als der Terror nach Deutschland kam

Foto: epa/Karl-josef Hildenbrand
Foto: epa/Karl-josef Hildenbrand

WÜRZBURG (dpa) - Mit der Axt-Attacke in einem Zug bei Würzburg kam vor einem Jahr der Terror nach Deutschland. Ein junger Flüchtling verletzte fünf Menschen schwer. Ein Jahr danach bleiben viele Fragen unbeantwortet.

Der Angriff des 17-jährigen Afghanen kommt unerwartet. Mit einer Axt und einem Messer greift der Flüchtling in einem deutschen Regionalzug auf dem Weg nach Würzburg vier Reisende an und verletzt sie schwer. Er flüchtet zu Fuß, attackiert eine Spaziergängerin und wird schließlich in den Main-Auen von zwei Polizisten erschossen. Davor soll er mit erhobenen Waffen auf sie zugestürmt sein und «Allahu Akbar» (Gott ist groß) gerufen haben.

Die Tat des Jugendlichen reklamierte später die islamistische Terrormiliz IS für sich. In einem Video bekannte sich der 17-Jährige zum IS. Am 18. Juli jährt sich die Tat.

Der Schock nach dem Anschlag vor den Toren von Würzburg saß tief: Woher kam der plötzliche Hass des Jugendlichen, der noch Tage vorher seinen Pflegeeltern und vielen Flüchtlingshelfern im bayerischen Ochsenfurt ganz normal vorkam, eine Lehrstelle in Aussicht hatte und als vorbildlich integriert galt? Hat der Tod eines Freundes in der Heimat Afghanistan ihn möglicherweise so aus der Bahn geworfen, dass ihm der Angriff als einzig richtige Reaktion darauf vorkam? Antworten darauf wird es nicht geben. Der Attentäter ist tot.

Die Ermittlungen hatte kurz nach dem Anschlag die Bundesanwaltschaft übernommen. Einem Sprecher zufolge laufen sie noch immer. «Da gibt es keinen neuen Stand», ein Ende des Verfahrens sei noch nicht absehbar.

Seine damaligen Pflegeeltern und auch der Helferkreis Ochsenfurt wollen nicht mit der Presse reden. Der Bürgermeister von Ochsenfurt, Peter Juks, ist froh, dass Flüchtlinge in der Region trotzdem nicht unter Generalverdacht stehen. «Es gab zwar eine Verunsicherung am Anfang, aber ansonsten war die Bevölkerung sehr besonnen», sagt der Politiker heute. Und hilfsbereit: Die 250 bis 300 Flüchtlinge in der Region werden intensiver umsorgt als vorher, sagt Juks. Die Stadt hat dafür eigens eine Vollzeitstelle bezahlt. Abgesehen davon: «Es ist wieder ganz normaler Alltag.»

Und doch markierte die Axt-Attacke den Anfang einer Veränderung: Das Sicherheitsgefühl der Deutschen gerät von Würzburg aus ins Wanken. Vier Tage nach dem Anschlag in der Fußgängerzone von Nizza mit 86 Toten hat die Axt-Attacke den Terror nach Deutschland geholt.

Nur wenige Tage später folgt der erste IS-Selbstmordanschlag auf deutschem Boden - vor einem Musikfestival im bayerischen Ansbach. «Würzburg, der Amoklauf in München mit neun Toten, Ansbach - und alles innerhalb von nur einer Woche. Das hat das subjektive Sicherheitsgefühl mit einem Schlag verschlechtert», sagt Unterfrankens Polizeipräsident Gerhard Kallert ein Jahr später.

Am 18. Juli 2016 waren mehr als 300 Einsatzkräfte von Rettungsdiensten, Polizei und Seelsorgern im Einsatz. Zunächst unter sehr erschwerten Bedingungen: «Wir wussten lange nicht, ob wir es mit nur einem oder mehreren Tätern zu tun hatten. Die ständige Bedrohung war unser größtes Problem», sagt Uwe Kinstle von der Johanniter-Unfall-Hilfe, der als Abschnittsleiter am Tatort war.

Die Opfer der Attacke - eine Würzburgerin und vier Touristen aus Hongkong - kämpfen noch immer mit den Folgen. Die chinesischen Eltern machten mit ihrem Sohn und ihrer Tochter sowie dem Verlobten der Tochter Urlaub in Deutschland. Der Vater wurde von dem Attentäter am Bauch, das Paar am Kopf schwer verletzt. Die Mutter kam mit leichten Verletzungen davon, der Sohn blieb körperlich unversehrt.

Hans-Peter Trolldenier von der Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Freundschaft in Würzburg hat die Opfer erst vor wenigen Wochen in Hongkong besucht. «Es geht ihnen gut, aber sie brauchen noch immer regelmäßige medizinische und psychotherapeutische Behandlung», sagt der 72-Jährige. Der Verein hatte 2016 Spenden gesammelt. Mehr als 15.000 Euro zahlte er an die Familien aus, damit sie sich während des monatelangen Klinikaufenthaltes in Deutschland sowie zurück in Hongkong und zunächst ohne Job finanziell über Wasser halten konnten.

Mittlerweile arbeitet das junge Paar wieder. Trotz der schrecklichen Ereignisse seien sie dankbar, schrieben die beiden vor wenigen Tagen per E-Mail an Trolldenier. Dankbar für all die Hilfe und Solidarität, die sie nach dem Angriff in Deutschland erfahren haben. Die Verlobte könnte sich sogar vorstellen, wieder nach Würzburg zu reisen.

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