Wilders und Rutte kämpfen um jede Stimme

Foto: epa/Bart Maat
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AMSTERDAM (dpa) - Auf diesen Moment warten die Niederlande seit Wochen: das erste TV-Duell des rechtsliberalen Ministerpräsidenten Mark Rutte gegen den Rechtspopulisten Geert Wilders, die Nummer eins und zwei in den Umfragen vor der Parlamentswahl am Mittwoch.

Ein Schauspiel wird es sicher: der blond gefärbte Wilders gegen den dunkelhaarigen Rutte. Beide sind sehr redegewandt, schlagfertig und stammen zudem aus derselben politischen Familie. Wilders hatte 2004 mit der rechtsliberalen VVD - Ruttes Partei - gebrochen.

In diesem nach Sicht aller Beobachter bizarren Wahlkampf geht es eigentlich nur um eine Frage: Wie groß wird Wilders' Partei für die Freiheit PVV? Auch wenn ausgeschlossen ist, dass er Ministerpräsident wird, könnte er bei einem Sieg großen Einfluss auf die niederländische Politik haben.

Sowohl Rutte als auch Wilders hatten den Wahlkampf von Anfang an als einen Zweikampf inszeniert. Dazu aber kam es nicht. Im Gegenteil. Ruttes VVD stagniert bei etwa 16 Prozent und Wilders verliert in den Umfragen und steht nun mit rund 13 Prozent auf Platz zwei. Die übrigen Parteien holten dagegen deutlich auf. Nur die Sozialdemokraten, Ruttes bisheriger Koalitionspartner, stehen vor der größten Niederlage ihrer Geschichte.

Wer die Wahl gewinnt, ist noch völlig offen. Daher steht für Rutte und Wilders bei diesem TV-Duell viel auf dem Spiel. Denn noch immer sind mehr als die Hälfte der Wähler unentschlossen, wem sie ihre Stimme geben sollen.

Es gehe um eine «Absage an den falschen Populismus» hatte Rutte die Wähler beschworen und sich als seriöse Alternative zu Wilders' Kurs gegen Muslime und gegen Europa präsentiert. Dabei setzte der 50 Jahre alte, sonst so optimistisch lachende Premier auf dieselben Botschaften wie sein großer Kontrahent. In seitengroßen Zeitungsanzeigen hatte er «allen Niederländern» ein hartes Vorgehen gegen Migranten versprochen, die sich nicht an niederländische Werte und Normen hielten: «Verhalte dich normal oder geh weg!»

Doch die Wahlkampfstrategie der VVD fiel zusammen wie ein Souflé, das zu früh aus dem Ofen kommt. Wilders spielte das Spiel nämlich nicht mit. Er sagte die meisten TV-Debatten ab. Interviews gibt er sowieso höchst selten. Sein liebstes Medium ist und bleibt Twitter.

Diese Strategie aber kostet dem 53 Jahre alten Abgeordneten Stimmen. Noch bis Januar war der Islamgegner unangefochten die Nummer eins in den Umfragen gewesen. Doch seit einigen Wochen verliert die PVV.

Wilders kann sich nur schwer als Rechtsaußen profilieren, wenn der Premier einen ähnlich straffen Kurs fährt. Das wurde nun in der diplomatischen Krise mit der Türkei überdeutlich. Schon fast unholländisch kompromisslos hatte Ruttes Regierung die türkischen Minister abgewiesen, die in den Niederlanden Wahlkampf für ihre Verfassungsänderung führen wollten.

Jetzt muss Wilders alles tun, um seine Stammwähler bei der Stange zu halten. Immer mehr aber haben den Eindruck, dass eine Stimme für ihr Idol eine verlorene Stimme ist. Denn alle etablierten Parteien schließen eine Zusammenarbeit mit der PVV aus. Zuletzt bekräftigte Ministerpräsident Rutte das im Wilders-Stil auf Twitter: «Das. Wird. Nicht. Geschehen.»

Wilders spielte den beleidigten Calimero und drohte bereits mit einem «Aufstand» seiner Wähler, sollte er bei einem Wahlsieg nicht an der Regierung beteiligt werden. Doch das zieht bei Rutte sicher nicht. Seine erste Minderheitsregierung war 2012 nach nur 18 Monaten gescheitert, weil Wilders die Zusammenarbeit aufgekündigt hatte. Das hat ihm Rutte nie verziehen.

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