Willkommen in der Hölle

 Foto: Orlando Bellini / Fotolia.com
Foto: Orlando Bellini / Fotolia.com

Hamburg hat gewalttätige Tage hinter sich. Gewaltbereite Demonstranten aus ganz Europa haben insbesondere als „Schwarzer Block“ vermummt für Angst und Schrecken gesorgt. Offensichtlich gelingt es Kriminellen immer besser G20-Gipfel für Ihre Zwecke zu missbrauchen und mit Gewalt gegen Personen und Sachen ihre vermeintliche Kapitalismuskritik zum Ausdruck zu bringen. Ist das Format der G20 noch zeitgemäß?

Was unter Helmut Schmidt vor Jahrzehnten unter der Bezeichnung G7 als Treffen von sieben Regierungschefs begann, ist zu einer Mammutveranstaltung ausgeartet. Zum aktuellen Gipfel in Hamburg entsandte China eine Delegation von 1.000 Personen, die USA brachten es auf 900 Teilnehmer, die neben den anderen Delegationen von ungefähr 6.000 Journalisten begleitet wurden. Saudi-Arabien wollte offensichtlich sogar den Thron des Königs ins vornehme Hotel Vier Jahreszeiten an der Binnenalster mitbringen, bevor der es sich dann drei Tage vor Beginn der Veranstaltung doch ganz anders überlegte und absagte. Kein Problem für das Hotel, denn die Saudis hatten wie üblich das ganze Hotel gebucht und alle gewünschten Umbauten inklusive der notwendigen Rückbauten bereits im Vorfeld bezahlt. Während sich die Polizei mit Priorität um den Schutz der Gipfelteilnehmer kümmerte, zündeten Kriminelle im Schanzenviertel und anderswo mit Fackeln bewaffnet Autos und Läden an und trieben Bürger auf die Dächer der Häuser. Der Polizeipräsident der Stadt hatte im Vorfeld der Veranstaltung bereits verlauten lassen, dass Sachbeschädigungen in den Randgebieten der Stadt hinzunehmen seien. Offensichtlich war man sich bewusst, nicht gleichzeitig den Gipfel und die Bürger schützen zu können. Die Bürger sind dabei wohl teilweise auf der Strecke geblieben. Mindes­tens genauso gravierend ist der zweifelhafte Umgang mit dem Demonstrationsrecht der friedlichen Demonstranten durch die Polizei. Teilweise wurden bereits genehmigte Demonstrationen kurzfristig dann doch untersagt oder andere genehmigte Demons­trationen mit Gewalt aufgelöst. Dies steht klar im Gegensatz zur Brokdorf Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in der das Gericht vor mehr als 30 Jahren in ebenfalls turbulenten Zeiten entschieden hat: „Das Recht des Bürgers, durch Ausübung der Versammlungsfreiheit aktiv am politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess teilzunehmen, gehört zu den unentbehrlichen Funktionselementen eines demokratischen Gemeinwesens. Die staatlichen Behörden sind gehalten, versammlungsfreundlich zu verfahren und nicht ohne zwingenden Grund hinter bewährten Erfahrungen zurück zu bleiben.“ Die Hamburger Polizei hat das Gegenteil vollbracht. Die bewährten Erfahrungen blieben in der Schublade, die gewählte Vorgehensweise spitzte die Lage zu, brachte die Bürger der Stadt in Gefahr und versagte das legitime Demonstrationsrecht vieler friedlicher Demonstranten. Hier gilt es aufzupassen, denn die strikte Beachtung der Grundrechte darf nicht von der jeweiligen Lageeinschätzung der Polizei abhängen.

G20-Gipfel noch zeitgemäß?

Das vorzeigbare Ergebnis des Gipfels ist mager. Beim fairen und freien Handel ist man grundsätzlich einer Meinung, hat aber Protektionismus durch die Hintertür ausdrücklich zugelassen. Das Treffen zum Klimaschutz haben Trump und Putin geschwänzt, allerdings haben sich immerhin alle anderen Teilnehmer mit Ausnahme der Türkei klar hinter das „Pariser-Abkommen“ gestellt. Helmut Schmidt wollte das Meeting zu seinen Zeiten als vertrauensbildende Maßnahme zwischen den Staatschefs verstanden wissen. Ob dieser Zweck im heutigen Format noch erreicht werden kann, muss bezweifelt werden. Auch die Nichtteilahme Afrikas (mit Ausnahme von Südafrika) wirft Fragen auf. Wäre es nicht sinnvoll, die bestehenden Schwierigkeiten bei den Vereinten Nationen endlich anzugehen und anzustreben, diese Art von Zusammentreffen unter dem Dach der Vereinten Nationen durchzuführen?

Auch wenn man grundsätzlich der Meinung ist, sich der Gewalt von vermummten Kriminellen nicht beugen zu wollen, zeigt Hamburg, dass diese Art von politischer Mammutveranstaltung durch die Polizei nicht mehr beherrscht werden kann, und diese im Ergebnis den Schutz der Bürger als zweite Priorität betrachten muss und es im Eifer des Gefechts auch mit den Grundrechten nicht mehr so genau nimmt. Unter dem Strich ist man gut beraten, das Format gründlich zu überdenken.


Über den Autor

Christian Rasp ist Rechtsanwalt und seit 1992 in Thailand, Hongkong und China tätig. Er leitet ein spezialisiertes Consulting-Haus, lebt und arbeitet in Hua Hin, Bangkok und Hongkong. Die Kolumne Nachgefragt“ beschäftigt sich vorwiegend mit aktuellen ökonomischen Fragestellungen, die es verdienen, etwas genauer unter die Lupe genommen zu werden.

Feedback erwünscht!

Kontaktdaten von Rechtsanwalt Rasp:

E-Mail: cr@cr-management-consulting.com

Webseite: www.cr-management-consulting.com

Telefon: +66 32 512 253

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.

Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Jürgen Franke 24.07.17 21:33
Es ist wieder einmal Herrn RA Rasp zu danken,
dem es ihm gelungen ist, in wenigen Sätzen, diese G20 Veranstaltung objektiv zu beschreiben. Geplant war eigentlich, als Wahlkampfunterstützung für Frau Merkel, ein großer Auftritt mit der neuen Präsidentin Clinton in ihrer Geburtsstadt Hamburg. Bei der Planung konnte kein Mensch ahnen, dass das amerikanische Volk, einen Mann wählt, den sie lediglich aus einer Fernsehserie kennengelernt haben und der in seinen publikumswirksamen Auftritten genau den Unsinn von sich gegeben hat, den das bildungsferne Volk gerne hören wollte. Dass es keine Ahnung von Politik hatte, war dabei völlig nebensächlich. Jede Satiresendung wird heute mit diesem Typen gefüllt.
theo kleine 24.07.17 10:42
Warum setzt Vernunft sich so selten durch.
Man wünschte sich mehr solche Kommentare auch von deutschsprachigen Zeitungen im Inland und nicht nur in Thailand.